Welche Flächen braucht das Land?

Gelungene Premiere. In Kooperation mit Energiecomfort lud der ImmoFokus zum Gedankenaustausch.

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Gelungene Premiere. In Kooperation mit Energiecomfort lud der ImmoFokus zum Gedankenaustausch.

Viertel Zwei, Erdberg, die Lage an der Donau und der Hauptbahnhof: das sind nach einhelliger Meinung der Diskutanten die Regionen in Wien, wo auch in Zukunft erfolgreiche Entwicklungen von Büroprojekten möglich sind. Sehr differenziert wurde das Postulat besprochen, dass eine U-Bahn Anbindung die absolute Vorbedingung für eine Unternehmensansiedlung sei. Zwar sei es naturgemäß so, dass der öffentliche Verkehr eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spiele, sie sei aber kein Garant für die Attraktivität von Gebäuden.

So wurde als positives Beispiel von Stefan Brezovich, Vorstand der ÖRAG, das Donau Business Center am Handelskai ins Spiel gebracht, das seit der Erschließung mit der U-Bahn wieder sehr erfolgreich verwertet wurde. Die Region rund um die Gasometer, aber auch Aspern wurden trotz perfekter Verbindung eher skeptisch beurteilt. „Es muss das Gesamtgefüge passen, der Standort selbst muss auch emotional attraktiv sein“, führte Roland Schuch, Leiter Facility Management der Energiecomfort, aus. Über eines ist man sich aber einig: Die Bedeutung der U-Bahn für eine Entscheidung wird im Rahmen der gesamtpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklung immer wichtiger. Einzige Ausnahme sei der Hauptbahnhof, einfach, weil die Agglomeration gepusht werde.

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Kein Open Space in der City

Eines wurde von allen betont: Die Innenstadt bleibe für eine ganz bestimmte Schicht von Unternehmen vor allem aufgrund der Qualität des Umfeldes attraktiv, für Großflächen werden aber andere Standorte immer attraktiver. Die Funktion als Central Business District der Wiener City ist jedoch nicht mehr gegeben. „Der Zug der Zeit in Richtung Open Space und technisch moderne Flächen ist in der Innenstadt nicht umsetzbar“, meint Roland Schuch.

Auch Entwicklungen am Rand Wiens oder anderer Landeshauptstädte hätten ihren Markt. „Ganz wichtig ist der perfekte Mix aus Lager und Büro. Da braucht man keine architektonischen Höhenflüge, aber ein attraktives Gesamt­ensemble“, betont Stefan Brezovich. Projekte, die fast ausschließlich Büroflächen anbieten, hätten in solchen Lagen nur wenig Chancen.

Es gibt aber Bereiche, wo keiner der Experten neue Bürohäuser entwickeln würde. So wurden beispielsweise der Hietzinger Kai und reine, ausgewiesene Wohngegenden wie der 13., 18. oder 19. Bezirk genannt. Auch der Wienerberg selbst wurde sehr kritisch beurteilt, was vor allem mit der fehlenden U-Bahn begründet wurde. „Das Euro Plaza wiederum wird sich, denke ich, weiter gut entwickeln, das liegt einfach näher am Verkehrsknoten“, ist Michael Windsperger, in der IWS TownTown AG für den neuen Orbi Tower verantwortlich, überzeugt.

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Ein Hochhaus allein macht keinen Standort

Tenor war jedenfalls, dass für die Entwicklung eines neuen Standortes Platz vorhanden sein muss. Nur damit kann eine entsprechende Mischung in der Nutzung und die ansprechende Gestaltung des Umfeldes gewährleistet werden. Hochhäuser würden als Solitär normalerweise nicht funktionieren. Wichtig ist außerdem, dass sowohl der Wille der politischen Entscheidungsträger vorhanden sein muss als auch Developer die Chance für einen Standort erkennen müssen. TownTown oder eben das Viertel Zwei würden diese Anforderung optimal erfüllen. Michael Windsperger: „Aspern wird dann erfolgreich, wenn es gelingt, Verwaltungseinheiten als Zugpferde anzusiedeln.“

Unisono kam jedoch die Forderung, entsprechende Rahmenbedingungen für die positive Entwicklung von Unternehmen zu schaffen. Stefan Brezovich: „Der Büromarkt wird sich nur dann gut entwickeln, wenn auch das wirtschaftliche Umfeld passt. Wir haben noch immer zu viele Regulative, Unternehmertum wird eher behindert.“ Abgesehen von Wien sind aber nur wenige Regionen für Büroentwicklungen in größerem Ausmaß interessant. Eine positive Entwicklung zumindest eines weiteren Zentrums neben Wien wurde von allen Diskussionsteilnehmern nachdrücklich gewünscht.

