"Toxischer Mix" lässt Pleiten heuer auf Höchstwert seit 2009 steigen

Creditreform erwartet heuer über 7.000 Unternehmensinsolvenzen in Österreich - So viele gab es zuletzt am Höhepunkt der Finanzkrise 2009 - Auch in Westeuropa deutlicher Anstieg bei Pleiten

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"Toxischer Mix" lässt Pleiten heuer auf Höchstwert seit 2009 steigen

Ein "toxischer Mix" aus hoher Inflation, schwierigen Finanzierungsbedingungen und einem geringen prognostizierten Wirtschaftswachstum dürfte die Unternehmensinsolvenzen heuer in Österreich auf den höchsten Wert seit 2009 steigen lassen. Creditreform-Österreich-Chef Gerhard Weinhofer erwartet für das Gesamtjahr 2024 über 7.000 Firmenpleiten. "Zuletzt gab es am Höhepunkt der Finanzkrise 2009 derart viele Insolvenzen", sagte Weinhofer am Dienstag bei einem Pressegespräch.

Sonst wurde seit den 1990er-Jahren diese Schwelle nie erreicht, zeigen Aufzeichnungen der Kreditschützer. Was heuer im Vergleich zu 2009 erschwerend hinzukomme, sei ein verändertes Umfeld. "Das Gesamtumfeld war damals positiver. Die EZB hat die Zinsen gesenkt und für Firmen war es dadurch leichter, sich zu refinanzieren", sagte Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss.

Im vergangenen Jahr gab es in Österreich 5.490 Firmeninsolvenzen, ein Anstieg von fast 12 Prozent im Vergleich zu 2022. Besonders viele Pleiten gab es im Handel und in der Baubranche. Auch im ersten Quartal 2024 setzte sich dieser negative Trend fort: Die Unternehmensinsolvenzen stiegen kräftig um 47 Prozent auf fast 2.000, wobei wiederum der Handel die am deutlichsten betroffene Branche war. Im Handel haben sich die Pleiten im ersten Quartal auf 410 betroffene Unternehmen fast verdoppelt.

Auf Firmen rund um das Immobilienkonglomerat Signa und den Tiroler Rene Benko fielen im ersten Quartal die meisten Insolvenzen. Das ließ auch die Verbindlichkeiten kräftig steigen. Alleine die Verbindlichkeiten der Familie Benko Privatstiftung und der Lamarr-Rohbau-Firma (Projektgesellschaft) Mariahilfer Straße 10-18 Immobilien GmbH belaufen sich auf über 1 Mrd. Euro.

Eine ähnliche Insolvenzentwicklung wie Österreich durchlebten im abgelaufenen Jahr auch andere westeuropäische Länder. In 17 von der Creditreform erhobenen Ländern in Westeuropa (inklusive Österreich) erhöhte sich die Zahl der Firmeninsolvenzen um rund ein Fünftel auf knapp 170.000 Fälle, das ist der höchste Stand seit 2016. "Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet", sagte Hantzsch.

In den meisten Ländern Westeuropas stiegen die Insolvenzzahlen - besonders stark in den Niederlanden (plus 55 Prozent) und in Frankreich (plus 36 Prozent). Auch in Schweden, Irland, Finnland, Norwegen und Deutschland stiegen sie um mehr als 20 Prozent. Hingegen gab es Rückgänge in Dänemark, Luxemburg, Spanien und Portugal. Besonders stark war der Anstieg mit fast 25 Prozent im Handel (inklusive Gastgewerbe) und am Bau (plus 22 Prozent), moderater war er bei Dienstleistern (plus 16 Prozent). Im verarbeitenden Gewerbe beschleunigte sich das Insolvenzgeschehen: Der Zuwachs war mit fast 20 Prozent höher als im Vorjahr. Aber die Zahlen der Industrie liegen laut Creditreform noch knapp unter dem Wert von 2019.

Auch in Osteuropa gingen die Insolvenzzahlen nach oben, allerdings war der Anstieg mit 8 Prozent etwas moderater. Hauptverantwortlich für den Zuwachs war laut der Auskunftei Ungarn. Insgesamt gab es 2023 fast 65.000 Unternehmensinsolvenzen in Osteuropa, nach gut 60.000 Fällen im Jahr davor. In sechs von zwölf untersuchten Ländern sanken die Zahlen. Demnach gab es die größten Rückgänge in Kroatien (minus 22 Prozent) und in Lettland (minus 21 Prozent). Einen Anstieg verzeichneten neben Ungarn auch Estland, die Slowakei, Serbien und Tschechien. (apa)