...weil dann nur noch Mist gebaut wird

Leistbares Wohnen ist nicht nur in Wahlkampfzeiten ein immer brisantes wie aktuelles Thema. Naturgemäß scheiden sich die Geister je nach beheimateter Ideologie am Begriff des „Leistbaren Wohnraums“. Grund genug für den Immobilienfokus, sich bei Experten der Branche umzuhören, was für sie leistbares Wohnen bedeutet, wer dafür zuständig ist, diesen zu schaffen – und wie es in 10 Jahren damit aussieht.

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Leistbares Wohnen ist nicht nur in Wahlkampfzeiten ein immer brisantes wie aktuelles Thema. Naturgemäß scheiden sich die Geister je nach beheimateter Ideologie am Begriff des „Leistbaren Wohnraums“. Grund genug für den Immobilienfokus, sich bei Experten der Branche umzuhören, was für sie leistbares Wohnen bedeutet, wer dafür zuständig ist, diesen zu schaffen – und wie es in 10 Jahren damit aussieht.

DIE FRAGEN:

  1. Was verstehen Sie unter dem Begriff „Leistbares Wohnen“ - Was ist für Sie „leistbares Wohnen“?
  2. Wer sollte Ihrer Meinung nach für leistbaren Wohnraum verantwortlich sein? Wer sollte dafür zuständig sein, diesen zu schaffen? Wer soll welchen „Beitrag“ leisten? Welche Rahmenbedingungen muss es dafür geben?
  3. Ein Blick in die Zukunft: Wie sieht für Sie „leistbarer Wohnraum“ in fünf oder 10 Jahren aus?

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Conrad Bauer, Architekturbüro room8:

  1. Leistbares Wohnen bedeutet für mich, dass man von seinem Einkommen leben kann und am Monatsende ein wenig überbleibt, um kleine Reserven ansparen zu können. Daher muss es möglich sein, eine Wohnung mit der erforderlichen Raum- und Bettenanzahl zu einem akzeptablen Mietpreis zu finden. Ausschlaggebend ist die Summe aller Ausgaben. Da muss jeder die Grenze für sich selber finden. Manchen ist das Repräsentieren nach außen wichtig, die einen investieren lieber in teure Sportautos und leben dafür noch im „Hotel Mama“. Wenn die Hälfte der Wiener irgendwie finanziell unterstützt wohnt, sollte ja für jeden zumindest das Grundbedürfnis des Wohnens gedeckt sein.
  2. Ich finde, dass sich alles von selber regelt und sich auch regeln soll. Der Markt besteht schließlich aus Angebot und Nachfrage. Wenn es Bauträger gibt, die über 1.000 Euro pro Quadratmeter erzielbarer Wohnnutzfläche beim Neubau am Stadtrand für Grundstücke zahlen, müssen diese die fertigen Wohnungen um mindestens 3.500 oder 4.000 Euro pro Quadratmeter verkaufen, um kostendeckend zu sein. Derzeit sind die Grundstückspreise deutlich zu hoch, das kann man aber niemandem vorschreiben. Die Rahmenbedingungen können nur sein, dass es mehr Umwidmungen im urbanen Raum gibt, also mehr Dachgeschoßausbauten und mehr Umbauten von Gewerbe zu Wohnungen.
  3. Bei den OIB-Richtlinien ist man draufgekommen, dass man zu viel regeln möchte und dass das Bauen teurer macht. Auch in der Wiener Bauordnungsnovelle 2014 gab es kleinere Erleichterungen, der Weg muss aber noch fortgesetzt werden. Wozu werden z.B. Einlagerungsräume für feste Brennstoffe außerhalb des Wohnungsverbandes benötigt, wenn man keinen Notkamin mehr braucht? Oder einen fast 100 Quadratmeter großen Fahrradraum bei einem Wohnbau mit 1.000 Quadratmeter Wohnnutzfläche? Auch der Niedrigenergie-Wahnsinn treibt die Baukosten in die Höhe, ohne die Energiekosten im gleichen Verhältnis zu senken. Ich denke, in fünf oder 10 Jahren wird man einige Dinge überdacht haben. Vielleicht wird man keine Garagen mehr bauen müssen, weil so viele leer stehen. Vielleicht gibt es in Zukunft auch mehr Wohnheime oder Wohngemeinschaften, weil man dann das Wohnzimmer und den Garten „shared“ wie heute das kleine Stadtauto?

