Wenn du ein totes Pferd reitest, dann move on!

PropTechs. Österreich braucht mehr Venture Capital. Das Hauptproblem liegt immer noch darin, dass es hierzulande keine Kultur des Scheiterns gibt, meint Julia Arlt.

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PropTechs. Österreich braucht mehr Venture Capital. Das Hauptproblem liegt immer noch darin, dass es hierzulande keine Kultur des Scheiterns gibt, meint Julia Arlt.

Nur 14 Prozent der klassischen Immobilienunternehmen sehen ihr Geschäftsmodell von Proptech-Unternehmen gefährdet. Ärgert Sie die Gleichgültigkeit der Alteingesessenen?

Julia Arlt: Nein, es stört mich gar nicht, denn heutzutage die Digitalisierung zu verleugnen ist ähnlich seriös wie dasselbe mit der Mondlandung zu tun. In der Branche findet langsam aber doch ein Umdenken statt. die SIA hat gerade letzte Woche in Berlin ihre ersten Innovationskonferenz gehabt und auch auf der MIPIM ist das Thema PropTech angekommen. Man sieht also, dass langsam eine Mentalität einkehrt, die sagt: Wir brauchen junge Innovation, Aufbruch und damit Proptechs. Auf den großen Boom wartet man noch, aber er kommt, da können Sie sich sicher sein.

Trauen Sie es der neuen Szene zu, den eingesessenen Branchenmitgliedern ein Stück vom Kuchen strittig zu machen?

Selbstverständlich!  Aber warum sich um einen Kuchen streiten, wenn man ihn auch größer machen könnte? Ich glaube nicht daran, dass es weniger Makler oder weniger Bauträger durch die Digitalisierung geben wird. Jobs werden sich verändern, sie werden nicht wegfallen und deshalb muss sich auch die Branche selbst verändern, denn ein Makler von morgen wird ganz sicher mehr IT-Know-how brauchen als der Makler von heute. Ich bin da einer Meinung mit meinem Kollege Markus Ertler, dem Gründer von Immobilien.net. Er ist ebenfalls davon überzeugt, dass es den Makler immer geben wird. Bisher sind auch alle Unternehmer, die versucht haben, ihn abzuschaffen, auf die Nase gefallen.

Proptechs und ihre jungen Verwandten in anderen Branchen besitzen vor allem den Vorteil, dass sie bei ihren Verwaltungskosten deutlich einsparen können, dafür braucht es allerdings keine echte Innovation. Was überwiegt als Erfolgsgrundlage in der neuen Szene, Effizienz oder Innovation?

Das würde ich gar nicht so strikt trennen. Immerhin beruht Innovation oft darauf, Effizienz ganz radikal zu erhöhen. Checkmyplace.com akkumuliert und analysiert individuelle Informationen sowie verfügbare, bisher unverknüpfte Informationen (Open Data, Open Government Data und Closed Data) sowie die Weisheit der Vielen - Crowdsourcing Data. Diese Daten sind zwar gefiltert und aufbereitet, aber öffentlich zugänglich - ist das eine riesen Innovation? Nein, würde ich nicht sagen, das Rad wurde nicht neu erfunden, aber effizienter zusammengebaut.

Braucht Österreich mehr Business Angels und/oder mehr Venture Capital?

Ich glaube nicht, dass Österreich mehr Business Angels braucht, denn Österreich ist in Sachen Förderungen genial aufgestellt. Immerhin wurden 2015 nicht ganz 300 Millionen Euro investiert und das in über 3.000 Startups. Das sind für ein kleines Land schon beachtliche Zahlen. Mit Angeboten wie dem Impact Hub, dem Pioneers Festival oder dem Sektor 5, also mit all diesen coworking spaces spielt Wien und damit Österreich schon in einer gewissen Liga mit. Bei Venture Capital sieht es schon anders aus, hier muss ich sagen, dass ich die besten Leute an ihren angepeilten Zielen habe scheitern sehen, und das ist leider die Mehrheit. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, zum Beispiel haben SpeedInvest vor kurzem mit ihrem Programm ganze 90 Millionen lukrieren können, das ist für Österreich äußerst beachtlich.

Wo liegt denn dann der Hund in Österreich begraben? Immerhin gibt es immer wieder die Kritik, dass die Förderprogramme nur den Big Playern zugutekommen. 

Das ist teilweise richtig, aber im Prinzip nebensächlich, denn das Hauptproblem liegt immer noch darin, dass es hierzulande keine Kultur des Scheiterns gibt. Wenn man als Unternehmer hier einmal danebengreift, ist man sein Leben lang gebrandmarkt. Dabei haben meine erfolgreichsten Freunde in New York Minimum drei Patzer hinter sich und ihre vierte Unternehmung ging dann um 200 Millionen über den Tisch. Diese konservative Haltung schreckt auch Business Angels massiv ab. Ich meine es ernst: Wake up! Es heißt Risikokapital und natürlich geht nicht immer jede Idee auf, deshalb sollte man auch nur 5 Prozent seiner finanziellen Substanz hineinstecken. Man muss aus seinen Fehlern lernen dürfen und Österreich bleibt hier stehen.

