Mit Youtube-Tutorials zum großen Geschäft

Das oberösterreichische Unternehmen Kreisel Electric ist Entwickler und Hersteller eines innovativen Batteriemoduls für Elektroautos. Maßgeblich am Erfolg beteiligt waren Youtube-Videos.

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E-Mobilität. Das oberösterreichische Unternehmen Kreisel Electric ist Entwickler und Hersteller eines innovativen Batteriemoduls für Elektroautos. Maßgeblich am Erfolg beteiligt waren Youtube-Videos.

Das Thema E-Mobilität war für die Brüder Johann, Markus und Philipp Kreisel für lange Zeit uninteressant. Noch 2012 kommentierten sie den Elektroauto-Kauf ihres Vaters mit den Worten „Elektroauto, so ein Schmarrn“. Den Aha-Effekt brachte die erste Ausfahrt mit dem elektrischen Renault Fluence: „Das hat uns emotional berührt. Unglaublich, wie das Auto von null auf 60 Kilometer pro Stunde beschleunigt hat. Ein Wahnsinn.“ Heute wird Kreisel Electric von Fachzeitschriften als neuer Stern am Kfz-Himmel gehypt und sogar Arnold Schwarzenegger saß schon in einem der elektrischen Autos.

Der Renault ihres Vaters reichte den Brüdern schon bald nicht mehr aus. Ein Tesla sollte her. Ja, sollte, denn im oberösterreichischen Freistadt kam der Tesla letztendlich nie an. „Wir sind so erzogen worden, besser alles regional zu kaufen. Als wir gemerkt haben, dass unser Geld nach Amerika gehen würde, haben wir das Auto sofort storniert.“ Das beste Elektroauto wollten die Mühlviertler natürlich immer noch haben. Und weil man es selber immer noch am besten macht, setzten sich die drei an ihre Computer und schauten Youtube-Tutorials. Ob die Brüder als Suchbegriffe „How to Elektroauto“ oder „Wie baue ich in einer Woche ein Elektroauto“ genutzt haben, ist fraglich. Fest steht jedoch, dass ihr erstes elektrisches Auto – ein umgebauter Audi A4 – nach sechs Monaten Recherche innerhalb von einer Woche fertig wurde. Die Hobbybastler hantierten dabei nicht mehr mit 12-Volt-, sondern mit 400-Volt-Batterien: „Die Technik ist ja sowieso die gleiche.“ Mit den 100 Kilometern Reichweite des Audi gaben sich die Geschwister nicht zufrieden. Der Umbau eines Porsche 911 wurde zum nächsten Projekt erkoren. Nach der Fertigstellung nach sechs Monaten konnte der nun deutlich leichtere Porsche ohne Probleme 400 Kilometer fahren. Was danach kam, damit haben die Kreisels selbst nicht gerechnet. „Anfangs war das für uns auf jeden Fall eher Hobby“, so der kaufmännische Experte der Brüder, Markus Kreisel.

Die Wendung kam aus Asien

Ein chinesischer Investor wurde – wiederum durch Youtube-Videos – auf die Oberösterreicher aufmerksam und gab ihnen nach einer Fahrt mit dem Porsche den Zuschlag für den Einbau von flachen Batterien in ein Taxi. Innerhalb von drei Tagen hatten die Kreisels das Taxi, an dem die anderen Unternehmen schon über Monate tüftelten, umgebaut. „Wir haben eine Wechselbatterie hergestellt. Bei dem Projekt haben wir außerdem die Software, den Antriebsstrang und die Ladetechnik gemacht. Das war viel mehr, als am Anfang geplant war.“ Nachdem das Taxi nach China verschifft war, erkannten die Brüder, dass hinter dem Hobby mehr als nur Leidenschaft steckt: 2014 gründeten Johann, Markus und Philipp Kreisel ihr Unternehmen Kreisel Electric in Freistadt. Übrigens kann man schon am Logo von Kreisel Electric erkennen, dass hier drei Brüder am Werk sind: Man könnte auf den ersten Blick zwar denken, dass im Logo drei Pfeile enthalten sind, allerdings sind es eigentlich drei Ks für jeden der drei Brüder. Der erste Unternehmenssitz von Kreisel Electric war – ganz im Stil von Apple-Gründer Steve Jobs – eine Garage.

