Wir hinken hinterher

Aufholbedarf. In einem sind sich die Teilnehmer des Round Table zum Thema Immobilie & Marke einig: Es gib noch viel zu tun, um nicht international den Anschluss zu verlieren.

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Aufholbedarf. In einem sind sich die Teilnehmer des Round Table zum Thema Immobilie & Marke einig: Es gib noch viel zu tun, um nicht international den Anschluss zu verlieren.

Jedes Kind muss einen Namen haben, warum also nicht auch ein Haus“, sagt Philipp Kaufmann (Immomarketingexperte, siehe Interview "Sprache des Empfängers sprechen") Der Wettbewerb steige. Und um stets neue Käufer für Eigentumswohnungen zu finden, müsse man auch immer wieder neue Werbekonzepte ausklügeln und dafür sorgen, dass Marken lange im öffentlichen Bewusstsein bleiben. Stimmt das aber auch? In einem Round Table sind wir der Frage der Bedeutung von Marken in der Immobilienwirtschaft nachgegangen.

[caption id="attachment_3116" align="alignleft" width="300"]Theo Hörner, filmkraft.at Theo Hörner,
filmkraft.at[/caption]

Was drin ist, ist entscheidend

„Das, was draufsteht, ist egal. Das, was drin ist, ist entscheidend“, wirft Thomas Kurzawski, Creative Director bei der comm.ag ein. „In einer Welt, in der sich Medien, Märkte und Kaufverhalten dramatisch verändern und Immobilienangebote immer vergleichbarer und austauschbarer werden, beharrt die Immobilienbranche auf altbewährten Vermarktungsstrategien“, klagt Michael Flörl, Mitglied der Geschäftsführung der comm.ag Communication Agency aus Innsbruck, die ab Jänner mit einer eigenen Niederlassung in Wien vertreten sein wird.

In den Köpfen vieler Entscheidungsträger herrsche leider immer noch das „Höher-Schneller-Weiter-Prinzip“ vor. Geworben wird noch immer mit tatsächlichen Produktvorteilen, den sogenannten USPs oder Reason Whys. „Man bewirbt noch immer die Immobilie selbst – statt den Kunden zu umwerben.“ Obwohl, so Flörl, die gesamte Marketingwelt wisse, dass diese veralteten Marketingstrategien den modernen Kunden nicht mehr erreichen. „Wenn Angebote vergleichbar und austauschbar werden, müssen wir nach neuen Alleinstellungsmerkmalen suchen. Denn zu viel vom Gleichen drückt die Rendite. Wir müssen die Gefühle ansprechen.“ Denn Entscheidungen und Kaufentscheidungen sind extrem stark emotional geprägt und werden nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz bewusst getroffen. „Niemand sehnt sich nach Quadratmetern in bester Lage“, so Flörl.

Susanne Steinböck , CA Immo Unternehmenskommunikation: „Ich denke sehr wohl, dass die Entscheidung für oder gegen einen Bürostandort ganz bewusst getroffen wird. Erfüllen der Standort und Grundriss eines Gebäudes die Anforderungen des Mieters nicht, hilft mir die Emotionalisierung der Marke auch nicht weiter. Die Marke kann eine Immobilie inszenieren, aber nicht kompensieren.“

Dass man in Österreich massiv hinterherhinke, will M‘CAPS Advertising Geschäftsführerin Barbara Flasch so nicht gelten lassen: „Finanz-investoren, Investmentunternehmen – vor allem börsennotierte Gesellschaften – machen viel für ihre Marke. Bei den Bauträgern muss man differenzieren. Da hängt es in erster Linie von der Größe des Projektes ab.“

Johannes Eisert, Member of the Executive Board?der epmedia Werbeagentur, sieht einen Unterschied, ob das Unternehmen für sich oder seine Projekte wirbt: „Es gibt Unternehmen, die ganz bewusst ihre Projekte und nicht das Unternehmen in den Fokus rücken. Kleinere Unternehmen hingegen versuchen sich als Marke zu positionieren, um so deutlicher am Markt wahrgenommen zu werden.“ [caption id="attachment_3107" align="aligncenter" width="300"]Barbara Flasch, M'CAPS Barbara Flasch,
M'CAPS[/caption]