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Klaus Lugger, Vorstand Neue Heimat Tirol Gemeinnützige Wohnungs-GmbH:

  1. Leistbares Wohnen bedeutet für mich, wenn die Bewohner für eine Wohnung der angemessenen Größe (hängt von der Bewohnerzahl ab) 20 bis 25 Prozent ihres Einkommens an Wohnkosten aufzuwenden haben.
  2. In Österreich fühlen sich der Bund und die Länder für leistbares Wohnen verantwortlich, da sie zur Absicherung seit Jahrzehnten Wohnbauförderungsgelder jährlich ins Budget einstellen.
  3. Aufgrund meiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der EU-Lobby der sozialen Wohnbauer, nämlich der „Housing Europe“, darf ich feststellen, dass das leistbare Wohnen in Österreich einen sehr hohen politischen Stellenwert mit sehr großen Erfolgen hat. Aufgrund der politischen Debatten der letzten Jahre habe ich keinen Zweifel, dass das „Ranking“ dieses Thema weiter sehr hoch bleibt.

[caption id="attachment_600" align="aligncenter" width="150"](c) AK Lisi Specht (c) AK Lisi Specht[/caption]

Walter Rosifka, Arbeiterkammer Wien:

  1. Nach Ansicht der AK bedeutet Leistbarkeit im Zusammenhang mit den Wohnkosten, dass ein Haushalt nicht mehr als 25 Prozent seines Einkommens für das Wohnen ausgibt, exklusive Heiz- und Energiekosten. Als Referenz muss man dabei auf das durchschnittliche Haushaltseinkommen abstellen. Für viele Menschen in Österreich ist Wohnen leistbar, aber nur dann, wenn sie eine geförderte Wohnung anmieten können oder schon vor Jahrzehnten in Wohnungen oder Häuser eingezogen sind. Problematisch von der Leistbarkeit ist es für viele Menschen, die sich in den letzten Jahren am privaten Wohnungsmarkt versorgt haben, oder auf Wohnungssuche sind. Dass diese nicht von der Leistbarkeit des Wohnens ausgeschlossen sind, dafür sind Maßnahmen notwendig.
  2. Die Versorgung mit bezahlbaren und qualitativ guten Wohnungen ist ein Bestandteil der Daseinsvorsorge. Der Staat hat dafür geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen. Einerseits durch Förderung des Wohnungsneubaus, andererseits durch Steuerungsmaßnahmen, die den Auswüchsen des Marktes entgegen wirken. Wirksame gesetzliche Mietzinsbegrenzungen sind notwendig. Auch der private Wohnungsmarkt muss in die Verantwortung genommen werden. Wenn wir Steuerzahler die Infrastruktur (öffentliche Verkehrsmittel, Straßen, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Verkehrsanbindungen usw.) schaffen und finanzieren, welche auch den Wert der Immobilien ausmachen bzw. steigern, dann ist es legitim, den Auswüchsen des Marktes Mietenbegrenzung entgegenzusetzen. Dies umso mehr, als ja auch der private Immobilienbereich ganz massiv direkt staatlich gefördert wurde und wird. Denken Sie etwa daran, dass ca. 2,5 Milliarden an Steuermitteln in den privaten Wiener Althausbestand geflossen sind, das meiste davon nicht rückzahlbare Zuschüsse. Geht man davon aus, dass für eine Durchschnittsfamilie eine Mietkostenbelastung (exkl. Heiz- und Energiekosten) in der Höhe von 25 Prozent ihres Einkommens leistbar ist, müsste eine gesetzliche Mietenbegrenzung für eine durchschnittliche Wohnung bei 5,50 Euro pro Quadratmeter netto bzw. 8 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter brutto (inkl. Hausbetriebskosten und USt.) liegen.
  3. In 10 Jahren, denke ich, werden Wohnungssuchende mehr freie Mietwohnungen finden, mit Mieten, welche ihre Haushaltseinkommen mit nicht mehr als 25 Prozent belasten.