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Reger Zulauf ausländischer Unternehmen

Dass das Viermietungsgeschäft abseits von Flächenoptimierungen praktisch zum Erliegen gekommen wäre, davon will Eckhard Horstmeier, Campus 21 Asset Manager, nichts wissen. „Wir haben im Campus 21 regen Zulauf von ausländischen Unternehmen. Sie kommen zu uns, um von hier aus den osteuropäischen Markt bearbeiten zu können.“ Hauptkriterium bei der Standortwahl, so Horstmeier, sind dabei leichte Erreichbarkeit und Parkplätze. „Das sind Vertriebsfirmen mit rund fünf Außendienstmitarbeitern, die brauchen einfach Stellplätze. Damit kann kein Büro in der Innenstadt punkten.“

„Bei den kleinen Flächen, die diese Unternehmen brauchen, spielt die Leistbarkeit wohl keine Rolle“, wirft Martin Hoffmann, Leitung Immobilien-Portfoliomanagement, s Immo AG, ein. „Bei fünf Mitarbeitern sprechen wir von 100- bis 150-Quadratmeter großen Büros“. Außer, so Horstmeier, die Parkplätze kommen auf 500 Euro pro Monat. „Nach wie vor sind Erreichbarkeit und Preis das Hautargument“, so der Campus 21 Manager. „Ich habe ab Juli 2014 Elektrolux angesiedelt. Für Elektrolux waren Parkplätze das ausschlaggebende Kriterium. Die brauchen 40 bis 50 Parkplätze und in der Innenstadt wäre das nicht gegangen. Die haben eben viele Vertriebsmitarbeiter, für die ist die U-Bahn uninteressant.“

064Hat das Innenstadtbüro ausgedient?

Hoffmann findet die Frage falsch gestellt. „Die Frage ist, welche speziellen Kunden brauchen keine U-Bahn-Anbindung. Eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz kann auch einen höheren Preis rechtfertigen.“ Auch bei der Wahl Hoch- oder Flachbau spiele der Preis eine Rolle. Heinz Redl, COO der SIGNA Prime Selection AG: „Die Frage ist nicht Hoch- oder Flachbau. Die Frage lautet: Ist der Nutzer bereit, mehr zu zahlen, dafür dass er sozusagen nicht im vierten Stock, sondern im 25. sitzt? Die Klientel, die wirklich dazu bereit ist, ein oder zwei Euro auf den Quadratmeter mehr zu bezahlen, damit sie hoch sitzt, die ist aber sehr handverlesen. Das sind vor allem nicht die ganz großen Unternehmen. Umso größer ein Unternehmen wird, desto unwichtiger wird quasi das gesamte Konditionen-Package.“

Redls Faustregel: Die Innenstadt ist eine attraktive Bürogegend für Investmentbanken, Berater, Anwälte und die, die nicht aus der Innenstadt hinauswollen, obwohl sie große Mieter sind. Für die großen gibt es Office-Agglomerate an den Verkehrsachsen, vor allem den U-Bahn-Linien.

Doch mit der U-Bahn allein ist es nicht getan. Diese muss fußläufig erreichbar sein. Martina Jochmann, Energiecomfort Geschäftsführerin. „Das Umfeld muss passen. Was ich mittlerweile sehr schätze, ist, dass ich, wenn ich aus dem Büro hinausgehe sofort bei der U-Bahn bin. Wenn ich mir jetzt also im DC-Tower ein Büro miete, dann muss ich - etwas überspitzt gesagt - über die Copa Cagrana zur U-Bahn gehen.“ Für Redl steht fest, dass es das „ideale Büro“ gar nicht gibt“. „In den achtziger Jahren waren wir froh, überhaupt ein Büro bauen zu dürfen. Das waren billige Büros. Dann haben wir Unternehmen mit Büros in Eigentum schmackhaft gemacht. Später hat man gelernt, dass das eigentlich auch nichts bringt und das Büros mehr können müssen. Wir sind dem Schlagwort „intelligente Büros“ verfallen und dachten, ein intelligentes Büro ist auch über eine gewisse Dauer für den Nutzer und den Markt interessant.“

Heute könne niemand mehr sagen, wie lange eine Büro- und Gebäudenutzung passt. „Der Markt dreht sich schneller, als ich jemals angenommen habe. Ich glaube auch nicht, dass dieses Tempo aufhört. Man muss in Zukunft Gebäude, Gebäudestruktur und die Nutzung auseinanderhalten.“ Man müsse beim Bauen und Bewirtschaften umdenken, da sind sich alle einig: „Wir machen alle eine Erstvermietung und sagen: Schau da gibt es ein Büro, du kannst dir das zurecht schneidern etc.“ Dann kommt der Nachnutzer, der mit der Konfiguration überhaupt nicht zurecht kommt. Und wir sind erschüttert, was dann plötzlich das Refurbishment kostet“, so Redl. Die Umnutzungskosten werden in Zukunft eine weit stärkere Rolle spielen. „Das müsse auch dem Mieter bewusst sein.“

