Standort mit Ecken und Kanten

Stabilität und Sicherheit sind neben der Lage im Herzen Europas die großen Pluspunkte Österreichs im internationalen Standortwettbewerb.

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Stabilität und Sicherheit sind neben der Lage im Herzen Europas die großen Pluspunkte Österreichs im internationalen Standortwettbewerb.

Österreich hat mehr zu bieten als Riesenrad, Walzerseligkeit und Apfelstrudel. Denn die Alpenrepublik ist ein kleiner, aber nichtsdestotrotz feiner Wirtschaftsstandort, der zahlreiche Weltmarktführer hervorgebracht hat. Namen wie Andritz, Doppelmayer, Swarovski, aber auch Manner oder Red Bull, um nur einige zu nennen, brauchen international keinen Vergleich zu scheuen. Das spiegelt sich auch in den Exporten wider: im Vorjahr wurden insgesamt Waren im Wert von rund 127 Milliarden Euro ins Ausland geliefert – ein Plus von nominell 0,9 Prozent gegenüber dem Jahr 2013.

Neben den Warenexporten gewinnen die Dienstleistungsexporte (Tourismus, Engineering, Baudienstleistungen, Informations- und Kommunikationstechnologien, etc.) zunehmend an Bedeutung. Diese haben 2014 mit rund 49,5 Milliarden Euro laut Wirtschaftskammer immerhin 29 Prozent der Gesamtexporte ausgemacht.

Was aber ist das Geheimnis des Erfolgs? Zum einen die Lage: nach wie vor stellt Österreich ein ideales Sprungbrett nach Ost- und Südosteuropa dar – aber auch in umgekehrter Richtung in den Westen. Dazu kommt das aufgrund der langen gemeinsamen Geschichte gewachsene Verständnis und Know-how in Hinblick auf die Märkte. Kein Wunder, dass mittlerweile an die 1000 internationale Unternehmen ihre CEE-Aktivitäten von Österreich aus steuern. Dazu kommen rund 40 internationale Institutionen mit Mittel- und Osteuropa-Bezug.

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„Nur so schaffen wir langfristig ein stärkeres Wachstum und mehr Arbeitsplätze.“ - Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler

Hohe Sicherheit

Ein wichtiger Standortvorteil der Alpenrepublik ist die Sicherheit – und zwar in verschiedenen Bereichen. So sind hierzulande nicht nur die politische Stabilität und die Sicherheit der Einwohner vor Straftaten hoch, auch die soziale Sicherheit ist dank des umfassenden Sozialsystems gegeben. Immerhin ist Österreich mit einem Bruttoinlandsprodukt von 36.640 Euro pro Kopf eines der wohlhabendsten Länder der EU – das wirkt sich auch positiv auf die Kaufkraft aus. Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang die Versorgungssicherheit von Gas, Wasser und Strom. Bei der Versorgungssicherheit im Energiebereich liegt Österreich weltweit im Spitzenfeld, Elektrizität ist in Österreich zu mehr als 99 Prozent verfügbar.

Dazu kommt die konsensorientierte Abwicklung von Arbeitskonflikten. Während beispielsweise in Frankreich an durchschnittlich 139, in Dänemark an 135 oder in Deutschland an 16 Arbeitstagen pro Jahr gestreikt wird, sind es in Österreich gerade einmal zwei Arbeitstage, an denen die Arbeit niedergelegt wird. Ein Wert, der der Alpenrepublik im Streik-Ranking Platz zwei hinter der Schweiz – hier wird im Schnitt einen Tag pro Jahr gestreikt - beschert. Bei der Arbeitsproduktivität pro Beschäftigtem im verarbeitenden Gewerbe liegt Österreich laut EU-Kommission übrigens ebenfalls unter den Top 5 innerhalb der 28 EU-Staaten.

Faktor Mensch

Die Mitarbeiter sind also ein weiterer Erfolgsfaktor des Standortes. Sie sind allerdings nicht nur leistungsbereit, sondern auch gut ausgebildet. Eine der wesentlichen treibenden Kräfte dahinter stellt die duale Ausbildung dar, die in der Kombination von Lehrbetrieb und Berufsschule die praxisorientierte fachliche Ausbildung forciert. Gut aufgestellt sind aber auch alle anderen Aus- und Weiterbildungsschienen, von Allgemeinbildenden und Berufsbildenden Höheren Schulen bis hin zu den 21 Fachhochschulen, zwölf Privat- und 22 öffentlichen Universitäten.

Innovation wird hierzulande ebenfalls großgeschrieben. Maßgeschneiderte Innovationsförderungen – es gibt mehr als 30 spezifische Programme -, qualifizierte Fachkräfte und rund 60 Cluster und Netzwerke, die mehr als 7100 Mitglieder mit 815.000 Beschäftigten zählen, sorgen für die optimale Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft, die auch in mehr als 3.600 außeruniversitären Forschungseinheiten angesiedelt ist. Mit Erfolg: Seit 1995 ist F&E-Quote von 1,53 auf 2,99 Prozent im Vorjahr gestiegen. Damit weist Österreich aktuell die vierthöchste Forschungsquote innerhalb der EU auf. Heuer soll die Drei-Prozent-Marke geknackt werden. Damit wird vermutlich auch die Zehn-Milliarden-Euro-Marke für Aufwendungen in Forschung und Entwicklung zum ersten Mal überschritten. Der Löwenanteil, nämlich mehr als 47 Prozent, wird von Unternehmen getragen, auf den Bund entfallen knapp unter 32 Prozent. Um auch in Zukunft Innovationen zu fördern, wird im Übrigen die Forschungsprämie, die derzeit noch bei zehn Prozent liegt, ab dem Jahr 2016 auf zwölf Prozent erhöht.

