Nachhaltig Immobilien bewirtschaften

Nachhaltigkeit & Kosteneffizienz. Bedeutet Nachhaltigkeit höhere Kosten? Und wenn ja, für wen? „Ich pfeif auf Nachhaltigkeit“ – Geht das noch? An welchen Schrauben kann und muss gedreht werden?

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Nachhaltigkeit & Kosteneffizienz. Bedeutet Nachhaltigkeit höhere Kosten? Und wenn ja, für wen? „Ich pfeif auf Nachhaltigkeit“ – Geht das noch? An welchen Schrauben kann und muss gedreht werden? Welche Unterschiede gibt es zwischen den Assetklassen Wohnen/Büro/Retail/Hotel. Wo ist der Hebel in der Wohnungswirtschaft anzusetzen? Nur ein paar der Fragen, denen Immobilienexperten auf Einladung des ImmoFokus, Facilitycomfort und ImmoUnited beim 10. Real Circle nachgingen.

Christian Kainz, Immofinanz, ist sich sicher: „Man kann nicht erwarten, dass die Menschen von sich aus auf die Idee kommen, nachhaltige Immobilien zu entwickeln. Es muss ein Anreizmodell geben“. Die Endabnehmer sollen konfrontiert und aufgeklärt werden – dann geht das von allein. Die Politik kann sehr viel machen und könnte sich das durchaus leisten. Kainz: „Es gibt ein hohes Investitionspotenzial, das man leisten muss, um nachhaltig zu werden. Man muss Personen dazu animieren, über einen längeren Zeitraum hinweg zu denken.“ Christian Bichlmaier, IMMOunited, gibt zu bedenken: „Es fehlt der Konsumentendruck und Aufklärung hört oft beim Thema Strom sparen auf.“

„In Sachen Büro denke ich, dass Wien wirklich internationaler Vorreiter ist – Green Building ist Thema. Da brauchen wir uns nicht genieren“, so Georg Spiegelfeld, Spiegelfeld Immobilien. Es gebe kaum ein Land, wo so viele Immobilien ausgezeichnet werden. Laut Kainz ist es auch ein Marketingthema. Bichlmaier: „Es kommt viel Nachfrage aus dem internationalen Raum, da wird schon sehr darauf geachtet, ob etwas zertifiziert ist oder nicht. Da hat Österreich in den letzten Jahren schon ein Wachstum erfahren. Die Politik könnte schon gute Anreize schaffen.“ „Bei einem Wohnhaus fragt niemand, ob das ein Green Building ist“, so Spiegelfeld weiter.

Ronald Goigitzer, Immofokus, wirft ein: „Der Bereich Wohnimmobilien ist viel größer als Büro und Gewerbe. Warum achtet man da nicht auf Nachhaltigkeit?“ Kainz kritisiert: „Es ist einfach noch nicht so viel Aufklärungsarbeit betrieben worden.“ Für Spiegelfeld fängt das im öffentlichen Wohnbau an: „Der Häuselbauer baut, was er sich leisten kann“ – „wobei diese oft schon auf alternative Energien zurückgreifen“, so Bichlmaier. Goigitzer: „Es gibt Möglichkeiten, die nicht genutzt werden, auch wenn sie sich nach kürzester Zeit amortisieren – das ist einfach Verschwendung.“

Die Komplexität des Themas spiele dabei keine Rolle – schwer zu verstehen sei das nicht. Aber es muss schon ein gewisser Wissensstandard vorhanden sein, um zu wissen, was man tun kann.

Nachhaltigkeit – ein Luxusthema?

