Nachschub

Aufholjagd. Der Wohnungsneubau in Wien hat im ersten Halbjahr 2017 deutlich Fahrt aufgenommen. Zahlreiche große Bauprojekte wurden gestartet oder gingen in die Vermarktung, eine Reihe weiterer Großprojekte befindet sich in weit fortgeschrittenem Planungsstadium.

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Aufholjagd. Der Wohnungsneubau in Wien hat im ersten Halbjahr 2017 deutlich Fahrt aufgenommen. Zahlreiche große Bauprojekte wurden gestartet oder gingen in die Vermarktung, eine Reihe weiterer Großprojekte befindet sich in weit fortgeschrittenem Planungsstadium.

EHL-Wohnungsmarktspezialistin Sandra Bauernfeind erwartet heuer die höchste Fertigstellungszahl im freifinanzierten Wohnbau der letzten Jahre. Während die Produktion von Wohnraum im Rahmen kleinerer und mittlerer Projekte (Nutzung von Baulücken, Ausbau von Bestandsobjekten) weitgehend stabil ist, sorgen zahlreiche Großprojekte mit 100 bis 1.000 Wohneinheiten für den aktuellen Aufschwung. Innerstädtisch werden dafür Flächenreserven auf ehemaligen Industrieliegenschaften (z.B. BUWOG-Projekt Park Living in der Penzinger Straße auf den früheren Siemensgründen), Kasernen (z.B. Consulting Company auf einer Teilfläche der Körnerkaserne) oder Bahnhöfen (zahlreiche Großprojekte beim Hauptbahnhof oder auf dem Areal des Nordwestbahnhofs) genutzt. Auch die Stadterweiterungsgebiete wie die Seestadt Aspern im Norden oder „In der Wiesn“ im Süden haben deutlich an Dynamik gewonnen.

Nach starken Anstiegen in den vergangenen Jahren sind die Preise im 1. Halbjahr 2017 im Wesentlichen stabil geblieben. „Auf absehbare Zeit erwarten wir für den Gesamtmarkt keine Anstiege, die deutlich über der Inflationsrate liegen“, betont Bauernfeind. „Mit Rückgängen ist aber ebenso wenig zu rechnen und es wird noch Jahre dauern, bis die durch den starken Bevölkerungsanstieg entstandene Angebotslücke wieder halbwegs ausgeglichen werden kann“, so Bauernfeind. Zu den aktuellen Preisen werde die Nachfrage daher weiter stark bleiben und die Neubauprojekte können durchwegs mit weitgehender Vollverwertung bei Fertigstellung rechnen.

Der Wiener Wohnungsmarkt ist weiter von einem Nachfrageüberhang geprägt. Dies ist auf das anhaltende Bevölkerungswachstum und tendenziell sinkende Haushaltsgrößen zurückzuführen. Nach dem starken Wachstumsjahr 2015, in dem Wien auch aufgrund des starken Zuzugs um 43.000 Personen wuchs, stieg die Einwohnerzahl 2016 um 27.700 Personen. Bereits 2022 werden zwei Millionen Menschen in Wien leben. Die Neubauleistung kann mit dieser Entwicklung noch nicht Schritt halten, wenn auch die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot heuer nicht mehr ganz so groß ist wie in den vergangenen Jahren. Für 2017 wird damit gerechnet, dass um ca. 7.000 Wohnungen weniger als tatsächlich benötigt fertiggestellt werden. Das Marktvolumen ist im ersten Halbjahr 2017 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres stabil geblieben. Es wurden 6.950 Wohnungen verkauft und 22.000 Wohnungen (7 Prozent mehr als im Vorjahr) vermietet. Besonders stark gefragt waren im Eigentumsbereich Wohnungen  zwischen 45 und 70 Quadratmetern Wohnfläche mit einem Gesamtpreis von 190.000 bis 280.000 Euro. Im Mietbereich wurden vor allem Wohnungen mit zwei Zimmern und ca. 45 Quadratmetern Fläche gesucht.

