Wo Papier zu Beton wird – so finanzieren Kommunen ihre Projekte

Was tun bei leeren Kassen. Einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in diesem Land ist der Bau. Bei der Auftragsvergabe steht der öffentliche Bereich ganz vorne. Doch wie kommen Städte an das Geld dafür?

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Was tun bei leeren Kassen. Einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in diesem Land ist der Bau. Bei der Auftragsvergabe steht der öffentliche Bereich ganz vorne. Doch wie kommen Städte an das Geld dafür?

Im Westen der Republik setzt man zum Großteil auf Eigenmittel: So finanzierte die Stadt Innsbruck alle Investitionsprojekte im Rahmen der Stadtentwicklung bis zum vergangenen Jahr aus städtischen Eigenmitteln, 2015 legt die Tiroler Landeshauptstadt einen ausgeglichenen Haushalt vor, erläutert Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer: „Zur Finanzierung von Groß- und Infrastrukturprojekten, wie etwa dem Ankauf des Patscherkofels, haben wir zuletzt ein Darlehen von 20 Millionen Euro bei der Sparkasse aufgenommen. Mit Blick auf das Budget der Stadt Innsbruck 2015 lässt sich zusammenfassen: 330,5 Millionen Euro an Gesamteinnahmen stehen rund 340 Millionen Euro an Gesamtausgaben gegenüber.“

Der außerordentliche Haushalt umfasst in Innsbruck im Jahr 2015 rund 82 Millionen Euro, die in eine Vielzahl an Großprojekten investiert werden, die sich in Planung oder Umsetzung befinden: „Dazu zählt beispielsweise das Wohn- und Pflegeheim Olympisches Dorf mit rund 22 Millionen Euro. Wir investieren bei den Innsbrucker Wohn- und Pflegeheimen massiv in den pflegerischen Bereich und die Betreuung“, so Oppitz-Plörer. „Generell sind Finanzierungen derzeit sehr günstig. Der Kapitalmarkt bietet im Augenblick besonders billige Möglichkeiten, von denen wir als Stadtgemeinde profitieren“. Genauer lässt sie sich allerdings nicht in die Karten schauen – wie die Verzinsung exakt ausschaut, sagt Oppitz-Plörer nicht.

Nur so viel: In Innsbruck ist die Finanzierung von Großprojekten, wie etwa die Straßen- und Regionalbahn, die mit rund 400 Millionen Euro zu Buche schlägt, üblicherweise längerfristig angelegt: „Wir führen auch Verhandlungen mit den großen Bankinstituten, um eine optimale Finanzierung solcher Projekte sicherzustellen“, sagt die Bürgermeisterin.

Die Alpenstadt wächst

Die Stadtentwicklung läuft jedenfalls auf Hochtouren: Derzeit wird in der Olympiastadt am 1. Entwurf der Fortschreibung des Örtlichen Raumordnungskonzeptes (ÖROKO`25) gearbeitet. Darin wird die räumliche und funktionelle Entwicklung der Stadt für die nächsten 10 Jahre festgelegt, wobei die große Herausforderung im starken Bevölkerungswachstum und den dafür erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsräumen liegt. Auf Grund der Siedlungsflächenknappheit in Innsbruck wird deshalb die Strategie der Verdichtung und Umstrukturierung bereits genutzter Flächen forciert und nur zum geringeren Teil eine Baulanderweiterung vorgenommen, so Oppitz-Plörer.

Das größte der geplanten Stadterweiterungsprojekte liegt in Hötting West zwischen Universität und Kranebitten. Dort soll - unter Ausnutzung des Ausbaus der Regionalbahn als wichtige Infrastruktur für eine nachhaltige Stadtentwicklung - eine urbane Stadterweiterung mit Wohnungen, Arbeitsplätzen, Infrastrukturen und den notwendigen Grün- und Freiflächen entstehen.

Die bestehenden Südtiroler Siedlungen, die überwiegend im Eigentum gemeinnütziger Wohnbaugesellschaften stehen und teilweise eine niedere Dichte aufweisen, eignen sich auch auf Grund ihrer gut erschlossenen und integrierten Lage bestens für eine Verdichtung. Auf der Grundlage des in zweistufigen Wettbewerbsverfahren erarbeiteten Gesamtkonzeptes kann so unter Einbeziehung der Bewohner – bei Wahrung einer hohen Wohn- und Freiraumqualität – in Etappen eine große Anzahl neuer geförderter Mietwohnungen errichtet werden. Konkrete Projekte laufen derzeit in Pradl Ost, Bereich Thüringstraße, im Pradler Saggen und in Kürze auch im Eichhof.