Obwohl Philipp Kreisel Maschinenbauer und Johann Kreisel Elektriker ist, starteten die drei Brüder mit wenig Fachwissen zum Thema E-Mobilität in die Selbstständigkeit. Gut, dass es auch dazu Youtube-Videos gab: Die Kenntnisse zu Softwareprogrammierung, CAD-Zeichnen und zur Bedienung von Lasern und Fräsen entstanden aus nächtelangen Sessions vor dem Computer. „Wenn du etwas dringend wissen musst, dann gibt es fast keine bessere Möglichkeit, als sich immer wieder Videos anzusehen“, findet Markus Kreisel.

„Wir sind nie auf Nummer sicher gegangen“

Man fragt sich vielleicht, warum drei Garagenbastler das geschafft haben, was den Forschungsabteilungen großer Automobilunternehmen nie gelungen ist. Markus Kreisel sieht die Begründung darin: „Wir sind nie auf Nummer sicher gegangen.“ Im Gegensatz zu manchen alteingesessenen Unternehmen habe man bei Kreisel Electric immer auf runde Batteriezellen gesetzt. Damit landen die Geschwister auf Umwegen doch wieder beim US-amerikanischen Unternehmen Tesla und dessen CEO Elon Musk. Tesla setzt nämlich ebenso auf die schwierig zu verbauenden runden Zellen. Die – schnell eingebauten –  flachen Zellen können im Gegensatz zu den runden deutlich weniger Energie speichern. 

Patentierte Kreisel-Technologie

Aber macht Kreisel Electric dann nicht dasselbe wie Tesla? Nein. Anstatt die Zellen standardmäßig zu verschweißen, wenden die oberösterreichischen Brüder ihre patentierte Kreisel-Technologie an. Die Kreisel-Technologie macht sich die Lasertechnik zunutze. Das verringert die Widerstände zwischen den Zellen und mehr Energie kann genutzt werden. Und zur besseren Temperierung schwimmen die Zellen in einer speziellen Kühlflüssigkeit. „Mit der Verbindungstechnik holen wir bis zu 15 Prozent mehr Energie aus den Batterien als Tesla.“ Herausragend sei auch die kurze Ladezeit von 28 Minuten (Vollladung) und die lange Lebensdauer von 400.000 Kilometern. Ein Highlight war die Integration der Kreisel-Batterien in den eGolf von VW: Der Einbau des Kreisel-Batteriepacks erhöht die Kapazität bei identischem Bauraum und identischem Gewicht auf 55,7 Kilowattstunden. Damit verbessert sich die Reichweite des Autos von 190 auf 430 Kilometer.

Terminator wird Markenbotschafter

Allein im letzten Jahr wurde die innovative Kreisel-Technologie mit mehr als 15 Awards und Preisen ausgezeichnet. Das ging natürlich auch am österreichischen Urgestein und früheren kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger nicht vorüber. Der „Terminator“ drehte seine erste Runde in einem von Kreisel Electric designten und elektrifizierten Mercedes G 350 – ein Luxus-Geländewagen – am diesjährigen Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Der Wagen ist selbst mit dem Gewicht eines ehemaligen Bodybuilders in 5,6 Sekunden von Null auf 100 Stundenkilometern und hat bis zu 300 Kilometer Reichweite. Markenbotschafter Schwarzenegger kutschiert die 490 PS mittlerweile durch seine Wahlheimat Kalifornien und soll Kreisel Electric in den USA bekannt machen.