[caption id="attachment_601" align="aligncenter" width="150"](c) Richard Tanzer (c) Richard Tanzer[/caption]

Wolfgang Louzek, Verband der Institutionellen Immobilieninvestoren:

  1. Leistbares Wohnen kann nicht in absoluten Beträgen gemessen werden, sondern ist eine Frage, was sich jeder Einzelne leisten kann. In Österreich ist leistbares Wohnen durchaus gegeben, denn laut OECD liegt Österreich mit einem durchschnittlichen Anteil von rund 22 Prozent der Lebenshaltungskosten für Wohnen im unteren Drittel der europäischen Staaten. Dass dabei sozial Schwache einen wesentlich höheren Anteil ihres Einkommens aufbringen müssen, ist unbestritten. Hier für einen Ausgleich zu sorgen ist allerdings Aufgabe der Politik und nicht der privaten Vermieter. Und wenn in Wien - wo die Problematik am größten ist – rund 60 Prozent aller Mieter in einer Gemeindewohnung, im Sozialbau oder gefördertem Wohnbau leben, dann muss man sich fragen, wo die soziale Treffsicherheit geblieben ist.
  2. Für sozial Schwache muss die Politik Vorsorge treffen und nicht der private Vermieter. Nur ein konsequenter Neubau gepaart mit Investitionsanreizen, Abschreibungsmöglichkeiten, um nur einige Möglichkeiten aufzuzeigen, kann vermehrt Wohnraum schaffen und nur der führt zu günstigeren Mieten. Auch ein Überdenken der Einkommensgrenzen für die Vergabe von Gemeindewohnungen - derzeit besteht ein Anspruch bis zu einem Nettoeinkommen von über 3.000 Euro - , bis hin zu einer Subjektförderung für wirklich sozial Schwache, sowie eine faire, verfassungskonforme Mietrechtsreform können zur Entspannung am Mietsektor führen. Jede weitere Mietzinsbeschränkung ist kontraproduktiv, denn sie unterstützt nur jene, die es sich auch jetzt schon „leisten“ können, und schafft nicht für sozial Schwache zusätzlichen Wohnraum, sondern verringert diesen mit Sicherheit nur.
  3. In 10 Jahren wird sich das „leistbare Wohnen“ nicht geändert haben, denn es wird immer eine Frage der individuellen Leistbarkeit bleiben. Sozial Schwache wird es ebenfalls immer geben. Für sie sollte es mehr Möglichkeiten einer Subjektförderung, sowie erleichterten Zugang zu Gemeindewohnungen bzw. zum sozialen Wohnbau geben. Wenn es der Politik nicht gelingt, den privaten Vermieter von restriktiven Auflagen im Rahmen eines Mietvertrages zu befreien, wird leider das Wohnungsangebot noch knapper werden. Man kann nur auf Vernunft hoffen, aber wenn man sich die Mietrechts-Debatte der Koalitionspartner ansieht, fehlt einem der Glaube.

