Sanfte Landung

Vertreibung aus dem Paradies. Über zehn Jahre lang herrschten an den Schweizer Immobilienmärkten schon fast paradiesische Zustände: kontinuierlich steigende Preise und Mieten, eine boomende Nachfrage und tiefe Leerstände im Kielwasser tiefer Zinsen. Der Büroflächenmarkt hat sich trotz des anhaltenden Wirtschaftswachstums der letzten Jahre in eine Situation des Überangebots manövriert.

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Vertreibung aus dem Paradies.  Über zehn Jahre lang herrschten an den Schweizer Immobilienmärkten schon fast paradiesische Zustände: kontinuierlich steigende Preise und Mieten, eine boomende Nachfrage und tiefe Leerstände im Kielwasser tiefer Zinsen. Der Büroflächenmarkt hat sich trotz des anhaltenden Wirtschaftswachstums der letzten Jahre in eine Situation des Überangebots manövriert.

Käse, Banken, Geld, Berge“ ist die spontane Antwort, fragt man einen Zwanzigjährigen nach seinem Bild von der Schweiz. Mit wenigen Variationen und in abweichender Reihenfolge dürfte das der allgemeinen Meinung entsprechen.

Das Staatsgebiet unserer westlichen Nachbarn entspricht mit 41.100 Quadratkilometern der Hälfte des österreichischen und ist Heimat für 8,3 Millionen Einwohner, also nur knapp weniger als Österreich. 48 Prozent der Landesfläche – die Schweiz kann 48 Gipfel über 4.000 Meter vorweisen – sind den Hochalpen zuzurechnen. Die nicht alpinen Flächen der 26 Kantone zwischen Genfer- und Bodensee sind entsprechend dicht besiedelt. Die fünf wichtigsten Agglomerationen sind Zürich mit 1,3 Millionen, Genf mit 570.000, Basel mit 540.000 und Bern sowie Lausanne mit jeweils 400.000 Einwohnern.

In der Welt von heute stellt die Schweiz ein globales Finanzzentrum dar, charakterisiert durch Reichtum, Stabilität und Innovation. Aber gerade die globalen Verflechtungen bringen es mit sich, dass die Schweiz zunehmend auch zu Konzessionen bereit sein muss, so wie etwa der Lockerung des Bankgeheimnisses im Steuerstreit mit den USA und der EU, eine Vielzahl von bilateralen Verträgen betreffend Warenhandel oder die Reisefreiheit und Ansiedelungsrechte für Bürger der europäischen Länder. Das bringt die Schweiz den Märkten zwar näher, schafft aber auch Abhängigkeiten von globalen Wirtschaftsentwicklungen.

Nachdem die Schweizerische Nationalbank im Januar 2015 die Untergrenze des Euro gegenüber dem Franken aufgehoben und einen Negativzins für Einlagen auf Ihre Girokonten eingeführt hat, schwächte sich das Wirtschaftswachstum von zwei Prozent im Jahr 2014 auf einen Wert von 0,9 Prozent im Jahr 2015 ab. Für das laufende und das nächste Jahr wird mit jeweils einer leichten Verbesserung gerechnet. Niedere Zinsen und unsichere Schwankungen auf den Anlagemärkten führen, wie auf allen europäischen Märkten zu einer steigenden Nachfrage nach Immobilieninvestitionen. Anleger suchen ihre bestehenden Portfolios sinnvoll zu ergänzen.

Der Investmentmarkt 

Das letzte Jahrzehnt war der Schweizer Immobilienmarkt von hoher Nachfrage, stetig steigenden Mieten und Preisen und geringen Leerständen geprägt. Doch damit ist vorerst Schluss.

In den vergangenen Quartalen tendierte der Wohnmarkt zu gleichbleibenden oder leicht sinkenden Preisen. Auf dem Büromarkt gingen vielerorts die Leerstände zurück, während gleichzeitig die Preise leicht anzogen. Trotz allem eine sanfte Landung. Der rekordtiefe Referenzzinssatz stellt allerdings ein Risiko für die Stabilität des Wohnmarkts dar. Steigt der Zinssatz künftig rasch an, geraten sowohl Mieter als auch Investoren in Zugzwang, wie CSL Immobilien in ihrem Immobilienmarktbericht Schweiz 2016 festhält.