Mit Erfolg: Das junge Unternehmen beschäftigt rund 75 Mitarbeiter und es sollen noch deutlich mehr werden: „Ab Mitte Juni werden wir jede Woche zwei Mitarbeiter mehr bekommen und in der Entwicklung und Konstruktion extrem wachsen“, gibt Markus Kreisel an. Aktuell gibt es 45 Entwicklungsprojekte im Automobil-, Flugzeug- und Marinebereich, wobei auch die Investition in Eigenprodukte geplant ist. Besonders große Chancen auf eine Stelle bei Kreisel Electric haben junge Leute: „Das Gute ist, wenn man solche Leute reinholt, dann denken die ein bisschen anders. Dadurch bekommen wir neue Ideen und vermeiden die Betriebsblindheit.“

Die neuen und alten Mitarbeiter sollen sich künftig über vierzig Elektrotankstellen freuen können. Eine ganz normale Elektrotankstelle reicht den Freistädtern aber nicht – intelligent und sparsam soll sie bitte sein. Die Stromer können an den Tankstellen punktgenau zum Feierabend vollgeladen werden. Gelingen soll das durch den Einsatz von USV-Anlagen am Haus. „Wenn bei uns der Strom ausfällt, dann wird man das in Zukunft nicht mehr merken, weil das sofort umswitcht und wir komplett stromautark produzieren.“ Die Technik, die zunächst intern eingesetzt wird, soll später Schritt für Schritt auf Parkhäuser, Wohngebäude oder Gewerbeimmobilien ausgeweitet werden. Kreisel Electric will dafür Speicher, Photovoltaik-Anlagen und das Lastenmanagement in einem Gebäude planen und umsetzen.

Grundriss dem Logo nachempfunden

Vor einigen Wochen zog die Kreisel-Crew von Freistadt ins das nicht einmal fünf Minuten Autofahrt entfernte Rainbach. Das neue Betriebsgebäude steht sternförmig da. „Wir haben den Grundriss exakt unserem Logo nachempfunden.“ In der Mitte befindet sich das Lager. „Damit die Wege kurz sind.“ Trotz 6.000 Quadratmetern Nutzfläche. Wobei Markus Kreisel, wie immer, einen Schritt weiter denkt. Die Brüder haben sich 15.000 Quadratmeter Grund im Gewerbegebiet gesichert haben – mit Blick auf eine erfolgreiche Zukunft.

Sein ganzer Stolz ist die Energieversorgung. „Wir haben eine 300 kW PV-Anlage am Dach, einen Ein-Megawatt-Speicher und einen 20.000 Liter-Wassertank.“ Dieser dient als Kühlanlage aller Wärmequellen im Haus, von Laseranlagen bis Serveranlage. „Dank des Wassertanks und der Solaranlage können wir heizen, kühlen, temperieren und diesen Wassertank zentral nützen.“


Wohnbau hat mit Elektroautos ja auf den ersten Blick wenig zu tun. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Kreisel Electric?

Michael Pech: Wir buchstabieren ÖSW als Ökosozialer Wohnbau. Umwelt und Nachhaltigkeit sind für uns wichtige Themen. Wir haben aktiv den Kontakt zu Kreisel Electric gesucht und bereits eine nlangfristige Kooperation vereinbart. Wie hier das Thema Energiespeichern behandelt wird, ist faszinierend. Wir sind Anwender und ich glaube, dass Kreisel Electric einen Quantensprung in der Technologie gelungen ist, der umsetzungsfähig ist und in großer Stückzahl in Serie gehen kann. Diese Serienfähigkeit hat uns bisher für einen professionellen Einsatz im Wohnbau gefehlt.

Photovoltaik allein ist Ihnen zu wenig?

Photovoltaik ist schön und gut. Kommt auch bei vielen unseren Projekten zum Einsatz. Der aktuell nicht benötigte Strom geht als Überschuss ins Netz. Der Einspeisungstarif ist mehr als mager. Wird mehr Strom benötigt als produziert wird, muss Strom teuer zugekauft werden.  Das ist eigentlich ein Trauerspiel. Das Problem der Speicherung wurde bisher in der Praxis nicht ökonomisch gelöst. Mit der Technik von Kreisel Electric haben wir die Lösung des Problems in der Hand. Wir sind nun in der Lage, in Wohnhäusern – und jetzt reden wir nicht nur von Einfamilienhäusern, sondern auch vom mehrgeschoßigen Wohnbau – dank Pufferung Strom zeitversetzt nutzen zu können.

Sehen Sie darin eine Chance, die Netze zu entlasten und den Klimawandel zu stoppen?