So zählen Standort + Markt und bulwiengesa in ihrer gemeinsamen Marktstudie „Neubau-Projekte Eigentums- und Vorsorgewohnungen in Wien 2017“ insgesamt 21.784 Wohnungen in 423 Neubauprojekten im freifinanzierten Eigentums- und Vorsorgewohnungssegment. Dabei wurden die Wohnprojekte nach den Entwicklungsstadien Planungsphase, Bauvorbereitung, in Bau sowie fertiggestellt kategorisiert. In den Bauvorhaben werden ausschließlich oder in Teilen Eigentums- oder Vorsorgewohnungen ab 10 Einheiten und mehr in der Phase zwischen Juni 2016 bis Ende 2022 errichtet. Dabei zeigen sich einige Trends: Auf Gesamtstadtebene wird die höchste Bauintensität seit Beginn der ersten Studie vor fünf Jahren dokumentiert, besonders intensiv wird in den Außenbezirken Donaustadt, Liesing und Floridsdorf gebaut. „Die Kombination von starkem Bevölkerungswachstum bei geringem Wohnungsangebot in den vergangenen Jahren führte zu einem Nachfrageüberhang in der Bundeshauptstadt, der nur durch eine intensive Bebauung besonders in den Außenbezirken bedient werden kann“, erklärt Roman Schwarzenecker, der die Untersuchung federführend bei Standort + Markt leitet.

Der rechnerische Durchschnittskaufpreis der ausgewerteten Informationen beträgt in Wien 4.895 Euro/Quadratmeter, was einem Anstieg von 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zwar stieg der durchschnittliche Kaufpreis auf Gesamtstadtebene nur leicht, jedoch wurden besonders in den Bezirken mit Stadtentwicklungsgebieten wie z.B. Favoriten, Donaustadt und Leopoldstadt deutliche Preisanstiege registriert. Aufgrund der Stadtentwicklungsprogramme und durch den Ausbau einer modernen Infrastruktur profitieren die früher wenig beachteten Bezirke deutlich, wodurch ihre Reputation als Wohnlage signifikant steigt.

Langsam bekommen auch internationale Investoren Appetit auf Wohnimmobilien. Zu dieser Gruppe an Investoren zählen Die Wohnkompanie und PROJECT Immobilen – beide Töchter deutscher Mütter. Die Wohnkompanie ist ein Teil der Zech Group. Die Zech Group ist ein Familienunternehmen mit 8.500 Mitarbeitern und Sitz in Bremen und einer der größten deutschen Projektentwickler. Am Wiener Markt befinden sich nach nur einem Jahr rund 500 Wohnungen in Bearbeitung, rund 150 Wohnungen davon sind in Bauabwicklung. „Unsere Kernstrategie ist der großvolumige, mehrgeschossige freifinanzierte Wohnbau. Luxus ist eigentlich nicht unsere Kernstrategie.“ Die Palette beginnt dabei beim Investorenprojekt in der Brünner Straße 124 in Wien Floridsdorf, welches erfolgreich an einen namhaften Immobilienfonds vermarktet wurde und sich in der Bauphase befindet. Reicht über das High-End-Luxus-Wohnungsprojekt Goethegasse 1 in der Wiener Innenstadt, welches ebenfalls gerade in der baulichen Umsetzung ist. Bis hin zu einem Teil der Quartiersentwicklung Südhang Oberlaa-Grundäcker, wo etwa 350 Wohnungen in der Planungsphase bearbeitet werden. „Oberlaa mit seinen weitläufigen Grünflächen und seiner unmittelbaren Anbindung an die neue U1-Station spricht all jene Interessenten an, die modernes Wohnen am grünen Stadtrand mit einer exzellenten Verkehrsanbindung kombinieren wollen“, freut sich Geschäftsführer Roland Pichler über den erfolgreichen Vertriebsstart. „Noch weit vor dem eigentlichen Baubeginn Anfang 2018 haben bereits einige Wohnungen ihren zukünftigen Besitzer gefunden.“

Preise ziehen an

„Aktuell rechnet man mit Eigentumspreisen ab 4.000 Euro“, so Sandra Bauernfeind, EHL Immobilien. „Bei den Mieten liegen wir zwischen 11,50 Euro und 12 Euro pro Quadratmeter.“ Wer also noch ein Stück vom Kuchen haben will, muss schnell sein: „Grundstücke sind mittlerweile nicht mehr unter 500 Euro pro Quadratmeter erhältlich“, so die Immobilienexpertin. „Die Preise haben schon vor fünf Jahren angezogen. Sie werden kaum ein Schnäppchen finden.“ Tendenz steigend: In Favoriten ist die Anstiegsrate der Preise mit 4 Prozent doppelt so hoch wie in den anderen Wiener Bezirken.