Kann Nachhaltigkeit für Österreich ein Standortvorteil sein? Spiegelfeld: „Ich denke schon, dass es langfristig ein Thema wird, weil wir in unserer ganzen Einstellung immer mehr in Richtung Nachhaltigkeit, Bio und Natur gehen. Aber es ist ein Luxusthema, kein Grundbedürfnis.“ Nachhaltigkeit kann für den Standort eine Rolle spielen, wichtiger sei aber der wirtschaftliche Faktor. Dem stimmt Kainz zu: „Nachhaltigkeit ist für viele interessant, aber es ist kein Entscheidungskriterium. Dies würde erst so sein, wenn man wettbewerbsfähig wäre.“ Bichlmaier: „Eine Beschleunigung wäre sicher durch steuerliche Aspekte zu erreichen.“ Philipp Kaufmann, Immofokus: „Große Investoren – vor allem jene, die aus Deutschland hereinkommen,  haben das Thema auf dem Radar und wissen, was sie machen.“ Für Simon Tschannett, Weatherpark, ist das nicht so eindeutig: „Ich merke, es gibt noch Leute, die nicht hinterfragen oder wissen, was es bringt.“ Laut Martin Löcker, UBM, ist Nachhaltigkeit im Bürobereich nur ein Verkaufsargument, wenn es solide ist – „aber das Risiko der Innovation trauen sich nur wenige zu nehmen.“ Bei Hotels sieht das anders aus: „Betriebskosteneinsparung durch relativ einfache Maßnahmen sind ein gutes Argument.“ Beim Individualkunden lässt Nachhaltigkeit sich für Manfred Blöch, Facilitycomfort, nur über den Preis erreichen: „Der Errichter will so billig wie möglich bauen. Nur wenn man selbst nutzt, wird es nachhaltig.“ Es komme auf die Qualität der Errichtung an. Was man anfangs versäumt, kann man nachträglich nur mit hohen Kosten und Aufwand nachjustieren. Viele Objekte werden heute mit alternativen Energien mitgestützt. Auch diese müssen gewartet werden. Die Entstehungskosten sind höher als der Nutzen. „Für den Betriebswirt kommt am Ende eine rote Zahl heraus. Dann wird das nicht gemacht“, weiß Blöch. Kaufmann: „Man kann dem Nutzer nicht vorwerfen, dass er es nicht unterscheiden kann. Aber wenn ich das transparent und sichtbar mache, sind die Leute dafür bereit. Ein Umdenken muss stattfinden.“ Laut Ulrike Glashüttner, ÖRAG, fragen Neumieter nach einem Zertifikat. Ist das nicht vorhanden, kommt man nicht zum Zug. Aber – „Aus meiner Erfahrung ist Nachhaltigkeit für den Mieter nicht relevant. Das ist in den Menschen nicht drinnen, es wird nicht verinnerlicht und nicht gelebt. In Summe ist die Energie zu billig.“ Alle stimmen zu, denn wenn der Energiepreis fünfmal so hoch wäre, würde man schon nachhaltig handeln. Glashüttner: „Zukunftsorientiert gesehen, wäre es schön, nachhaltig zu bauen, zu nutzen, zu leben. Momentan ist es bei den Menschen noch nicht angekommen. Es gibt einfach zu viele Parameter, die noch nicht stimmig sind.“ Tschannett denkt: „Es geht rein um die Bewusstseinsbildung.“ Löcker wirft ein, dass es Länder gebe, z.B. Holland, die wesentlich bessere Incentives bieten. „Man kann regulativ etwas bewirken – durch Steuern steuern.“ Löcker lernte den Zertifizierungsdschungel kennen. Aber auf Nachhaltigkeit pfeifen? – „Als Entwickler sollte man unabhängig vom Regulativ und wirtschaftlichen Grundsätzen etwas schaffen, auf das man auch in 20 Jahren noch stolz sein kann.“ „Die heutigen Generationen haben die Verpflichtung, auf die Zukunft zu schauen. Bei allen Unwägbarkeiten, Kosten und technischen Herausforderungen“, greift Blöch den Faden auf. Dem will sich auch Tschannett anschließen: „Ich finde auch, dass das Vorsorgeprinzip hier ganz stark zuschlägt. Und ohne dass man nachhaltig lebt und baut, wird es nicht klappen.“

In der Assetklasse „Office“ hat sich das Thema nachhaltige Bewirtschaftung längst durchgesetzt. Im internationalen Geschäft gilt: Ohne Zertifikat kein Deal. Im Bereich Wohnen ist es – derzeit noch – kein Thema. Warum klaffen die einzelnen Assetklassen so weit auseinander? Wo ist der Hebel in der Wohnungswirtschaft anzusetzen?

„Der Gesetzgeber selbst verhindert die Nachhaltigkeit in der Wohnungswirtschaft“, klagt Otto Kauf, Flair Bauträger. Der Gesetzgeber schaffe mit starren Widmungen eine nicht mehr veränderbare Stadt. Das zersplitterte Eigentum – unter anderem durch Parifizierung von Zinshäusern, verschärfe das Problem zusätzlich. „In einer Wohnungseigentumsgemeinschaft sind Maßnahmen immer schwer durchzusetzen. Da findet sich immer einer, der dagegen ist“, bestätigt Martin Troger, Geschäftsführer bei der Rustler Gebäudeverwaltung. „Da kann es dann schon einmal recht heiß hergehen.“

