Sprechen wir von Wirksamkeit

„Noch ist es viel zu einfach, miese Immobilien zu bauen“, meint Alexander Ertler im Gespräch mit dem ImmoFokus. Für den Immobilien.net-Gründer steht die Immobilienbranche in Sachen Nachhaltigkeit erst am Anfang.

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Transparenz. „Noch ist es viel zu einfach, miese Immobilien zu bauen“, meint Alexander Ertler im Gespräch mit dem ImmoFokus. Für den Immobilien.net-Gründer steht die Immobilienbranche in Sachen Nachhaltigkeit erst am Anfang.

Nachhaltig ist in aller Munde – und trotzdem steht die Immobilienbranche erst am Anfang?

Alexander Ertler: Die neue Nachhaltigkeit ist für mich Wirksamkeit. Dies ist gleichsam „Nachhaltigkeit 2.0“. Während Nachhaltigkeit sich bei der Immobilienentwicklung um die Verwendung langfristig möglichst regenerativer Ressourcen unter ökologischen, energetischen, ökonomischen und sozio-strukturellen Gesichtspunkten kümmert und somit das Gebäude in den Mittelpunkt stellt, geht es bei Immobilien-Wirksamkeit viel mehr um die aktive Gestaltung der Immobilienentwicklung, so dass eine Veränderung des Bewusstseins und des Verhaltens aller daran Beteiligten bewirkt wird und stellt somit den Menschen statt das Gebäude in den Mittelpunkt.

Dabei ist der Ausgangspunkt nicht die Person des Stadtplaners, Entwicklers, des Architekten oder später des Hausverwalters, sondern der des Nutzers. Dies ist insofern spannend als die indirekte gesellschaftlich wünschenswerte Auswirkung um ein Vielfaches größer wird als beim direkten Ansatz der bisherigen und meiner Meinung konventionellen Nachhaltigkeit und nebenbei verdient der Eigentümer auf lange Sicht risikoloser sein Geld. Wir stehen erst am Anfang. In Zukunft muss sich auch ökonomisch zeigen, dass sich Nachhaltigkeit rechnet. Noch ist es viel zu einfach, miese Immobilien zu bauen.

Wie könnte man da gegensteuern? 

Es wäre wichtig, dass die Stakeholder, die eine Immobilie geschaffen haben oder diese bewirtschaften, auch auf dieser transparent wiederzufinden sind. Was uns generell fehlt, ist ein Mehr an Transparenz. Außerdem vermisse ich die Wahrhaftigkeit. Ohne das ethische Grundprinzip der Wahrhaftigkeit kann man über Nachhaltigkeit nicht reden.

Mehr Ethik rein ins Business?

Genau. Ethik, das ist die wirkliche Basis des menschlichen Handelns. Moral stellt die Handlungsprinzipien dar. Da geht es um Nachhaltigkeit und regenerative Ressourcen. Ich muss die zukünftige Nutzergeneration in die Gebäudeplanung miteinbeziehen.

Börsennotierte Immobilien-Unternehmen müssen Quartalsberichte bringen. Ein Immobilien-Development dauert aber zehn oder mehr Jahre. Es ist nicht möglich, jedes Quartal eine tolle Geschichte zu erfinden, um meine Investoren und Aktionäre auf nachhaltige Weise zufrieden zu stellen.

Erkennen Sie einen Unterschied zwischen der älteren und jüngeren Generation, was die Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit betrifft? 

Also ich würde mal flapsig formulieren: Jedenfalls, weil die alte Generation ist meiner Erfahrung nach auf dem Thema gar nicht drauf. Die Jüngeren sind wenigstens ein bisschen bei dem Thema angekommen.

Ein wesentlicher Punkt ist, dass man sich die Frage stellen muss: „Was will ich mit der neuen Immobilie erreichen?“ Es fehlt an Visionen. Man sollte sich vorher überlegen, wie das Gebäude in das sozioökonomische und soziostrukturelle Umfeld passen könnte. Da muss an die nächste und übernächste Generation gedacht werden.

Allein die Wirtschaftlichkeit steht für Sie nicht an erster Stelle? 

Nein. Davor müssen Verantwortungsbewusstsein und Achtsamkeit stehen. Ist die Ökonomie an erster Stelle, wird nur kurzfristig gedacht. Ich muss den Menschen und nicht das Gebäude in den Mittelpunkt stellen. Dann ist man in der Zukunft gegen widrige Veränderungen resilient.