Die Unternehmensgruppe PROJECT Immobilien realisiert bereits seit über 20 Jahren nachhaltige Wohn- und Gewerbeobjekte in den bedeutendsten deutschen Metropolregionen wie Berlin, Hamburg oder München. Seit Mitte 2016 auch in Wien. Das erste Projekt entsteht im 13. Wiener Gemeindebezirk. „Mit den neuen Ankäufen in Wien Penzing und Wien Liesing können wir in Österreich weitere Projekte anstoßen“, sagt Project Immobilien-Geschäftsführer Nenad Katanic. Nur zwölf Monate nach Markeintritt habe man damit bereits „Bewegung in den Wiener Wohnungsmarkt bringen“ können.

Aktuell darf man am Büroimmobilienmarkt mit Renditen zwischen 3 und 4 Prozent rechnen. Die Renditen für Wohnungsneubauten sind in Wien auf ähnlichem Niveau.

Investoren suchen großvolumigen Wohnbau

„Zurzeit liegen die Bruttorenditen für mehrgeschossige Wohnungsneubauprojekte in Wien zwischen knapp über 3 Prozent und um die 4 Prozent – abhängig von der Lage, d.h. in den Flächenbezirken sind die Renditen höher als in den Innenstadt- oder Villenlagen“, Georg Fichtinger, Head of Investment Properties, CBRE Österreich.

Derzeit werden – aufgrund des massiven Bevölkerungsanstiegs und der daraus resultierenden angespannten Situation am Wohnmarkt – in Wien sehr viele Wohnungsneubauprojekte realisiert. 2018 werden um rund 50 Prozent mehr Wohneinheiten fertiggestellt als im Jahr 2017 (wobei hier nur die Gebäude mit mindesten 20 Neubauwohnungen berücksichtigt sind). 2017 ist mit rund 8.500 neuen Wohnungen zu rechnen, 2018 mit ca. 12.700. Die höchste Steigerungsrate bei Fertigstellungen ist im Bereich der Mietwohnungen festzustellen. Rund 38 Prozent der von 2016 bis 2018 fertiggestellten Mietwohnungen sind freifinanziert, 62 Prozent sind gefördert.  „Investoren sind primär an freifinanzierten Mietwohnungen interessiert, da diese keinen Beschränkungen bezüglich Miethöhe oder Baukosten unterliegen“, so Fichtinger. 2017 werden in Wien für Investoren interessante 1.600 freifinanzierte Wohneinheiten fertiggestellt, 2018 voraussichtlich ca. 2.700, um ca. 67 Prozent mehr. „Durch die gesteigerte Neubauleistung sowie den generell hohen Wohnraumbedarf ergeben sich vielfältige Investmentoptionen für Investoren – und das in beinahe allen Wohnlagen Wiens“, so Fichtinger.

Wohntürme in Wien

Durch die Verknappung des Flächenangebots für Wohnbau in Wien wird nun auch – dem internationalen Trend folgend – in Wien höher gebaut. Mehrere Wohnturmprojekte mit Gebäudehöhen von mehr als 80 Metern befinden sich aktuell in der Projektphase oder bereits in Bau – z.B. Triiiple in 1030, Hoch 33 in 1100, der Marina Tower in 1020 oder die Danube Flats in 1220. Bis zum Jahr 2020 sollen rund 3.200 Wohneinheiten in Wohntürmen in Wien entstehen, was ca. 13 Prozent des bereits bekannten neuen Wohnraumes der Jahre 2018 bis 2020 entspricht.

Quelle: Fotolia