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Markus Ritter, C&P Immobilien AG:

  1. In dem Moment, wo 50 Prozent oder mehr des monatlichen Haushaltseinkommens für Wohnen ausgegeben werden müssen, sprechen wir nicht mehr von leistbarem Wohnen, sondern eher von Armutsgefährdung. Eine vernünftige und sicher realistische Quote dürfte im Bereich von 20 bis max. 40 Prozent des Haushaltseinkommens liegen. Wenn ein Drittel des Haushaltseinkommens nicht überschritten wird, würde ich das als leistbar betrachten.
  2. Die private Immobilienwirtschaft, die Genossenschaften und die öffentliche Hand sind in die Pflicht zu nehmen: Für die öffentliche Hand wird es augenscheinlich aus finanziellen Gründen immer schwieriger. Den Genossenschaften „laufen die Grundstückspreise davon“. Daher sehe ich sehr wohl die private Immobilienwirtschaft dafür verantwortlich, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Hier heißt es, mit innovativen Ideen versuchen, die Mieterkosten zu senken und mit kompakten und durchdachten Grundrisskonzepten auf kleinstem Raum größtmöglichen Wohlfühlfaktor zu entwickeln. Ein weiterer Beitrag ist von den Investoren zu leisten, nämlich jener, sich von Mietrenditen im Bereich von 4 Prozent zu verabschieden. Diese sind im Bereich leistbares Wohnen schlichtweg nicht möglich. Die wirtschaftlichen Grundprinzipien sind Angebot und Nachfrage. Es ist politisch der falsche Ansatz zu versuchen, den Preis zu reglementieren. Das wird dazu führen, dass noch weniger Angebot geschaffen wird. Richtiger wäre es, Anreize und Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass die Produktion von Angebot rascher voran geht. Dann werden sich die Preise einpendeln und wir sprechen tatsächlich von leistbarem Wohnen.
  3. Das Hauptaugenmerk wird darauf liegen, weniger Fläche noch besser nutzbar zu machen und die Betriebskosten zu reduzieren. Es gibt Städte in Europa, jedenfalls jedoch in Amerika, die uns hier weit voraus sind. Als Paradebeispiel sind die sogenannten Mikroappartements in New York zu nennen. Auch in Wien gibt es bereits vorbildhafte Entwicklungen, wo Gemeinschaftsräume innerhalb von Wohnungsprojekten zur effizienteren Nutzung von Platz und zur Kostenreduktion für jeden einzelnen Nutzer installiert werden.

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Peter Ulm, 6B47 Real Estate Investors AG:

  1. Der Begriff leistbares Wohnen ist aus meiner Sicht irreführend und nicht objektiv messbar, da für jede Person in der Bevölkerung eine unterschiedliche Wahrnehmung der Leistbarkeit gegeben ist. Der Begriff der Leistbarkeit ist aus meiner Sicht durch den Begriff „wirtschaftlicher Wohnbau“ zu ersetzen. Darunter verstehe ich, dass jedes Projekt für die jeweilige Zielgruppe unter dem maximalen Gebot eines perfekten Preis-Leistungsverhältnisses entwickelt wird. Das vom Einkauf des Grundstückes bis zur Optimierung der Grundrisse, Flächeneffizienz und bestmöglichen Berücksichtigung der Bedürfnisse der potentiellen Kundenschicht. Leistbarkeit genauso wie wirtschaftliches Wohnen definiert sich über den Gesamtpreis einer Wohnung, der dem Einkommen der potentiellen Käuferschicht entsprechen muss. Nicht der Quadratmeterpreis ist ausschlaggebend, sondern dass der Kunde im Rahmen seiner Bedürfnisse das effizienteste Produkt zum optimalen Gesamtpreis erhält.
  2. Wirtschaftlichen Wohnbau kann man nicht verordnen, sondern das ist ein Gebot des Marktes bzw. der Nachfrage von Kunden. Seitens des Projektentwicklers ist der Beitrag ein wesentlicher, da genau der Entwickler für den Markt und die Bedürfnisse des Marktes Gebäude errichten muss. Damit einher geht eine gute Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand bzw. den Baubehörden. Je kürzer Bauverfahren dauern, je effizienter Planung und Materialen gewählt werden können, je marktangepasster z.B. Verpflichtungen zur Errichtung von Stellplätzen vorgeschrieben werden, desto wirtschaftlicher kann der Entwickler sein Produkt realisieren.
  3. Die Zukunft wird einhergehen mit der gesellschaftlichen Entwicklung und lässt sich wahrscheinlich nicht auf 10 Jahre im Voraus planen, sondern erfordert eine jährliche Analyse und Anpassung an den Markt.