2015: das Jahr der Gegenbewegung

2014 hatte der Schweizer Büromarkt mit rund 2,25 Millionen Quadratmetern verfügbarer Fläche innerhalb von sechs Monaten einen langjährigen Höchststand erreicht. Da die Investoren rechtzeitig auf die Bremse stiegen, setzte 2015 eine Gegenbewegung ein. Mit noch 1,74 Millionen Quadratmetern verfügbarer Fläche bewegte sich das Angebot sehr deutlich nach unten. Der Leerstand sank von 5,6 Prozent auf 4,3 Prozent. Dieser Normalisierungstrend zeigte sich sogar im – von einem starken Überangebot geprägten – Wirtschaftsraum Zürich: Die verfügbaren Flächen gingen von 827.000 Quadratmeter auf 727.000 Quadratmeter zurück. Die durchschnittlich zu zahlenden Mietpreise im Büromarkt des Wirtschaftsraums Zürich stiegen 2015 in den allermeisten Gebieten aufgrund des sinkenden Angebots leicht an. Die Topmieten landesweit werden weiterhin im Zürcher Central Business District mit 850 Franken pro Quadratmeter und Jahr sowie im Genfer Zentrum mit 900 Franken pro Quadratmeter bezahlt.

Für 2016 und 2017 erwartet CSL Immobilien auf dem Büromarkt landesweit einen weiteren moderaten Rückgang der Leerstandsquoten. Eine Ausnahme ist der Wirtschaftsraum Zürich. Insbesondere in Zürich Nord werden bald neue, größere Büroliegenschaften wie das Ambassador House auf den Markt kommen.

Das Überangebot wird sich dadurch wieder akzentuieren, wodurch der Druck auf die Mietzinsen steigt. Die Eigentümer werden jedoch den Mietern weniger auf dieser Ebene entgegenkommen als durch eine verstärkte Incentivierung mit zum Beispiel mietfreien Einstiegsmonaten und Beiträgen an den Mieterausbau.

Die rekordtiefen Hypothekarzinsen sorgen für eine ungebrochen starke Nachfrage nach Wohneigentum. Da die Banken die Tragbarkeit von Hypothekarkrediten jedoch weiterhin mit einem kalkulatorischen Zinssatz von fünf Prozent prüfen, würde ein moderater Zinsanstieg die Nachfrage im Wohnmarkt nicht stark tangieren.

Anders sieht es im Mietwohnungsmarkt aus. Der hohe Nachfragedruck seitens der Investoren hat die Renditen erodiert (siehe unten). Insbesondere bei neu erstellten Mietwohnungen äußert sich dies in nach oben ausgereizten Mietzinsen. Dies wiederum könnte bei einem raschen Steigen des Referenzzinssatzes Mieter, aber auch Eigentümer in Zugzwang bringen. Mieter könnten sich gezwungen sehen, in günstigere Wohnungen auszuweichen. Die Eigentümer müssen sich deshalb angesichts drohender Leerstände gut überlegen, ob sie Erhöhungen des Referenzzinssatzes vollumfänglich weitergeben wollen. Vorausschauende Eigentümer reizen in der jetzigen Situation das Ertragspotenzial ihrer Liegenschaften nicht zu 100 Prozent aus, sondern antizipieren den früher oder später steigenden Referenzzinssatz.