Aber muss die Bauwirtschaft speziell im Wohnungsbau darauf achten? Man hat den Eindruck, aktuell kann jede Wohnung an den Mann oder an die Frau gebracht werden.

Für die Lagen mit Zuzug ist das definitiv der Fall. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch in Österreich Lagen mit Stagnation oder Abwanderung gibt. Beispielsweise in der Ober- und Südoststeiermark. Es könnten jederzeit Umweltkatastrophen passieren, die gewisse Lagen völlig unattraktiv machen. Das würde die Bauindustrie gewaltig unter Druck setzen.

Dieser massive Zuzug von Menschen in Ballungsgebiete führt auch dazu, dass es zu Entwicklungen kommt, die eben nicht nachhaltig sind im Sinne davon, meine Ressourcen regenerativ, auf lange Frist, nämlich auf Lebensdauer der Ressource selber, zu nutzen und einzusetzen.

Wie sehen Sie die Stadtquartiersentwicklung Aspern?

Aspern ist keine natürliche Entwicklung, deshalb sehe ich das sehr kritisch. Man hätte vorher die Menschen befragen müssen. Man hätte die Bürger beteiligen können und eine wirkliche Mitmachstadt planen können.

Aber in Aspern wurde doch bereits mit Baugruppen gebaut.

Man muss aber die ganze Stadt so bauen. Dazu gehört die Befragung der Bevölkerung dazu. Aspern wäre eine schöne Möglichkeit dafür gewesen.

Wieso glauben Sie, dass sich Aspern gegen ein solches Konzept entschieden hat? 

Ich halte das für ein Machtspiel. Manche Menschen glauben, dass sie wüssten, was für den kleinen Bürger gut ist. Der muss es dann eben nehmen und wenn er es nicht nimmt, dann wird es halt ein bisschen billiger angeboten.

Was wollen die Wiener dann wirklich? 

Wir Wiener wissen ganz genau, was wir wollen. Wir wollen in einer historisch gewachsenen Stadt leben. Deshalb muss eine Verdichtung geschaffen und beispielsweise Dachgeschoße ausgebaut werden. Und man muss natürlich die Infrastrukturen der Stadt erweitern.

Inwiefern kann die Politik dazu etwas beitragen?

Politiker dürfen nicht nur dort Infrastruktur schaffen, wo potentielle Wähler sind, sondern dort, wo Menschen leben wollen. In der Gegenwart sind viele Politiker vernünftiger geworden. In der Vergangenheit wurden wirklich massenhaft Fehler aus macht- und interessenspolitischen Gründen gemacht.

Da wären wir wieder beim Thema Transparenz.

Ja. Es gab keine Transparenz in den Entscheidungen. Insbesondere wurden Betroffene, nämlich die Bürger, nicht einbezogen.

Ist Nachhaltigkeit für die Immobilienbranche noch immer eine besondere Herausforderung?

Auf jeden Fall. In der Immobilienwirtschaft geht es um ernste Dinge. Wenn ich ein falsches Auto kaufe, dann ist es in ein paar Jahren wieder weg. Eine Immobilie wird auch bei einer schlechten Bauweise nur im Notfall abgerissen.

In der Immobilienbranche kommt gerade die soziale Nachhaltigkeit noch zu kurz. Wir haben technische, energieeffiziente, ressourcenschonende Bauweisen und Baumaterialien. Das geht schon seinen Weg. Bei der sozialen Nachhaltigkeit sind mir nur wenige Projekte bekannt, die losgelöst von politischen Interessen initiiert wurden.

Ein Beispiel bitte.

Ich arbeite mit einer Initiative von Grazer Hausverwaltern zusammen, die die Idee haben, sogenannte Problemliegenschaften in lagezuschlagslosen Gegenden aufzuwerten. In solche Liegenschaften möchte oft kein Hausverwalter gehen. Die Initiative Dageko erkennt die Menschen dahinter. Die Idee ist der Aufbau einer sozioökonomischen Hausverwaltung.

Wir verlangen von unseren Mietern, dass sie – für einen günstigeren Mietpreis – gewisse Leistungen im Haus oder in der Nachbarschaft übernehmen. Wenn so eine Vertrauensbasis geschaffen wurde, dann kann ich Einsparungen in der Verwaltung schaffen. Die Piloten sind schon da, es gibt Stiftungen, gemeinnützige Immobiliengesellschaften, die gesagt haben, sie hätten Interesse Liegenschaften auf diese Art verwalten zu lassen.

