Schafft die Bauordnung ab

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Sie wollen höher bauen als erlaubt. Sie wollen mehr Verkaufsfläche. Kein Problem. Pfeifen Sie auf die Bauordnung. Am besten ist es, Sie lassen sich das Ganze von der örtlichen Politik absegnen. Falls es dann doch nicht klappt: Zögern Sie das Verfahren so lang wie möglich hinaus. Gehen Sie den ganzen Instanzenweg - bis zum Verfassungsgerichtshof. Wenn Sie dort nicht Recht bekommen – was soll’s. Sie haben ein tolles Argument, das immer zieht: Arbeitsplätze gehen verloren. Die Politik wird’s schon richten. Welcher Bürgermeister, welcher Landesrat will in der Öffentlichkeit schuld am Verlust von Arbeitsplätzen sein. Also muss eine Anlassgesetzgebung - so und nicht anders muss das Vorgehen der Landesregierung bezeichnet werden - das Schlamassel lösen. Im Juli hatte der Verfassungsgerichtshof die Verordnungen des Seiersberger Gemeinderates für die umstrittenen Verbindungswege und -brücken, die sogenannten Interessentenwege, in der Shoppingcity Seiersberg als rechtswidrig aufgehoben. Der Streitpunkt war, ob es sich bei der Shopping City um ein großes Center oder um fünf kleine handelt. Bewilligt wurden nämlich fünf „Einzelzentren“, die baulich voneinander getrennt wurden, allerdings mit eingehausten Verbindungsgängen überbrückt. In dem 54-seitigen VfGH-Erkenntnis kommen die Höchstrichter zu dem Schluss, dass diese Lösung rechtlich nicht haltbar ist. Jetzt greift die Politik wieder in die Trickkiste. Das Straßenverwaltungsgesetz soll so novelliert werden, dass die eingehausten Interessentenwege, die die einzelnen Zentren eigentlich trennen sollten, bestehen bleiben und auch von Kunden benützt werden dürfen. Statt in Seiersberg den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen und die Verbindungsbauten rückbauen zu lassen, gibt’s einen Kniefall der Politik vor den Shoppingcity Seiersberg Eigentümern Christian Guzy und Martin Klein. Kein Wunder, haben diese doch dem Land mit einer Schadensersatzklage gedroht. Um seine Entscheidung zu untermauern hat das Land Steiermark die Beratungsgesellschaft Standort + Markt Beratungsgesellschaft beauftragt, ein umfassendes Gutachten über die Entwicklung im Raum Graz von 2003 bis 2016 zu erstellen. Laut Aussendung des Landesrats kommen die Experten zum Schluss, dass die Shoppingcity Seiersberg zwar eine „erhebliche Marktwirkung“ erziele, „die Funktionsfähigkeit zentraler Orte im Einzugsgebiet wird durch diese aber nicht beeinträchtigt. Die negative Entwicklung einzelner innerstädtischer Standorte in Graz ist der Entwicklung anderer, näher gelegener Einkaufszentren geschuldet. Trotz des Bestands der SCS hat sich die Versorgungssituation in Graz und den umliegenden zentralen Orten verbessert. Auch die übrigen im Großraum Graz gelegenen Einkaufszentren haben ihre Verkaufsflächen im untersuchten Zeitraum zum Teil massiv gesteigert.“ Außerdem habe das Einkaufszentrum in Seiersberg aufgrund der günstigen Lage „jedenfalls eine Existenzberechtigung“. Im Fall der baulichen Trennung der einzelnen Häuser des größten Einkaufstempels der Steiermark sei im „Best Case“ von einem Umsatzrückgang von mindestens 20 Prozent auszugehen, wahrscheinlicher sei aber das Eintreten einer wirtschaftlichen Abwärtsspirale, die zur kompletten Schließung des Einkaufszentrums führt, gehe aus dem Gutachten hervor. Für die Politik heißt das, dass das Shoppingcity Seiersberg „in der derzeitigen Form zu keinen erheblichen negativen Entwicklungen geführt hat“. Sollten seitens der Landespolitik keine weiteren Maßnahmen gesetzt werden, sei zu befürchten, dass es zur gänzlichen Schließung des Einkaufszentrums kommt. Dies hätte zur Konsequenz, dass zumindest 2100 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlieren. Also opfern wir die Bauordnung auf dem Altar der Arbeitsplätze. Dass das Shoppingcity Seiersberg „in der derzeitigen Form zu keinen erheblichen negativen Entwicklungen geführt hat“, ist die eine Seite der Medaille, dass es vielleicht eine noch bessere Entwicklung der Einkaufsstandorte gegeben hätte, die sich penibel an die Vorschriften der Bauordnung gehalten haben, die andere. Noch ein Satz zu den Arbeitsplätzen: Glaubt tatsächlich jemand, dass jene Geschäfte, die keinen Platz mehr in einer rechtskonformen Shoppingcity Seiersberg fänden, nicht woanders einen neuen Standort finden würden - Arbeitsplätze inklusive?