[caption id="attachment_604" align="aligncenter" width="150"](c) Herta Hurnaus (c) Herta Hurnaus[/caption]

Jakob Dunkl, querkraft architekten zt gmbh:

  1. Wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, dann müsste man leistbares Wohnen für die schwächsten Einkommensschichten noch wesentlich billiger ansetzen als bisher - wohl weit unter 7 Euro inklusive Betriebskosten. Andererseits darf das keinesfalls das Ziel sein, weil dann nur noch Mist gebaut wird. Wir müssen politisch dafür sorgen, dass leistbares Wohnen noch stärker subventioniert und unterstützt wird. Für unsere grenzenlose Mobilität wird ja auch massiv Steuergeld investiert oder teure Fußballstadien werden beispielsweise mit Steuergeld gebaut. Die Frage ist schlichtweg, was sich eine Gesellschaft leisten soll. Man sollte nie vergessen: Wohnen ist nach UN-Konvention ein Menschenrecht!
  2. Es ist Zuständigkeit der Politik, für leistbaren Wohnraum zu sorgen. Geförderter Wohnbau soll auch weiterhin breiten Bevölkerungsschichten offen stehen, weil soziale Durchmischung sehr wichtig ist. Allerdings ist Förderung ohne Berücksichtigung der Verkehrsanbindung Schwachsinn. Im ländlichen Raum darf nur Wohnraum entlang öffentlicher Verkehrsmittel gefördert werden. Eine wichtige Rahmenbedingung wäre die Widmungskategorie „geförderter Wohnbau“.
  3. In 10 Jahren wird sich leider vermutlich nicht viel geändert haben, außer dass Kleinstwohnungen zynischer Weise als „Smartwohnungen“ bezeichnet werden. Was unser Traum wäre: Leistbaren Wohnraum durch radikales Zurückdrängen teurer und unsinniger Normen und absurder Vorschriften schaffen. Unsere Häuser sind doch schon seit langem sicher genug! Dann ist natürlich eine Weiterentwicklung von gut funktionierenden Hausgemeinschaften ein Schlüssel zu intelligenterer, effizienterer Wohnraumnutzung. Gute Gemeinschaftsräume ermöglichen kleinere Individualräume. Weiters: die Abschaffung der Stellplatzverpflichtung verbilligt den Wohnbau um ca. 10%. Dies funktioniert perfekt durch aufkommensneutrale Förderung von Carsharing-Konzepten, indem Individualfahrzeuge stärker zur Kasse gebeten werden. Generell ist die direkte Verknüpfung von Wohnen und Mobilität ein entscheidender Hebel in Richtung leistbarer Wohnraum.

[caption id="attachment_605" align="aligncenter" width="150"](c) EHL (c) EHL[/caption]

Michael Ehlmaier, EHL Immobilien:

  1. Vor allem in der letzten Zeit waren die Ausgaben für Wohnen immer wieder im Zentrum der öffentlichen politischen Debatten, das Schlagwort des „leistbaren Wohnens“ ist seitdem in aller Munde. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Definition oder Schwellenwert, was unter diesem Begriff verstanden werden soll. Im Sprachgebrauch hat sich im Laufe der Zeit ein Prozentsatz von 25 bis 30 Prozent des Haushaltseinkommens durchgesetzt, der für Wohnausgaben nicht überschritten werden soll. Im Vergleich mit den anderen monatlichen Ausgaben zeigt sich jedoch, dass im Laufe der Zeit die Anteile der Ausgaben für Nahrung und Bekleidung anteilsmäßig abnehmen, jener der Wohnausgaben leicht zunimmt, die Österreicherinnen und Österreicher aber tendenziell immer mehr für Freizeit, Kultur und Gastronomie ausgeben. Nichtsdestotrotz ist es eine gesellschaftliche Verantwortung der öffentlichen Hand, alle Bevölkerungsschichten mit qualitativ hochwertigem und gesundem Wohnraum zu versorgen, womit das Thema leistbares Wohnen in den Fokus rückt.
  2. Die Verantwortung, für leistbaren Wohnraum zu sorgen, ist eindeutig ein Auftrag an Gemeinden, Länder und Bund, wobei in Österreich der Bereich der Wohnbauförderung ja in der Zuständigkeit der Länder liegt. Das Ziel kann jedoch im Neubau nur in einem vernünftigen Miteinander von freifinanziertem und gefördertem Wohnbau erreicht werden. In beiden Neubausegmenten sind die Bedingungen bei der Projektentwicklung (Erleichterung bei Umwidmungen, beschleunigte Bauverfahren etc.) zu verbessern. Im geförderten und gemeinnützigen Wohnungsbestand wissen wir jedoch aus Studien, dass die soziale Treffsicherheit nicht gegeben ist - hier sollten auch Maßnahmen diesbezüglich angedacht werden.
  3. Dem Ziel einer guten Versorgung aller Bevölkerungsgruppen mit leistbarem und hochwertigem Wohnraum sollte in 10 Jahren deutlich näher gekommen sein. Es gibt in Wien noch genügend Flächenwidmungspotenzial und Lagen, welche sich für leistbaren Wohnraum gut eignen würden.

[caption id="attachment_606" align="aligncenter" width="150"](c) Sebastian Philipp (c) Sebastian Philipp[/caption]

Hans-Jörg Ulreich, Ulreich Bauträger GmbH:

  1. Für mich regelt der freie Markt den Begriff „leistbar“. Sozialer Wohnraum für sozial Schwache und Bedürftige beinhaltet der Begriff „leistbares Wohnen“ für mich jedenfalls nicht. Nichts ist für einen Eigentümer schlimmer als Leerstand. Wir Privaten haben daher auch großes Interesse daran, dass unsere Wohnungen gemietet werden, es muss sich allerdings zumindest rechnen! Unter unseren Kosten können wir nicht vermieten, und auch das hätte für mich wenig mit fairem und sinnvollem leistbaren Wohnen zu tun!
  2. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen sich so gestalten, dass es sich auch privat lohnt, Wohnraum zu schaffen, welcher unter marktüblichen Bedingungen vermietet werden kann. Derzeit sind Mietrecht und Flächenwidmung unzeitgemäß, Auflagen wie bei Stellplätzen und Brandschutz überregulierend und das Richtwertsystem ein Witz! Dazu kommt, dass Besserverdiener in Sozialwohnungen leben und mehr und mehr Menschen besonders nach Wien zuwandern. Es braucht eine Sozialpartnerschaft in der Wohnbaupolitik, die diese Probleme in Angriff nimmt. Jeder wird seinen Teil dazu beitragen müssen. Doch mit der aktuellen Wahlkampfpropaganda gerade von Mietervereinigung und AK wird das genaue Gegenteil erreicht. Hier werden Fronten aufgebaut statt Hürden niedergerissen!
  3. Leistbarer Wohnraum hat für mich, wie schon gesagt, mit dem freien Markt zu tun, auch in fünf bis zehn Jahren. Wenn die Rahmenbedingungen sich nicht sofort ändern, die seltsam anmutende „Klassenkampfrhetorik“ der vermeintlichen Mietervertreter nicht aufhört und die Politik weiterhin den Kopf in den Sand steckt, dann haben wir in fünf bis zehn Jahren ernsthafte soziale Probleme und Brennpunkte!