Nachhaltigkeit ein Qualitätskriterium144

Da kommt auch das Thema Nachhaltigkeit mit ins Spiel. Ist Nachhaltigkeit ein Qualitätskriterium beim Büro? Hoffmann: „Wenn man kleine bis mittlere Flächen hat – zwischen 300 und 1.000 Quadratmetern sucht, dann ist es derzeit noch ein „Nice-to-have“. Wenn ich ein großer Mieter bin – vielleicht sogar ein internationaler Konzern – ist es mehr als nur ein „Nice-to-have“ und ist sowieso eine Konzernvorgabe, sodass ich gar nichts anderes mehr wählen kann, als solche Objekte, die in diesem Kreis sind.“

Für Redl ist die Frage: „Kann er es sich erlauben? Bei einem amerikanischen Pharmaunternehmen geht das nicht mehr. Das ist ein No-Go. Es bleiben dann eben nur mehr fünf Objekte über und nicht mehr fünfzehn. Das zweite ist, wenn ich den Investmentmarkt hernehme und sage, dass ich etwas verkaufen will, brauche ich ohne Zertifikat gar nicht mehr anfangen. Also ich denke, das wird sich verstärken. Wir fangen jetzt an, CO2 Bilanzen im Haus unter den Mietern zu veröffentlichen. Das wird alles irgendwann kommen, davon gehe ich aus.“

Etwas für die Großen

In einem ist sich die Diskussionsrunde einig. Corporate Buildings sind etwas für die großen Unternehmen. Sie können damit Duftmarken in der Stadt setzen. Großunternehmen haben auch die größere Sichtweite. Sie planen auf zehn, 15 Jahre. Klein- und Mittelunternehmen vermögen das in der Regel nicht. Sie fahren auf Sicht, haben eine Perspektive von vielleicht drei bis fünf Jahren. Da hat man andere Gedanken als ein eigenes, auf das Unternehmen zugeschnittenes Gebäude.

Oliver Pelz, Geschäftsführer Donaufinanz: „Auch bei einem Corporate Building kommt es auf die Lage an. TownTown war als Areal für Corporate Buildings gedacht. Die Überlegung war, dass Unternehmen auf diesem Areal ihre Konzernzentralen errichten und mit ihrem Architekten und Team kommen, ihren eigenen Bauplatz haben und dann ihr Corporate Building errichten.“ Zum einen ist es an widmungstechnischen und politischen Themen gescheitert und zum anderen – was letztlich noch ausschlaggebender war – an der Nachfrage. Für den Standort in Erdberg war der Bedarf nach Unternehmenszentralen, großen Rechtsanwaltskanzleien, die gerne ein eigenes Gebäude belegen, eben nicht in diesem Ausmaß gegeben, wie man es sich ursprünglich gedacht und gewünscht hat. „Meines Erachtens lag es sicher an der spezifischen Lage, dass es für die eine oder andere Klientel zu weit draußen lag, denn die brauchen einfach ein „1010 Wien“ in ihrer Adresse“, so Pelz.

176„Meiner Meinung nach – wir arbeiten ja auch selbst dort – ist das Konzept sehr gut gelungen“, wirft Doris Bele, Vorstand der FMA Facility Management Austria, ein. Allein dem Standort mangle es noch an Attraktivität. „Es gibt dort eigentlich überhaupt keine Infrastruktur. Man hat dort gerade mal eine U-Bahn-Station – das ist natürlich toll, denn man ist innerhalb von 10 Minuten in der Herrengasse – und sonst im Grunde genommen nichts“. Für Wolfgang Scheibenpflug von der Flughafen Wien AG liegt das Problem auf der Hand: „Die Infrastruktur ist ein ganz entscheidendes Thema. Da stehen wir Projektentwickler vor einem großen Problem. Ohne gute Infrastruktur ist es schwer, einen Mieter zu finden. Ohne Mieter ist es wiederum schwer, die Infrastruktur vorweg an den Standort zu bringen. Das ist ein Balanceakt. TownTown und auch Viertel Zwei haben sich gut entwickelt.