„Im Wohnbau ist es – vor allem im Bestand – schwierig, Maßnahmen, die etwas kosten, aber zu einer nachhaltigeren Bewirtschaftung führen würden, durchzusetzen“, berichtet Wolfgang Schmalzhofer, Blue Kit Factory, aus der Praxis. „Unser Produkt ist einfach: Löcher in der Gebäudehülle bedeuten einen Verlust an Wärmeenergie und der Verschluss dieser Öffnungen bringt entsprechende Einsparungen. Durch den Kamineffekt im Schacht, welcher die Grundlage dieser natürlichen Entlüftung ist, führt das zu einem massiven Verlust an Heizenergie.“ „Die erzielbaren Einsparungen sind signifikant.“ Kauf: „Bei aller Diskussion darf man eines nicht vergessen: Nachhaltigkeit darf den Komfort einer Wohnimmobilie, darf die Bedürfnisse der Bewohner nicht einengen. Nur so können Konflikte vermieden werden. Doch schlagen Sie einmal einer Wohnungseigentümergemeinschaft diese Maßnahme vor? Sie haben keine Chance.“ Eine Erfahrung, die auch Gregor Schob, Direktor Service KONE AG Österreich, immer wieder macht. „Im sozialen Wohnbau reicht eine graue Schachtel, die rauf- und runterfährt. Im Bestand ist ein Austausch auf effizientere Modelle so gut wie unmöglich. So lange ein Aufzug hält, bleibt er.“ Andreas Millonig, Imabis, bringt das Problem auf den Punkt: „Nachhaltigkeit bringt keinen Euro mehr an Miete. Warum sollte ein Eigentümer bzw. Vermieter auf Nachhaltigkeit setzen?“

Im Neubau bestimme der Preis das Geschehen. „Obwohl es keinen Aufpreis für energieeffiziente Aufzüge gibt – denn energie-ineffiziente Aufzüge, die gibt es nicht mehr“. In den vergangenen Jahren wurde ein Einsparungspotential von über 80 Prozent realisiert.

Für Kauf dürfe man das Thema Nachhaltige Bewirtschaftung nicht nur am Thema Energie festmachen. „Nachhaltigkeit bedeutet auch, Immobilien so zu errichten, dass sie möglichst lange ihren Nutzern in ihrer vorgesehenen ursprünglichen Funktion zur Verfügung stehen können.“ „… und dass sie ressourcenschonend errichtet werden. Nachhaltigkeit beginnt bei der Auswahl der Materialien“, ergänzt Millonig: „Vorreiter in Sachen Nachhaltige Bewirtschaftung ist eindeutig die Assetklasse Office. Ohne Zertifikate keine Käufer und keine Mieter.“ In einem ist sich die Gruppe einig: „Wir müssen das Thema Zertifizierung in den Wohnbau bringen.“

Die Gruppe rund um den neuen ImmoContent-Geschäftsführer Daniel Deutsch legte ihren Fokus auf die finanziellen Aspekte der Nachhaltigkeit – kann Nachhaltigkeit überhaupt kosteneffizient sein? Schon zu Beginn war man sich einig: „Der Begriff Nachhaltigkeit gefällt mir nicht“, wie Michael Pisecky, S Real, es auch für die restlichen Teilnehmer treffend formulierte. Momentan werde der Begriff von der Politik zu sehr missbraucht. Langfristiges und vorausschauendes Wirtschaften war ein Begriff, auf den sich die Teilnehmer einigen konnten.

Ernst Vejdovszky, S IMMO AG, weiß: „Rein aus kaufmännischen Gesichtspunkten ist Nachhaltigkeit in unserer Welt wesentlich wertvoller als vor zehn Jahren. Das ist den niedrigen Zinsen zuzuschreiben. In einer Welt mit einem Leitzins von acht Prozent wäre das natürlich nicht der Fall.“ Michael Pisecky, S Real, sieht großen Nachholbedarf und kritisiert: „Wir Österreicher sind nicht gerade vorbildlich, was die Nachhaltigkeit betrifft. Es ist eigentlich schlimm, dass die Gruppe mit der besten Erhaltung die des sozialen Wohnbaus ist. Gerade im Eigentumsbereich vermisse ich eine gewisse Haltung. Ich muss schon vor einem anstehenden Verkauf erneuern.“

Für Roland Schuch, Facilitycomfort, sind Vermieter im Zugzwang: „Wenn man hohe Betriebskosten hat, kann man weniger Miete verlangen. Das vergessen viele. Eine Sanierung oder Modernisierung sollte deshalb früh erfolgen.“ Pisecky: „Nachhaltigkeit sollte nicht immer nur auf den Energieverbrauch reduziert werden.“ Dem stimmt Johannes Endl, ÖRAG, zu: „Nachhaltigkeit ist viel mehr als nur der Energieverbrauch. Es geht auch um langfristige Infrastrukturkosten und Instandhaltungskosten. Da muss man vorher schon nachdenken.“ Vejdovszky: „Nachhaltigkeit basiert teilweise auf dem Imagefaktor. Sie gehört heute fast schon zum guten Ton in einem Unternehmen. Wenn nämlich genug ähnliches Angebot da ist, dann greift der Kunde zum nachhaltigen Gebäude. Lage sticht jedoch immer die Nachhaltigkeit.“ Daraufhin brachte Daniel Deutsch ein: „Nicht nur heute gehört Nachhaltigkeit zum guten Ton. Darüber haben sich die Leute schon immer Gedanken gemacht. Heute scheint es aber teilweise attraktiver oder günstiger, ein Objekt einfach abzureißen.“