Verlagern und verdichten

Die Strategie der Umstrukturierung wird in der Reichenau im Bereich rund um das ehemalige Campagnereiter-Areal verfolgt. Dort soll unter teilweiser Verlagerung bzw. Verdichtung bestehender Sportstätten ein lebendiges Stück Stadt mit einer großen Anzahl leistbarer Wohnungen und der erforderlichen Sozial- und Infrastruktur errichtet werden. „Bei der Vorbereitung und Implementierung von Stadtentwicklungsprojekten legt die Stadt Wert darauf, dass ein hoher Anteil an leistbarem Wohnraum entsteht und auch Beiträge zur Errichtung notwendiger Infrastrukturen seitens der GrundstückseigentümerInnen bzw. BauträgerInnen geleistet werden, wie zum Beispiel die kostenlose Zurverfügungstellung von Flächen für öffentliche Grünanlagen, allenfalls verbunden mit einem Beitrag zur deren Herstellung“, erläutert Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer.

Graz darf alles

So lautet der Slogan der Metropole der „Grünen Mark“. Die Fremdfinanzierung der Stadt Graz und ihrer Beteiligungen („Haus Graz“; Anm. der Redaktion) erfolgt jedenfalls seit einigen Jahren zentral für alle Bereiche (inklusive der Stadtentwicklung), erklärt der Abteilungsvorstand der Finanz- und Vermögensdirektion der steirischen Metropole, Karl Kamper: „Im langjährigen Schnitt werden insgesamt Fremdfinanzierungen von etwa 100 Millionen Euro p.a. aufgenommen, die „Haus Graz Investitionen“, also Stadtentwicklung im weitesten Sinn, betragen p.a. etwa 120 bis 150 Millionen Euro. Schwerpunkt dabei ist der Verkehr, aber auch Kanal- und Wasserversorgung, Schulbauten, Grünraum, Hochwasserschutz verschlingen erhebliche Anteile.“

Aus der Relation der obigen Ziffern ersieht man, so Kamper, dass etwa ein Drittel eigenfinanziert wird, was mit der Bauabgabe - etwa drei Millionen -, dem Kanalisationsbeitrag - etwa fünf Millionen - aus allgemeinen Budgeteinnahmen oder aus privatrechtlichen Finanzierungsbeiträgen von Bauwerbern bedeckt wird. „Letztere sind derzeit noch marginal, könnten aber künftig ein größeres Gewicht bekommen, da der Österreichische Stabilitätspakt 2012 in den kommenden Jahren die Obergrenze für Fremdfinanzierungen immer enger anziehen wird“, so der Grazer Säckelwart.

[caption id="attachment_1417" align="aligncenter" width="300"] © Fotolia / Zerbor[/caption]

Kreditinstitute am Rückzug

Da Banken sich infolge ihrer Kostenstruktur immer mehr aus dem Kreditgeschäft zurückziehen müssen, gewannen in den letzten Jahren Anleihen und Schuldscheindarlehen von institutionellen Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen auch in Graz immer mehr Bedeutung, sagt Kamper. Die Anleihen der Stadt Graz wurden bisher allerdings nicht als Publikumsanleihen klein gestückelt, weil dazu die Fixkosten wie Prospektpflicht oder Marketmaking im Verhältnis zum Volumen zu groß sind: „Bedeutender geworden ist in den letzten Jahren für Graz die Europäische Investitionsbank (Infrastrukturbank der EU, EIB; Anm), die bestimmte Projekte zu maximal 50 Prozent des Investitionsvolumens fremdfinanziert“, meint Karl Kamper.

Finanzkrise schnalzt Aufschläge nach oben

Er gibt auch einen genauen Einblick in die Konditionen: „Für die Fremdfinanzierung haben die - bonitätsmäßig guten - Gemeinden wie Graz bisher Top-Konditionen bekommen, die Aufschläge auf Euribor oder laufzeitkonformen Swapsatz betragen in der Regel 0,05 bis 0,8 Prozent p.a.“. Und Kamper ergänzt: „Vor der Finanzkrise waren allerdings die Aufschläge praktisch null“.

