Schwarmintelligenz

Stellen Sie sich bitte vor: Die Bewohner einer Stadt – und zwar alle Bewohner – leiden unter den schlechten Bedingungen in ihrer Stadt. Ein Team von Experten, Immobilien-Sachverständigen, Stadtplanern, Architekten etc. zieht aus, um einen idealen neuen Standort zu finden, an dem sich alle niederlassen können.

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Stellen Sie sich bitte vor: Die Bewohner einer Stadt – und zwar alle Bewohner – leiden unter den schlechten Bedingungen in ihrer Stadt. Ein Team von Experten, Immobilien-Sachverständigen, Stadtplanern, Architekten etc. zieht aus, um einen idealen neuen Standort zu finden, an dem sich alle niederlassen können.

Sie schwärmen in verschiedene Richtungen und kehren nach einiger Zeit zurück in "ihre" für ein gedeihliches Zusammenleben nicht mehr geeignete Stadt. Alle Bewohner versammeln sich, die Experten präsentieren jeweils ihre persönliche Bewertung verschiedener gefundener Standorte. Sie haben diese Bewertung nach verschiedenen Kriterien, wie Größe, Lage, Entfernung von der bisherigen Stadt, Eignung für alle, Vorhandensein von Ressourcen etc. vorgenommen. Schließlich stellt sich heraus, dass die Mehrzahl der Bewerter sich über den einen idealen Standort einig ist und auf einmal ist bei der darauf folgenden Abstimmung auch eine Mehrzahl der anwesenden Bewohner der Stadt für diesen neuen Standort und die Übersiedlung in den für alle geeigneten Standort wird vorbereitet.

Märchen? Utopie?

Nein, dieses Beispiel eines Prozesses, der individuelle Intelligenz einzelner Experten mit kollektiver Intelligenz (auch Schwarmintelligenz genannt) verbindet, gibt es in der Natur bei den Honigbienen (Apis mellifera).

Die Immobilienbewertung wird hier, wie es der Wissenschaftler Thomas D. Seeley nachgewiesen hat, von Kundschafterinnen vorgenommen; die Qualität der einzelnen gefundenen Nistplätze wird der Masse durch Schwänzeltänze kundgetan und übertragen. Sobald nämlich eine Mehrheit der Expertinnen für einen Standort ist, überträgt sich diese Meinung in noch nicht ganz geklärter Weise auf den gesamten Schwarm.

Das Verhalten des Homo Sapiens ist meinem Wissen nach eher selten durch eine solche Verbindung individueller und kollektiver Intelligenz geprägt, die das Gemeinwohl, das Interesse aller im Fokus hat.

Persönlichen Überlegungen wird selbstverständlich der Vorzug gegenüber einer Berücksichtigung des Interesses eines gesamten Gemeinwesens der Vorzug gegeben.

Nur so ist es erklärbar, dass die Entwicklung der Grundstückspreise vor allem in und in der Nähe von Ballungszentren insbesondere den Bau von erschwinglichen Wohnungen erheblich erschwert. Nur so ist es erklärbar, dass die Angst vor der Bildung einer Blase zumindest bei luxuriöseren Wohnimmobilien steigt, aber gleichzeitig beinah ohne Renditeberechnungen gebaut und investiert wurde und wird.

Nur so ist es erklärbar, dass wahrscheinlich hunderttausende Wohnungen (zugegebener Maßen aus verschiedensten Gründen) leer stehen, während junge ,auf den Wohnungsmarkt  drängende Familien sich mit immer weniger und immer teurer werdenden Wohnraum abfinden müssen.Ein wenig mehr Schwarmintelligenz und eine Verbindung dieser Form der Intelligenz mit dem zweifellos vorhandenen Brain Trust, mit dem Wissen und der Intelligenz zahlreicher Experten, würde  zumindest dazu führen, dass bisher leerstehende Wohnungen, sei es in Gemeindebauten, sei es in geförderten oder freifinanzierten Häusern auch zum Bewohnen, also zu ihrem ureigenen Zweck verwendet werden. Jede andere Handlungsweise ist wohl als volkswirtschaftlich nicht sinnvoll und als individualwirtschaftlich nicht sehr intelligent anzusehen.Den Ruf nach staatlichen Eingriffen könnte man sich so auch weitgehend ersparen.