Sinkflug der Renditen geht weiter

Im Investmentmarkt macht sich zurzeit weiterhin der durch mangelnde Alternativen gestützte Anlagedruck bemerkbar. Für Büroliegenschaften in bester Lage (Lageklasse A) sind die Investoren mit einer Nettorendite von 2,75 Prozent zufrieden. Im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 3,2 Prozent. In Lageklasse B ist die Renditeerwartung von 4,2 Prozent auf 3,5 Prozent und damit noch deutlicher gesunken. Einzig bei den Klasse-C Liegenschaften resultierte aufgrund des steigenden Risikos einer solchen Investition eine Zunahme der Renditeerwartung auf 6,75 Prozent. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Wohnimmobilien. Für eine Wohnüberbauung der A-Klasse wird im Schnitt nur noch eine Nettorendite von 2,25 Prozent erwartet.

nettorenditeerwartung2016

Als dominante Akteure am Markt treten traditionell Schweizer institutionelle Investoren, wie Pensionskassen und Versicherungen, auf, vermehrt werden auch Privatinvestoren aktiv und können einzeln oder in Gruppen beachtliche Summen anlegen. Zunehmend kommt es auch zu Markteintritten großer internationaler Investoren, die aus tieferen Renditen anderer hochentwickelter Märkte fliehen. Auf dem Immobilienmarkt der Schweiz lassen sich auch für Core-Objekte noch deutlich positive Renditen finden. Die Nachfrage konzentriert sich auf Wohn- und Bürogebäude im „Core-Segment“, wo sie auf ein limitiertes Angebot trifft. Trotz Spitzenpreisen führen immer härter werdende Bieterprozesse zu geringeren Renditen in diesem Bereich. Die große Nachfrage nach Investitionsmöglichkeiten am Markt schafft neue Produkte. Neben Logistik, Retail und Hotellerie wird vermehrt in Alters- oder Studentenwohnheime investiert.

Der Wohnungsmarkt 

Nach Jahren starker Nachfrage, getrieben von stetig sinkenden Zinsen und starkem Bevölkerungswachstum, scheint sich der Markt aufgrund abnehmender Zuwanderung – ausländische Haushalte machen etwa die Hälfte des Zuwachses aus – und in den letzten Jahren stetig gestiegener Schaffung von Wohnraum zu beruhigen. Im Zuge gestiegener Nachfrage und sinkender Zinssätze war der Neubau von Wohnungen laut Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) zwischen 2002 und 2013 von jährlich knapp 29.000 auf rund 50.000 angestiegen. Mangels Alternativanlageformen bleibt die Bautätigkeit trotz Nachfragerückgang auf diesem Niveau, was wiederum eine leicht steigende Leerstandsquote und einen sich stabilisierenden Mietpreisindex mit sich bringt.

Die leichte Entspannung am Wohnungsmarkt wird aber längst nicht überall spürbar werden. Große regionale Unterschiede halten den Markt vor allem in den Ballungsräumen der Regionen Bern/Thun und Zürich knapp, in den Regionen Genfer See, Mittelland und Basel hat sich die Situation im Vergleich zu den Vorjahren deutlich entspannt. In der Ostschweiz und im Tessin ist das Angebot ausreichend groß.

Entwarnung kann aber laut Einschätzung des BWO insofern nicht gegeben werden, als neben der Problematik der regionalen Perspektive auch nach Arten der Immobilien unterschieden werden muss. Der Engpass bei Mietwohnungen im unteren Preissegment ist nach wie vor groß, da die Entspannung der Situation hauptsächlich im oberen Angebotssegment stattfand. Die Nachfrage nach billigem Wohnraum, vor allem zur Miete, ist gleichbleibend groß.

Das Bundesamt für Wohnungswesen erwartet aufgrund weiterhin sinkend prognostizierter Zinsen und der allgemeinen Teuerungssituation sowie der leichten Entspannung auf dem Mietwohnungsmarkt ein Jahr mit relativ stabilen Mietpreisen. Nachdem die Angebotspreise in allen Wohnungsmarktsegmenten seit der Jahrtausendwende mehr oder weniger konstant gestiegen waren, ist nach zweimaliger Verschärfung der Kreditvergabebestimmungen und Erreichen eines hohen Preisniveaus bei Eigenheimen die Preisentwicklung am oberen Wendepunkt angelangt. Ebenso scheint bei den Angebotsmieten aufgrund des großen Angebots der Zenit vielerorts erreicht oder bereits überschritten.