Thomas Kurzawski, Creative Director bei der comm.ag: „Im Immobilienmarketing des 21. Jahrhunderts wird es nur noch darum gehen, Immobilien emotional aufzuladen und aufzuwerten. Denn nur emotional aufgeladene Marken und Produkte strahlen Begehrlichkeit aus und ziehen Menschen an, was in der Folge unweigerlich ihren Wert erhöht und damit die Preistoleranz der Kunden. “ In Deutschland sei man punkto Immobilienmarketing verglichen mit Österreich deutlich aufgeschlossener: „Wir haben einige Makler, die ein sehr aktives Branding betreiben. Österreich muss auf diesen Zug noch aufspringen.“

Susanne Senft, senft & partner GmbH, sieht in den Marken starkes Potenzial zur Aufwertung ganzer Stadtviertel. „Marken haben schon einen Sinn. Sie können ganze Gebiete aufwerten. Mit einer Marke können auch Mängel wettgemacht werden. Das Sonnwendviertel ist eine solche Marke. Alle ziehen gerne dort hin – und auch wenn es jetzt Sonnwendviertel heißt, es ist und bleibt der 10. Bezirk“. Ein weiteres positives Beispiele sei das Philips-Haus: „Das kennt jeder. Da kommt es aber nicht auf das Gebäude, sondern auf das Unternehmen selbst an.“

Senft gibt aber zu bedenken, dass Architekten den von ihnen entwickelten Gebäuden einen (Marken)Stempel aufdrücken können. „Ein Zaha-Hadid-Haus ist immer ein Zaha-Hadid-Haus.“ Da müsse sich ein Developer oder Investor genau überlegen, ob er sich das auch antun möchte. Ob Senft ein gutes Beispiel für eine positive Markenbildung kennt? „Der DC Tower. Der ist ja alleine als Marke konzipiert. Der ist wirklich eine Landmark. Alle wissen, dass der Tower von Dominique Perrault gebaut wurde, es bleibt aber der DC Tower.“

Immobilienpräsentation – das Stiefkind

[caption id="attachment_3118" align="alignright" width="300"]Michael Flörl, comm.ag Communication Agency Michael Flörl,
comm.ag Communication Agency[/caption]

„Wir müssen gar nicht über Marken sprechen. Allein die Immobilienpräsentation – das Stiefkind der österreichischen Maklerbranche“, so Theo Hörner, filmkraft.at. Für Hörner ist Architektur nur ein, wenn auch wesentlicher Bestandteil: „Man darf sich nicht nur auf die Architektur verlassen. Architektur zielt auf Unternehmen.“ Die breite Masse werde durch Architektur nicht angesprochen. „Architektur und Marken können auch Distanz schaffen.“ Senft: „Ein gutes Beispiel ist hier der DC Tower. Entweder man mag ihn – oder man mag ihn nicht“, so Senft. „Der aktuelle Verwertungsgrad lässt aber auf ein Problem schließen“, wirft Hörner ein. „Nur weil Perrault den Monolith gebaut hat, verkauft er sich nicht von selbst.“ „Wir dürfen nicht vergessen, jedes Unternehmen, das am Markt agiert, ist eine Marke. Die Marke steuert die Wahrnehmung am Markt“, unterstreicht Oliver Heiss, Managing Partner von brainds. „Die Frage ist, wie man damit umgeht. Die erfolgreiche Positionierung einer Marke führt daher unweigerlich über die Wahrnehmungswelten von Menschen, die die Bestandteile der Marke immer auf ihre persönliche Weise erleben und interpretieren.“ Gebäude können für ihn Touch-Points einer Marke sein. „In Österreich gibt es allerdings sehr wenige Corporate-Touch-Points.“

Wer braucht eine aktiv geführte Marke?