Was kann man sich unter Ihrer Rolle bei Dageko vorstellen?

Ich bin einer der Pro-Bono-Förderer, die dabei sind, ein Business- und ein Wirksamkeitsmodell zu erstellen. Wir wollen ganz konkret in Graz und dann in Wien die ersten Immobilien als Pilot selbstverwaltet betreiben. In ein bis zwei Jahren werden wir uns die Entwicklung anschauen und entsprechend skalieren.

Hat der „normale“ Hausbesorger dann Ihrer Meinung nach ausgedient? 

Genau. Ich kann ja einen Mieter dafür gewinnen. Meine verstorbenen Großeltern haben in ihrer Wohnungseigentumsanlage unter den acht Parteien ausgemacht, wer pro Monat die Reinigung im Haus macht. Ohne Reinigungsfirma. Da passt plötzlich jeder viel mehr auf, weil er ja irgendwann selbst wieder mit der Reinigung dran ist.

Aber da gibt es doch zahlreihe rechtliche Hindernisse. Allein, wenn ich an die Haftungsfrage denke?

Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Die Politik muss etwas gegen diese Überregulierung tun. Wir müssen langsam mal wieder lernen, dass wir für unser Leben selbst Verantwortung tragen und nicht immer gleich nach der Obrigkeit rufen.

Kein Fan von Regulierungen?

Nein. Regulierungen zeugen besonders bei Vermietungen von einem riesigen Misstrauen. Wir sollten endlich einmal ein paar Schritte zurückgehen und einander mit Vertrauen begegnen. Dazu braucht es keine Interessensvertretungen oder Lobbying. Wir Menschen sind grundsätzlich soziale, positive Wesen.

Wie aber kann ein Vermieter den perfekten Mieter finden und umgekehrt?

Natürlich gilt „Prüfe, wer sich binde“. Aufgrund der Gesetzeslage werde ich einen Mieter nicht so schnell los. Umgekehrt ist es aber genauso. Ein Mieter kann jederzeit ausziehen, aber das ist mit einem Ressourcenaufwand verbunden. Außerdem bekomme ich bei dem knappen Wohnungsmarkt nicht so einfach eine neue Wohnung. Der ganze Prozess der Mietersuche sollte viel verantwortungsvoller und sozial nachhaltiger gestaltet werden. Viel zu wenige Immobilienmakler setzen den Mieter oder Käufer in den Fokus.

Klingt so, als sprächen Sie sich für das Besteller-Prinzip aus?

Absolut. Ich verstehe nicht, warum sich die Immobilienbranche so dagegen wehrt. Eine gute Standesvertretung muss sich meiner Meinung nach weiterentwickeln. Sonst hat man irgendwann keine Chance mehr.

Glauben Sie, dass sich besonders die ältere Generation gegen Veränderungen wehrt?

Das Obrigkeitsdenken mancher Menschen, insbesondere eben der älteren Generation, ist beängstigend.

Die Makler könnten Ihrer Meinung nach also etwas an ihrer Situation ändern. Welche Rolle spielen da die Interessensvertretungen?

Die Makler könnten auf jeden Fall etwas ändern. Die Interessensvertretungen der Makler bestehen aber leider in den meisten Fällen aus Nicht-Maklern. Michael Pisecky zum Beispiel ist ursprünglich gelernter Banker. Vor ihm waren meistens Hausverwalter die Makler-Vertreter. Die Makler müssen selber aktiv werden und etwas an ihrer Situation ändern.

In der Immobilienbranche herrscht also Stillstand?

Die Standesvertretung hat in den letzten zehn Jahren nur wenig wirklich Neues umgesetzt. Der größte Sprung in der Immobilienbranche ist durch die größere Transparenz bei den Preisen entstanden. Immobilien.net hat damals sicher einen großen Beitrag dazu geleistet, da wir die Immobilienpreise analysiert, veröffentlicht und regelmäßig kommuniziert haben. Das machen jetzt alle. Aber seitdem ist nichts Neues passiert. Wo bleibt das Next Level?  wDisruptive Veränderungen wird es nur dann geben, wenn wir in ein nächstes Level der Transparenz gehen. Dazu gehören mehr Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit: Das bringt uns auch menschlich weiter. Wenn Mensch und Ehrlichkeit im Mittelpunkt stehen, dann kommen automatisch die wirtschaftlichen Erfolge - und das langfristig.