NEUMAYER Christoph

„Wir erwarten im Jahr 2016 endlich ein Ende der vierjährigen Wirtschaftsschwäche.“ - Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung

Reformen erforderlich

Wo viel Licht ist, da ist aber auch viel Schatten. Nicht nur die schwächelnde Konjunktur – für heuer wird ein reales BIP-Wachstum von 0,8 Prozent, für 2016 von 1,5 Prozent erwartet – sowie die steigende Arbeitslosigkeit machen dem Standort zu schaffen. Vor allem die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten werden immer wieder als Schwächen angeführt. Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, beziffert die Gesamtlast an Steuern und Abgaben als Anteil der Arbeitskosten hierzulande mit über 49 Prozent. „Wir brauchen eine schrittweise Senkung der Lohnnebenkosten um mindestens eine Milliarde Euro bis 2019“, fordert der IV-Generalsekretär. Würden die Lohnnebenkosten um eine Milliarde Euro sinken, würden 6000 neue Arbeitsplätze geschaffen und die Wertschöpfung um 730 Millionen Euro steigen, ergeben Berechnungen von EcoAustria. Zudem finanziere sich diese Maßnahme zu 60 Prozent selbst. Weiters sei eine praxisorientierte und betriebsbezogene Arbeitszeitgestaltung dringend erforderlich, so Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer unisono.

Als Hemmnis erweist sich auch die überbordende Bürokratie. Die zunehmende Regulierung stelle mittlerweile ein Unternehmensrisiko dar, kritisierte kürzlich Deloitte-Österreich-Geschäftsführer Bernhard Gröhs anlässlich der Präsentation des „Deloitte Radar 2015“. Rund 100.000 Paragrafen regeln Österreichs Wirtschaft, dazu kommen noch die derzeit rund 25.000 gültigen Normen. Auch das Zivilrecht ist in diese Zahl nicht inkludiert. Erste Schritte zur Durchforstung des Paragrafendschungels wurden allerdings schon gesetzt, etwa durch Erleichterungen bei der Arbeitszeitaufzeichnung, die Abschaffung von Anlagengenehmigungen für kleinere Betriebe und von verpflichtenden Beauftragten in Unternehmen.

Dass Österreich nach wie vor ein Wachstums-, Struktur- und Vertrauensproblem habe, dessen sei er sich bewusst, so Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner bei der Präsentation des Wirtschaftsbericht Österreich 2015. Genau dort müsse man ansetzen, um mit den richtigen Reformen und Strategien und dem nötigen Optimismus wieder an die Spitze zu kommen. „Nur so schaffen wir langfristig ein stärkeres Wachstum und mehr Arbeitsplätze“, sagt Mitterlehner. Es gehe darum, das Wirtschaften zu erleichtern, überschießende Vorschriften abzubauen und flexiblere Arbeitszeiten zu ermöglichen.

2016 geht es aufwärts

2016 bringt das Ende der vierjährigen Konjunkturschwäche. In ihrer aktuellen Prognose geht die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) – wie auch schon im Dezember 2014 – von einem Wachstum der österreichischen Wirtschaft von 0,7 Prozent im Jahr 2015 aus. Für das Jahr 2016 wird ein Wachstum von 1,9 Prozent und für das Jahr 2017 von 1,8 Prozent erwartet. Das Wachstum für 2016 wurde gegenüber der Dezemberprognose um 0,3 Prozentpunkte nach oben revidiert.

Die HVPI-Inflation (Harmonisierter Verbraucherpreisindex) ist im Gesamtjahr 2015 mit einem Anstieg um 0,9 Prozent im historischen Vergleich sehr niedrig. 2016 und 2017 wird sie aufgrund des Anziehens der Konjunktur und des Auslaufens der dämpfenden Wirkungen der Energiepreise wieder auf 1,9 Prozent bzw. 2,0 Prozent steigen. Die Arbeitslosenquote wird heuer aufgrund der schwachen Konjunktur und des anhaltenden Anstiegs des Arbeitsangebots weiter auf 5,7 Prozent zunehmen. Erst 2017 wird sie geringfügig auf 5,5 Prozent sinken. „Wir erwarten im Jahr 2016 endlich ein Ende der vierjährigen Wirtschaftsschwäche“, kommentiert OeNB Gouverneur Ewald Nowotny die Prognose.

Seit Ende 2014 profitiert der Euroraum vom im Verlauf des Jahres 2014 stark gesunkenen Erdölpreis. Das erweiterte Programm des Eurosystems zum Ankauf von Vermögenswerten sollte zu einem Anstieg der Inflationserwartungen und zu einer Dämpfung der Realzinsen führen. Die Ankündigung des Programms hat bereits eine Abwertung des Euro bewirkt, die die kurzfristige preisliche Wettbewerbsfähigkeit stützt. Die Fiskalpolitik wirkt nicht mehr dämpfend auf das Wirtschaftswachstum. Somit schreitet die wirtschaftliche Erholung im Euroraum voran, das Wachstum wird sich von 0,9 Prozent im Jahr 2014 auf 2,0 Prozent im Jahr 2017 beschleunigen.