Da sieht man, dass es möglich ist, auch an „Nicht-Standorten“ große Projekte entwickeln zu können, die einen Mieter finden.“ „In Wirklichkeit geht es um Erreichbarkeit“, bringt Scheibenpflug es auf den Punkt. Der US-amerikanische Wirtschaftsprofessor J.D. Kasarda, der das Konzept Airport-City entwickelt hat, spricht nicht mehr von den 3 Ls „Lage, Lage, Lage“, sondern von der 3 Es „Erreichbarkeit, Erreichbarkeit, Erreichbarkeit“ – das sei auch der Erfolgsschlüssel. „Wir sind klarer Bestandteil des Wiener Immobilienmarktes. Das ist sowohl Fluch als auch Segen. Einerseits ist der Flughafen im Vergleich zu anderen Airports der Stadt sehr nahe. In 15 Minuten erreiche ich mit dem City Airport Train die Stadt. Wenn man aber in 15 Minuten in der Innenstadt ist, kann man mit seinem Büro auch gleich in der Stadt bleiben.“

Eingeschränkte Nachfrage

Stellt sich die Frage: Wird es in Zukunft mehr Corporate Buildings geben? „Das wird der Markt entscheiden“, ist Pelz überzeugt. „So etwas auf Vorrat zu bauen, wird nicht funktionieren“. Scheibenpflug sieht das Potential für Corporate Buildings aufgrund der KMU-Struktur in Österreich grundsätzlich beschränkt. „Man muss sich die Frage stellen, ab welchem Zeitpunkt sich ein eigenes Gebäude auszahlt. Da muss man schon 250 bis 300 Mitarbeiter und einen Flächenbedarf von mehr 6.000 Quadratmetern haben. Darunter macht das wenig Sinn. Eines sei aber auch klar. „Es hat einen Grund, warum sich Unternehmen ein Corporate Building bauen oder bauen lassen“, so Pelz.

„Weil z.B. am Wunschstandort keine entsprechenden Immobilien da sind, welche die Wünsche und Anforderungen des Kunden abdecken. Das wird der Spagat der Projektentwickler in der Immobilienwirtschaft sein, einerseits einen möglichst breiten Kundenkreis anzusprechen, aber andererseits genauso offen zu sein für die Anforderungen eines möglichen Nutzers.“ Dieser Spagat sei in der Vergangenheit schwierig gewesen. „Das wird in Zukunft auch nicht leichter.“

Zentralisierung ist natürlich ein beherrschendes Thema. „Da können wir mit einiger Erfahrung aufwarten“, so Stefan Barasits, WSE-Wiener Standortentwicklung. „Schon allein aus Tatsache heraus, dass wir die Aufgabe für die Stadt Wien am Fleischmarkt oder auch beim Gaswerk Leopoldau übernommen haben“. Durch Umstrukturierung und Zentralisierung würden sich auch Arbeitsprozesse verändern. „Dadurch werden Flächen frei, bei denen man sich dann überlegen muss, was man dort in Zukunft machen wird. „Es klingt immer nach einer sehr einfachen Aufgabe, dabei ist sie wirklich komplex“.

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Für Immofinanz AG Norbert Frank liegt die Herausforderung im Umbau im Bestand. „Einen Bau aus den Siebziger Jahren auf den Stand der Technik zu bringen und zu halten, ist nicht nur herausfordernd sondern auch sehr kostspielig. Das beginnt bereits bei den Versorgungs-Themen.“ In das gleich Horn stößt Thomas Tischler, Österreichische Facility Management: „Im Neubau kann man mit einem relativ geringen Aufwand je nach Nutzeranforderungen individuell anpassen. Ich sehe es auch so: Die wahre Herausforderung liegt im Bestand.“ Wenn es kostenseitig gar nicht mehr geht, wird halt weggerissen und neu gebaut. „Bei Gebäuden der 60er- und 70er Jahre tut man sich nicht so schwer. Da ist der Trennungsschmerz nicht so groß.“

Bei Umnutzungen können sich auch die neuen Vorschriften als Hemmschuh erweisen. Tischler: „Können gewisse technische Anlagen nicht installiert werden, bleibt sie eine nieder-wertigere Immobilie. Dass bedeutet gleichzeitig – weniger Miete und geringere Rendite.“ Aber auch die Umnutzung hat ihre Grenzen. Nur weil es früher ein tolles Bürohaus war, heißt es nicht dass es auch ein tolles Hotel wird.

„Wenn ich mir jetzt ein gescheitertes Projekt hernehme, wo man versucht hat Gastronomie in Architektur hinein zubringen dann ist das jenes von Zaha Hadid bei der Spittelauer-Lände. „Bis jetzt ist glaube ich noch keine einzige Gastronomie unten, man hat das Ganze schon 25 Mal umgebaut, die gesamte Umnutzung ist eine Umnutzung quasi vom Neubau in den Leerstand“, kommentiert Frank.