Eine Frage aber stelle sich: „Wer braucht eine aktiv geführte Marke?“ Heiss weiß auch gleich eine Antwort: „Dort, wo Vermarktungsbedarf gegeben ist. Zum Beispiel bei Bürocentern. Die brauchen eine Marke.“ Der Markenexperte warnt aber vor einer regelrechten Markenflut. „Alle kreieren Marken. Logos, Farben und allerhand Chichi. Das Geld wird schlecht ausgegeben. Besser wäre es, das Projekt gescheit zu verkaufen.“ Nicht jedes Haus brauche eine Marke. „Wir haben noch gar nicht über die Zweitverwertung gesprochen“, wirft Barbara Flasch ein. „Bei Bestandsobjekten reicht es nicht, einfach nur cool zu sein.“

Steinböck: „Bei der Vermarktung von Immobilien gelten spezielle Regeln. Jede Immobilie ist ein eigenständiges Produkt, schon der konkrete Standort gibt jeder Immobilie eine einzigartige Prägung. Ein Bürogebäude muss darüber hinaus 30 bis 50 Jahre im Wettbewerb bestehen. Das heißt, ich muss bei der Produktdefinition schon berücksichtigen, welche Anforderungen Mieter in 20 und mehr Jahren haben werden und welche Spielräume ich bei der Nachvermietung brauche.. Ist die Produktdefinition in sich stimmig und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe hin optimiert, kann die Markeninszenierung noch Mehrwert schaffen. Die Immobilie selbst muss aber immer halten können, was die Marke verspricht.“

[caption id="attachment_3115" align="alignleft" width="300"]Susanne Senft, senft & partner GmbH Susanne Senft,
senft & partner GmbH[/caption]

Für große Unternehmen, so Steinböck, sei ein Gebäude immer auch ein Statement. „Wir planen zum Beispiel aktuell die Google Zentrale in Mün¬chen. Google hat hier ganz konkrete Vorstellun¬gen. Stichwort Work-Life-Balance.“ Somit sei ein Bürostandort immer Spiegel der Unternehmenskultur und ein wichtiger Faktor im Employer Branding und der Mitarbeiterbindung. „Human Capital wird für Unternehmen immer entscheidender. Ein Standort ist nicht nur für Repräsentationszwecke wichtig, sondern auch als Ort für soziale Bindung, Kommunikation und Identifikation für Mitarbeiter. Hier geht es sehr stark um Emotionen und Atmosphäre, das Büro wird immer stärker zum Lifestylefaktor. Gleichzeitig müssen die hard facts stimmen.“ „Da werden wohl eher junge Start-Ups als etablierte Wirtschaftskanzleien einziehen“, wirft Susanne Senft ein. „Da muss halt das Marketing früh einsetzen – je früher desto besser“, ist Flörl überzeugt. Ob man in diesem Fall noch ein eigenes Branding für das Gebäude brauche? „Diese Aufgabe muss Google abdecken. Wenn das Gebäude nicht die Werte von Google transportieren kann – dann läuft etwas falsch“, wirft Kurzawski ein. Bei der Standortwahl geht es in erster Linie um Zahlen, Daten und Fakten. Da bleiben dann zwei oder drei Objekte in der engeren Wahl. Die Entscheidung wird zwar mit Zahlen, Daten und Fakten untermauert – die Entscheidung selbst bleibt emotional.

Der Marke Leben einhauchen

Bei der Marke müssen wir viel weiterdenken. Kurzawski: „Moderne Markenpolitik bedeutet, der Marke Leben einzuhauchen. Marken müssen aktive Beziehungen zu den Menschen eingehen. Das beste Beispiel sind Smartphones. Es gibt viele technologisch bessere Smartphones – aber alle wollen ein iPhone.“ Heiss: „Die Experience ist entscheidend. Beim Budget gelten rationelle Gründe. Bei der Entscheidung kommt Emotion hinzu – bei jedem Manager.“

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