Bei Laufzeiten von 20 und mehr Jahren und einem Fixzinssatz für die gesamte Laufzeit sind das derzeit all-in Zinssätze unter zwei Prozent. „Bei variabel vereinbarten Zinssätzen ist das derzeit noch wesentlich darunter, jedoch fährt die Stadt Graz seit einigen Jahren eine weitgehende Fixzinsstrategie, damit ein starker Zinsanstieg zum Beispiel nach fünf Jahren nicht zu extremen Zinshöherbelastungen führt - der Euribor von derzeit praktisch 0 war noch vor einigen Jahren bei über fünf Prozent!“ Mit der HETA-Krise ist eine gewisse Verunsicherung ausländischer Investoren gegenüber österreichischen Gläubigern eingetreten und es bleibt zu hoffen, so Kamper, dass Städte mit zukunftsweisenden Konzepten und Strategien auch künftig gute Margen bekommen. Aktuell fließt das Geld in Projekte wie Smart City, Reininghaus und viele andere, erklärt der Grazer Finanzchef.

KAMPER, Karl„Im Finanzausgleich muss die Stadtentwicklung inklusive Verkehrsplanung als wesentliche Aufgabe definiert werden.“ - Karl Kamper, Abteilungsvorstand der Finanz- und Vermögensdirektion der Stadt Graz

Das Ende der Gießkanne?

Und schwerwiegende budgetäre Hürden stehen bevor: „Im bis 2017 neu zu verhandelnden Finanzausgleich muss die Stadtentwicklung inklusive Verkehrsplanung als wesentliche Aufgabe definiert werden und somit der – allseits angepeilte – „aufgabenorientierte Finanzausgleich“ zusätzliche Eigenmittel für diesen Bereich schaffen“, sagt Karl Kamper. Er fordert: „Die derzeitigen „Gemeinde-Bedarfszuweisungsmittel“, welche bundesländerweise uneinheitlich und intransparent mit der Gießkanne für diverse Zwecke auf die Gemeinden verteilt werden, sollten direkt einem Stadtentwicklungstopf - inklusive Verkehr - zugeordnet werden; bei einer weiteren Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, wie von manchen gefordert, müsste dieser Topf zusätzlich noch aus den allgemeinen Steuermitteln aufgestockt werden, sonst könnte es unter dem Strich sogar zu einer Einschränkung der eigenfinanzierten Stadtentwicklung kommen.“

Für privatrechtliche Infrastrukturbeiträge bestehen derzeit bundesländerweise rechtliche Unterschiede und könnten legistische Klarstellungen/Vereinheitlichungen für wesentlich mehr Dynamik sorgen, legt der Abteilungsvorstand der Finanz- und Vermögensdirektion der Stadt Graz, Karl Kamper, dem Gesetzgeber ans Herz.

An der Traisen und „mitten in Europa“

In Niederösterreichs Landeshauptstadt St. Pölten setzt man bei der Finanzierung der Stadtentwicklung auf Darlehen, Rücklagen und Überschüsse der laufenden Gebarung, sagt Finanzdirektor Thomas Wolfsberger. „Die Konditionen liegen beim 3M-Euribor mit Aufschlägen von 50 bis 100 Basispunkten. Die Finanzierungen laufen in der Regel zwischen zehn und 25 Jahren“.

Heuer schaufelt man das Geld in der niederösterreichischen Landeshauptstadt unter anderem in Investitionsprojekte wie die Generalsanierung der Franz-Jonas-Schule, die Weiterführung der archäologischen Grabungsarbeiten am Domplatz und die Errichtung der Park & Ride-Anlage beim Bahnhof.

Von der Kerntangente bis zum Krematorium

Auf der Agenda steht auch der Beginn von umfangreichen Sanierungsmaßnahmen in der Park & Ride-Anlage Hermann-Winger-Gasse, die Kerntangente Nord, die Errichtung einer Brücke über die B20/Leobersdorfer Bahn, kleinere Projekte wie die Sanierung von Brücken mit Kosten von 200.000 Euro, aber auch große Brocken wie die Errichtung einer neuen Kremationsanlage samt Bestattungsgebäude am städtischen Hauptfriedhof mit Gesamtkosten von 3,2 Millionen Euro. Essentiell dabei ist für Finanzdirektor Thomas Wolfsberger „eine langfristige Planung der Projekte für die Stadtentwicklung, um damit auch bessere Planungsmöglichkeiten für deren Finanzierung und den damit verbundenen Förderungen optimal nutzen zu können.“