Wir brauchen wieder eine starke Mittelschicht

Vor wenigen Tagen wurde Wien bereits zum 8. Mal zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit gekürt. Die jährlichen Bevölkerungszahlen zeigen auf, dass der Trend zum Leben in der Stadt ungebrochen ist.

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Vor wenigen Tagen wurde Wien bereits zum 8. Mal zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität weltweit gekürt. Die jährlichen Bevölkerungszahlen zeigen auf, dass der Trend zum Leben in der Stadt ungebrochen ist. Wo immer man hinsieht, werden neue Wohnungen errichtet. Steigende Grundstückspreise und ein schrumpfendes Angebot an freien Bauflächen lassen die Wohnungspreise sukzessive ansteigen. Trotzdem finden sich Menschen, die sich diese Wohnungen leisten können – viele sogar im Eigentum. Das Angebot an Wohnungen und Häusern, mit denen sich Wohnträume erfüllen lassen, ist breit. Käufer und Mieter teurerer Wohnungen wissen, was sie wollen, gehen kritisch vor, verfügen aber auch über das nötige Kapital. Auf der anderen Seite haben Wirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit bei vielen Menschen tiefe Spuren hinterlassen. Wohnen im Eigentum ist für diese unmöglich und das Angebot an freien günstigen Mietwohnungen mehr als knapp. Aktuell sind daher tausende Menschen auf der Suche nach einer günstigen Wiener Mietwohnung.

Politik und Konsumentenschutzorganisationen schieben der Immobilienwirtschaft den schwarzen Peter für diese Situation zu, denn Wohnen wird laut Statistik immer teurer. Und der Ruf nach einer gesetzlichen Mietbegrenzung, dem Wegfall der Maklergebühren für Mieter bzw. der Streichung von Versicherungen und Grundsteuer aus dem Betriebskostenkatalog wird lauter und lauter. Vergleiche mit den Mieten in Gemeindewohnungen werden nicht gescheut, wobei bewusst die komplett unterschiedlichen Voraussetzungen ignoriert werden. Deutschland wird herangezogen, wenn es um das Bestellerprinzip geht, ohne zu erwähnen, dass dort eine freie Mietzinsbildung und damit ein Einrechnen der Vertriebskosten möglich ist. Dabei gibt es genug leistbaren Wohnraum – nämlich im Bestand. Leider wird er oft falsch oder gar nicht verwendet. Zigtausende Sozialwohnungen stehen leer, weil sie von den Mietern nicht benötigt werden. Viele werden  zwar bewohnt, aber von Personen mit höherem Einkommen, die auf diese Unterstützung gar nicht angewiesen wären. Gleichzeitig müssen Zuwanderer nach Wien auf den privaten Wohnungsmarkt ausweichen, da sie keinen Anspruch auf eine Gemeindewohnung haben. Das verknappt das Angebot und macht Wohnen teurer.

Tatsächlich sind es nicht die Mieten, die den Menschen finanzielle Probleme bereiten, sondern es ist die Situation, dass deren Einkommen in den vergangenen 10 Jahren zu wenig gestiegen ist. Das bemerkt man beim täglichen Einkauf, beim Restaurantbesuch ebenso wie beim Skiurlaub, der für viele Familien unleistbar geworden ist. Und die Schere zwischen den Gutverdienern und jenen, die mit 1.200 Euro und weniger auskommen müssen, wird immer größer. Zu viele Menschen haben schlecht bezahlte Jobs, arbeiten in Teilzeitanstellung oder müssen vom Arbeitslosengeld oder der Sozialhilfe leben. Das hat dazu geführt, dass die Mittelschicht langsam aber stetig weggebrochen ist. Genau jene, die jahrzehntelang die Basis des österreichischen Wohlstandes waren, sind entweder nach oben, aber meist leider nach unten abgerutscht. Hier gibt es enormen politischen und wirtschaftlichen Handlungsbedarf, denn die Konsequenzen sind noch gar nicht absehbar. Und daran müssen wir alle arbeiten.