Die Speicherfähigkeit wird ein großer Meilenstein auf dem Weg dahin sein. Wir können die Netze langfristig redimensionieren, weil wir eine dezentrale Versorgung sicherstellen.

Auf den Punkt gebracht: Ist das auch wirtschaftlich?

Schon jetzt lässt sich eine Wirtschaftlichkeit darstellen. Ich sehe für die Zukunft noch größere Potentiale. Die Preissituation wird sich deutlich verbessern. Auch hier gelten die wirtschaftlichen Gesetze: Steigt die Produktion, sinkt der Preis. Wenn wir damit in größere Anlagen gehen, dann glauben wir und Kreisel Electric, dass der Preis noch attraktiver werden kann. Wir stehen erst am Anfang,

Stimmt es, dass beim ÖSW Hausboot-Projekt Batterien von Kreisel Electric zum Einsatz kommen?

Der große Traum „Wohnen am Wasser“ wird mit dem Projekt „Waterside Living“ am Standort Winterhafen Linz von der ÖSW Gruppe realisiert. Gemeinsam mit der Firma List und dem Architekten Dietmar Kraus haben wir ein Konzept für moderne „Hausboote“ entwickelt. Eine Photovoltaikanlage am Dach mit 3000 Watt und der Batterie- Heimspeicher Havero von Kreisel sorgen für maximale Eigenstromversorgung. Der Stromüberschuss der Sonne kann tagsüber gespeichert werden und am Abend wieder verwendet werden.

Im Hausboot ist ein Smart Hometec System verbaut. Mit dem System wird via Autopilot nicht nur das Licht sondern auch die Temperatur gesteuert, um die Sicherheit und den Komfort zu erhöhen und die Energiekosten zu minimieren. Durch die intelligente Steuerung kann der Eigenstrom optimiert und der Energieverbrauch nachhaltig gesenkt werden, da auf die Bedürfnisse der Bewohner reagiert wird. Die Heizung funktioniert mit Infrarotpaneelen, die in der Decke montiert sind.

Komfort ist eben wenn Technik unbemerkt unser Leben vereinfacht und nebenbei auch hilft die Umwelt zu schonen. Über die App des Bauwerks ist es möglich von Zuhause als auch aus der Ferne auf alle Funktionen zuzugreifen und die Energiebilanz zu prüfen. Der gesamte Baukörper entspricht energetisch den Standards eines Niedrigenergiehauses und ermöglicht dadurch ganzjähriges Wohnen auf dem Wasser bei besten raumklimatischen Bedingungen. Dank Kreisel kann der Photovoltaik-Strom nun direkt gepuffert werden und später verbraucht werden. Ein Meilenstein.

Aber wirft das nicht zahlreiche rechtliche Probleme auf? Mit der Puffertechnologie wird es nun möglich, über eine Photovoltaik-Anlage produzierten Strom zu speichern und später zu verbrauchen. Damit wird der Betreiber des Hauses ein Stromlieferant?

Das ist ein noch nicht ganz klar erörterter bzw. gelöster Problemkreis. Wenn ich  den erzeugten Strom in einer Wohnhausanlage für  die  Allgemeinheit, also zum  Beispiel  zur Beleuchtung von Stiegenhäusern etc., verwende, dann ist es rechtlich in Ordnung, allerdings stellt dies einen untergeordneten Verbrauchsanteil dar. Mit der Puffertechnologie ist es nun zusätzlich auch möglich, Strom dann einzukaufen, wenn er billig ist, ihn zu speichern und vielleicht erst am nächsten Tag zu verbrauchen, wenn die Photovoltaik-Anlage nicht auseichend Strom produzieren kann. Mit Smart Grids ist es zwar möglich den Verbrauch einzelnen Wohnungen zuzuordnen, weshalb es keine technischen Abrechnungsprobleme gibt, dafür stoße ich beim Verkauf an den einzelnen Verbraucher an rechtliche Schranken.  Eine Wohnbaugesellschaft als Stromlieferant/-verkäufer ist daher derzeit noch kein tragbares bzw. rechtlich mögliches Geschäftsmodell, aber ich bin mir sicher, das es dazu in naher Zukunft eine Lösung geben wird.