Christoph Pramböck, BDO: „Mein Credo an die Architektur: Bauherren müssen so früh wie möglich mit Leuten kooperieren, die nachhaltige Energieverwendung steuern.“ Auf der einen Seite würden die Kosten nämlich durch nachhaltige Bauweise sinken, auf der anderen Seite jedoch wieder hinaufgehen. Endl bezeichnet Nachhaltigkeit lieber mit langfristigem, vernünftigen Wirtschaften. „Ich muss jetzt investieren, um dann lange eine Freude am Objekt zu haben.“ Das verhalte sich wie bei Schuhen, die man früher zum Schuhmacher gebracht hat und eben nicht weggeschmissen hat. Endl bringt aber auch einen ganz neuen Aspekt in die Diskussion: „Für mich ist Nachhaltigkeit im Hinblick auf die Anpassungsfähigkeit eines Gebäudes wichtig.“ Die Umnutzung von Gebäuden beispielsweise von Büro auf das Wohnen ist für ihn ein sehr aktuelles Thema. Roland Schuch fordert von der Politik: „Staatliche Anreize für Nachhaltigkeit sind wichtig. In steuerlicher Hinsicht hat die Nachhaltigkeit einer Immobilie bisher wenig Anreiz.“ Die Potenziale einer nachhaltigen Bewirtschaftung regten die Teilnehmer unter der Moderation von Christian Call, Facilitycomfort, zu spannenden Diskussionen an. Übrigens hatten sogar alle Teilnehmer dieser Diskussionsrunde – außer Wolfgang Scheibenpflug vom Flughafen Wien – eine gemeinsame Verbindung: den Orbi Tower.

Wolfgang Scheibenpflug, Flughafen Wien, steht momentan vor einer besonderen Herausforderung: Die Entwicklung der Airport City. „Wir sind eine Stadt. Das bedeutet ganz andere Voraussetzungen als bei üblichen Immobilien.“ Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle: „Wir haben 2014 als erster Flughafen in Österreich die ÖGNI-Zertifizierung in Gold bekommen.“ Außerdem kooperiere man mit der TU Wien, um zum energieeffizientesten Flughafen der Welt zu werden. Ansonsten sei es vor allem langjährige Erfahrung und Learning by Doing, was den Flughafen in der Nachhaltigkeit weiterbringe.

Auch Ernst Machart, IWS TownTown AG, kann für den Orbi Tower bald ein Platin-Zertifikat der ÖGNI vorweisen. „Besonders aufgepasst haben wir immer bei der Heizung und Kühlung. Außerdem sehen wir die öffentliche Anbindung als Nachhaltigkeitsfaktor.“

Für Josef Leitner, Sika, sind die Personen die wahren Juwelen der Nachhaltigkeit. „Jeder Projektentwickler, jeder Bauträger und jeder Nutzer muss eine positive Einstellung gegenüber der Nachhaltigkeit haben und diese umsetzen.“ Der Aussage schloss sich Ernst Machart an: „Die Grundeinstellung muss schon im Recruiting der Unternehmen spürbar sein.“ Sika stelle dafür bereits zu 80 Prozent recyclebare Dachfolien her und sei auch bei den anderen Materialen stets auf der Suche nach besseren Baustoffen. „Wir wollen keine bösen Überraschungen. Das ist Nachhaltigkeit.“

Thomas Zäuner, ÖRAG, sieht die Gefahr darin, dass Nachhaltigkeit überall anders verstanden wird. Und: „Alte Gebäude sind eigentlich viel nachhaltiger als neue. Damals hat man für die Ewigkeit gebaut.“ Durch natürliche Rohstoffe sei ein hundertprozentiges Recycling möglich gewesen. Christian Call gibt zu bedenken: „Wenn ich mein altes Auto verschrotten lasse, produziert das mehr Schadstoffe und CO2 als wenn ich es einfach weiterfahre.“

Gernot Ressler, LeitnerLeitner, fordert vom Gesetzgeber steuerliche Akzente für nachhaltiges Bauen. Außerdem müsse Steuern sparen immer mit einer gewissen Ethik erfolgen.