Mehr als ein Facelifting

Transformation. Die Begriffe Recycling, Redevelopment, Revitalisierung, Refurbishment und Restrukturierung sowie Relaunch und Renovierung werden oft undifferenziert verwendet, aber auf den Punkt gebracht heißt es nichts anderes als „Aus alt mach neu“ – und ganz etwas anderes.

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Transformation. Die Begriffe Recycling, Redevelopment, Revitalisierung, Refurbishment und Restrukturierung sowie Relaunch und Renovierung werden oft undifferenziert verwendet, aber auf den Punkt gebracht heißt es nichts anderes als „Aus alt mach neu“ – und ganz etwas anderes.

Kein Gebäude ist schlecht, es steht nur manchmal am falschen Platz. Der lässt sich schwer verändern, dafür aber das Gebäude. Auch nicht immer leicht, denn „die Nachnutzung von Gebäuden hängt stark von der Qualität der bestehenden Bausubstanz und des Standorts ab“, meint Peter Ulm, Vorsitzender des Vorstandes der 6B47 Real Estate Investors. Aber – und das zeichnet sich ab: „Zukünftig wird es bestimmt viele weitere Projekte geben, welche eine Nachnutzung ermöglichen.“

Wurden nämlich früher Gebäude für die Ewigkeit errichtet, so ist die rasante gesellschaftliche Entwicklung und die Veränderungen in den Städten dafür verantwortlich, dass Gebäude nicht mehr in ihrer bestehenden Form benötigt werden. Das macht selbst vor Gotteshäusern nicht halt. Betrachtet man die internationalen Beispiele, da wird schon einmal aus einer Kirche eine Bibliothek wie in Maastricht (Niederlanden) oder wie in Mönchengladbach Wohnungen. In Basel (CH) und Ribe (DK) wurden ehemalige Gefängnisse zu Hotels umgebaut oder alte Gasbehälter in Wohnungen und Shopping-Center. Die Wiener Gasometer sind faktisch ein Klassiker, wenn man auch über die Neunutzung trefflich diskutieren könnte.

Schlagzeilen machte auch ein Projekt in den USA: Das älteste Indoor-Einkaufszentrum des Landes wurde mit Wohnungen bestückt. 17 Geschäfte, Boutiquen und Restaurants blieben im Erdgeschoß erhalten, die zweite und dritte Etage der ehemaligen Mall wurde zu einer Wohnanlage mit 48 schicken Mikro-Apartments in Größen zwischen etwa 23 und 41 Quadratmetern umfunktioniert. Die Nachfrage nach den Wohnungen in „The Arcade Providence“ in Providence, Rhode Island, die 1828 im Stil der griechischen Architektur gebaut ist, ist hervorragend. Die Wartelisten seit der Eröffnung der Appartements sind lang. Shopping-Flächen zu refurbishen wird wohl ein brennendes Thema, denn viele Flächen werden in absehbarer Zeit nicht mehr gebraucht.

Alternative Nutzungsarten

„Ausnahmslos alle Handelslagen verspüren in Österreich bereits einen Frequenzrückgang. Auch Top-Lage“, erklärt Hanna Bomba von der Unternehmensberatung Regio Plan. „Kurz- und mittelfristig gehen wir von einem Rückgang von zehn Prozent aus. Langfristig können sogar bis zu 25 Prozent der Flächen betroffen sein.“ Wohnungen wie in den USA sind die eine Alternative, aber es gibt noch eine fast logische Idee, die sich auftut und so überlegen die ersten Marktteilnehmer bereits: „Wenn Handelsflächen auf Grund des zunehmenden E-Commerce nicht mehr benötigt werden, warum sollte man Teile davon dann nicht genau dafür verwenden? Nämlich als Logistikflächen.“ Zentral gelegen sind sie und die Zufahrtsmöglichkeiten und Ladeflächen wären schon einmal vorhanden. Vor allem Logistikflächen brauchen kein Image – etwas, ohne das es beim Wohnen gar nicht mehr geht.

Speziell im Wohnbereich sind Individualität und Außergewöhnliches gefragt, wie man beim oben erwähnten Beispiel in Rhode Island sieht. Während die Größe des Wohnraumes zurückgeht steht die Originalität der Wohnfläche an oberster Stelle. In einem Shopping Center zu Wohnen „hat nun einmal etwas“.

[caption id="attachment_11771" align="alignleft" width="300"] © Fotolia[/caption]

Mit Geschichte

„Ich muss mich als Architekt um die Verwertbarkeit und die Vermarktbarkeit kümmern,“ erklärt Robert Blaschke, raumbau architekten ztgmbh. Das Unternehmen hat sich unter anderem auf Refurbishment spezialisiert und daher weiß Blaschke: „Umso wichtiger ist es, gerade bei Wohnprojekten eine Story zu erzählen. Wir versuchen jedem Gebäude eine Identität zu geben und man schnitzt eine Story rund um die Immobilie, damit man zukünftige Mieter oder Käufer emotional an das Gebäude binden kann.“ Leider ist dies nicht immer so leicht der Fall. Aus einem originellen Gebäude ein schönes zu machen, ist ja nicht die Kunst, die Herausforderung liegt woanders: „Man hat nicht immer einen sexy Bestand“, spricht Blaschke aus Erfahrung: „Ein Großteil der Objekte, die wir refurbishen sind typische ‚Graue-Maus-Gebäude’, errichtet Ende 80er, Anfang der 90er Jahre. Sie sind teilweise sehr unsexy und reine Funktionsgebäude.“ Aber auch so einem Gebäude kann neues Leben eingehaucht werden.