[caption id="attachment_10130" align="alignright" width="332"]arlt-julia-_-014 © cityfoto[/caption]

Ist Venture Capital der Puls der Zeit?  Davon bin ich überzeugt und darum geht’s auch: am Puls der Zeit zu sein. Geld kann hier auch nebensächlich sein, oft ist es Leidenschaft, die Menschen antreibt. Mit jungen Leuten an einer Idee zu arbeiten, mit ihnen mitzufiebern und dann auf der Expo Real Investitionen pitchen zu gehen, kann sehr viel Spaß machen und eine sehr effektive Verjüngungskur sein. So ist das heutzutage, der eine kauft sich einen Porsche und der andere investiert in ein junges Proptech.

Würden Sie einem jungen Unternehmen den Standort Wien empfehlen?

Eigentlich nein (lacht), man muss schon ehrlich zu sich selbst sein und dem Vergleich mit Berlin hält  Wien nicht stand. Die Stadt liegt zwar sehr zentral und das kann ein Vorteil sein, aber ein blutjunges Start-up braucht vor allem einen Lighthouse customer, vielleicht auch for free. Hauptsache, du hast einen und davon gibt es in Österreich zu wenige.

Das tut weh. Wenn Julia Arlt Staatssekretärin für Start-ups und Digitalisierung wäre, wie würden ihre Schritte in die richtige Richtung aussehen?  

Es geht hier alles immer so furchtbar formal zu und die Lohnnebenkosten sind der pure Wahnsinn! Ich frage mich, wie man hierzulande in der Seed-Stage einen Mitarbeiter bezahlen soll, wenn man sowieso minus schreibt? Dieses Problem trifft vor allem Proptechs, denn dieses Wort besteht ja nicht nur aus Prop-, sondern auch aus -tech und es scheitert oft an Zweiterem, denn ohne technische Unterstützung wird es sehr schwierig. Das Problem ist, jeder sucht gute Techniker und es ist schockierend, wie hoch die Gehaltserwartungen in der Branche liegen. Verständlich, denn die Menschen sind auch sehr gefragt, aber wenn ich als junger Unternehmer auch noch die Lohnkosten in Österreich dazuzahlen muss, bekomme ich echte Schwierigkeiten.

Heißt das nicht auch, dass Österreich attraktiver für IT-Fachkräfte werden muss?

Das wäre auch mein zweiter Tipp gewesen, hieran beißt sich allerdings auch Berlin die Zähne aus. Es braucht mehr Kooperation zwischen den Fachhochschulen und privaten Firmen, durch die junge Forschende mit Unternehmern zusammengebracht werden. Die FH Kufstein hat so ein Programm und es ist für beide Seiten hochprofitabel. Forschende Studenten erleben enormen Praxisbezug und lösen Probleme, wo Probleme sind. In London sind solche Programme gang und gäbe.

Sind Proptech Founder mobile Menschen oder Techniker, die aus eigenen Bedürfnissen heraus handeln?

Absolut Zweiteres. Wenn man sich die Lebensläufe der erfolgreichsten Proptech Unternehmer ansieht, dann muss man feststellen, dass die alle eine gewisse Technikaffinität hatten und dann als Frischlinge in die Branche eingestiegen sind. Durch unsere E-learning Programme erhoffen wir uns, denn Trend ein wenig umzukehren und mehr Brancheninterne mit Immobilien-Know-how dazu zu ermutigen, PropTech zu gründen.

Im Durschnitt kommen immer noch 26% des akkumulierten Startkapitals von Freunden und Verwandten. Haben sie einen Tipp für unsere jungen Leser, wie sie sich den Canossagang mit 26 zu Mami und Papi ersparen?

Ich denke, das wird man nicht ändern können. Am Anfang sind es immer die Fs: Friends, Family and Fools. In den meisten Fällen beginnt man mit den Menschen zu arbeiten, die ehemalige Schul- oder Studienkollegen sind. Da braucht es eben ganz viel intrinsische Motivation. Menschen müssen von ihrer Idee begeistert sein, denn das Gehalt ist zu Beginn sicher nicht das treibende Motiv. Der beste Freund ist immer der billigste Mitarbeiter und deshalb sind Netzwerke auch so essenziell. Gute Options sind wichtig, denn - wie bereits erwähnt - bekommt man die besten IT-Leute nicht am Arbeitsmarkt, denn da sind sie zu teuer. In der Gründungsphase hat man hierfür keine 120.000 Euro.

Braucht man einen Mentor oder geht es auch ohne?

Ohne einen Mentor geht es nicht, ein erfahrener Begleiter kann der wichtigste Bestandteil einer jungen Gründung sein. Es ist auch oft ein Trugschluss von jungen Start-up-Gründern, dass ihnen das Geld fehlt, denn oft ist es einfach das Know-how und das Netzwerk, an dem es mangelt. Leider auch oft der Rat von einem Insider, der besagt: du reitest ein totes Pferd, move on!

Was halten Sie vom VR-Trend? Zukunft oder nur eine lustige Spielerei?

Für mich absolut zukunftsträchtig. Virtual Reality kann für ganz viele Leute in der Branche eine massive Effizienzsteigerung bedeuten. Alleine wie viel Zeit Makler einsparen könnten, wenn sie weniger Zeit mit Besuchertouristen verschwenden müssten. Hier in der Großstadt ist es vielleicht möglich, schnell von Termin zu Termin zu kommen, aber in ländlicheren Gegenden liegt das betreffende Objekt selten um die Ecke und oft gehen sich mehr als zwei Termine pro Tag nicht aus. Ich zum Beispiel habe kein besonders gutes räumliches Gefühl und deshalb lieber ein verwackeltes Video als ein paar Fotos.

Dass es kommt, es nicht nur ein Hype ist, sondern normal sein wird, davon bin ich ganz fest überzeugt.