Leichter ist es definitiv, wenn das Haus natürlich schon eine Identität hat oder noch besser eine denkmalgeschützte Wiener Architektur-Ikone ist, wie das Philipp’s Bürohaus am Wienerberg. Das Bürohaus mit zwölf Geschossen wird von 6B47 Real Estate Investors AG und der Sans Souci Group in ein Wohngebäude mit knapp 130 komplett möblierten Apartments umgewandelt.

„Für manche Projekte ist ein kreatives Konzept notwendig, um eine Umnutzung wirtschaftlich darstellen zu können“, so Peter Ulm über die ehemalige Firmenzentrale: „Ausschlaggebend für die Umsetzung des Projekts Philipp’s war das kreative Konzept die ehemalige Firmenzentrale für Serviced Apartments zu nutzen.“ Solche Ikonen haben zwar eine Story zu erzählen, aber unter dem Strich ist die Entwicklung mühsamer, denn „das denkmalgeschützte Gebäude darf an der Außenseite nicht verändert werden“, so Ulm.

Gute Zusammenarbeit wichtig

„Die enge Zusammenarbeit mit Verwaltung, Öffentlichkeit, Politik und Denkmalpflege ist notwendig, um ein hervorragendes Ergebnis für alle Beteiligten zu erreichen“, meint Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der SIGNA. Umso mehr, wenn es nicht nur um das einzelne Gebäude geht, sondern gleich um das Umfeld auch noch.

Das Gebäude zu refurbishen und dann noch die gesamte Gegend mit viel Aufwand zu inspirieren, ist schon eine Kunst für sich. „Es ist spannend, mit solchen Neuausrichtungen ein Grätzel zu beleben“, fasst Stadlhuber das Projekt „Goldenes Quartier“ zusammen: „Das Goldene Quartier hatte gewisse Risikokomponenten aber es war klar, dass Wien in diesem Bereich einen Nachholbedarf hatte.“ Letztendlich machten bestehende Objekte in historischem Ambiente in besten Innenstadtlagen eine komplette Konversion durch. Aus zwei ehemaligen Bankenzentralen wurden ein Luxushotel sowie hochwertige Einzelhandelsflächen und Luxuswohnungen entwickelt. „Wer sich ein Haus kauft – noch dazu eines, das unter Denkmalschutz steht – muss wissen, worauf er sich einlässt und tut es auch im Regelfall“, so Stadlhuber.

Ein Konzept, das bei der Konvertierung eines Gebäudes erst langsam beginnt Gestalt anzunehmen und seine Tragweite zu entfalten, ist „Betreutes Wohnen“. Einerseits steigt der Bedarf an Pflegeplätzen, andererseits das Interesse der Investoren. Die Bruttoausgaben für stationäre Pflege in Österreich sind von 2011 bis 2015 laut Statistik Austria um ca. 17,1 Prozent auf ca. 2,6 Milliarden Euro gestiegen. Die Anzahl der betreuten Personen in dem von vielen Betroffenen bevorzugten Modell der alternativen Wohnformen mit angeschlossenen Pflegeleistungen stieg im selben Zeitraum um etwa neun Prozent. Neue Konzepte werden gesucht, deren Heil natürlich nicht alleine im Projekt selbst liegt, denn Walter Eichinger, Managing Partner Silver Living GmbH meint: „Großer Nachteil ist, dass betreute Wohnformen zu teuer sind. Mit ‚zu teuer‘ ist das Gesamtpaket inklusive Miete gemeint. Kleinere Wohnungen werden extrem nachgefragt. Der Trend geht zum klassischen Mix von 40 und 60 Quadratmeter Wohnraum für Singles.“ Ein ehemaliges Bürohaus in zentraler Lage hätte hier sicher einige Vorteile zu bieten – auch wenn es eine „Graue Maus“ ist.

Was auch immer konvertiert wird, es belebt die Stadt und die Quartiere. So können auch wie in London aus heruntergekommen Dockanlagen begehrte Wohnviertel entstehen. Architekt Robert Blaschke: „In der Revitalisierung heruntergewirtschafteter Bestandsimmobilien liegt die Kraft für die Zukunft urbanen Lebens. Es geht um Umnutzung und Aufwertung von Bestandsimmobilien, um die Vitalität der Städte zu erhalten und Leerstände zu reduzieren. Die Stadt lebt."

Quelle: Fotolia
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