Zimmer mit Aussicht

Wohnen in der Vertikalen. Angesichts der rasant steigenden Bevölkerung bei knappem Bauland erleben Wohn­türme in Wien eine echte Renaissance. Ein Hochhaus nach dem anderen schraubt sich in die Höhe oder ist in Planung.

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Wohnen in der Vertikalen. Angesichts der rasant steigenden Bevölkerung bei knappem Bauland erleben Wohn­türme in Wien eine echte Renaissance. Ein Hochhaus nach dem anderen schraubt sich in die Höhe oder ist in Planung.

Etwa die Hälfte der Hochhäuser in aller Welt wurde in den letzten zehn Jahren gebaut. Dieser Bauboom macht das Hochhaus zu einem prägenden urbanen Bestandteil. Auch in Wien sind in den vergangenen Jahren die Wolkenkratzer nur so aus dem Boden geschossen. Der Millennium -, der Ares -, der Andromeda - oder der vor einem Jahr fertiggestellte 250 Meter hohe DC-Tower bestimmen beispielsweise den Horizont an der Donau. Doch bei den Bürotürmen ist die Luft mittlerweile sehr dünn geworden sein. So sind im höchsten Gebäude Österreichs, dem DC-Tower mit seinen 93.600 Quadratmetern, noch längst nicht alle 60 Stockwerke vermietet. Laut Insidern und Maklern soll „noch Platz auf mehreren Tausend Quadratmetern“ sein. Fakt ist: Der Wiener Büroimmobilienmarkt schwächelt. Wurden im Jahr 2014 in Wien rund 220.000 Quadratmeter neue Büros vermietet, so sollen heuer nur mehr etwa 130.000 Quadratmeter Büroflächen neu gebaut werden.

[caption id="attachment_664" align="alignleft" width="225"]TRIIIPLE (c) ImmoFokus TRIIIPLE (c) ImmoFokus[/caption]

Dafür ist Wohnraum gefragter denn je. Wiens Bevölkerung ist in den letzten Jahren um die Bevölkerungsgröße der Stadt Linz angewachsen, bei stark steigender Tendenz. Und während einst vor allem Wirtschaftsbosse in ihren Büros hoch über den Wolken thronten, dürfen künftig immer mehr Wohnungssuchende darauf hoffen, dass sie bald einen Ausblick auf die Stadt aus luftiger Höhe genießen dürfen. Bauträger und die Stadt Wien setzen nämlich verstärkt auf das Comeback des Wohnturms. „Die heutigen städtischen Wohntürme haben nichts gemein mit Hochhäusern in Wohnghettos, wie sie einst in den Randbezirken entstanden sind“, sagt Marc K. Thiel, Geschäftsführer der Soravia Capital GmbH. Neue Wohntürme sind keine Massenware und keine Wohnsilos mehr. Sie werden mit großem Aufwand geplant und bieten vielfältige Wohnungstypen und Grundrisse sowie komfortable Zusatzangebote wie Concierge und Sharing Services. Damit fügen sich die Immobilien nicht nur harmonisch in die Stadtlandschaft ein, sondern entsprechen auch allen Bedürfnissen ihrer vielseitigen und unterschiedlichen Bewohner.

Dass die neue Lust an der Höhe um sich greift, will Projektentwickler Soravia Group mit ihren Danube Flats an der Neuen Donau unter Beweis stellen und bis 2018 einen der höchsten Wohntürme Europas realisieren. Der Wohnturm wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum höchsten Wolkenkratzer der Stadt – dem DC Tower – sowie zu anderen Hochhäusern in der Donau City entstehen. Auf bis zu 47 Geschossen werden die Danube Flats Platz für rund 500 freifinanzierte Eigentums- und Vorsorgewohnungen bieten. Bei 150 Metern Höhe ist aktuell eine Gesamtnutzungsfläche von rund 38.000 Quadratmetern vorgesehen. Allerdings ist rund um den geplanten Bau der Danube Flats ein heftiger Streit mit den Anrainern entflammt. Die „Initiative Kaisermühlen“ will die Errichtung des 150 Meter hohen Wohnturms „vor ihrer Nase“ verhindern.

Die Soravia Group hat in der Bundeshauptstadt noch ein zweites Megaprojekt in der Pipeline: Zusammen mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ist auf dem Gelände des ehemaligen Zollamtsgebäudes in Wien-Landstraße ein Büro- und Wohnkomplex mit drei Türmen geplant. Bis 2018 sollen drei überragende Türme mit dem Namen „TRIIIPLE“ entstehen. Mit einer noch nicht fixierten Höhe - je nach Widmung bis zu 100 Meter hoch - stellen die drei Türme dann ein imposantes und weithin erkennbares Hochhaus-Ensemble dar, welches mit zahlreichen exklusiv eingerichteten Wohnungen und modernsten Büro- und Gewerbeflächen punkten will. Mit einer Nutzfläche von bis zu 80.000 Quadratmetern sprechen die Entwickler von „bis zu 1.000 Wohnungen.“ Die Kosten liegen bei über 400 Millionen Euro.

[caption id="attachment_665" align="alignright" width="300"]Danuble Flats (c) ImmoFokus Danuble Flats (c) ImmoFokus[/caption]

Zwei andere Türme, allerdings in „Transdanubien“, - Leopoldtower und Citygate – sind bereits kurz vor ihrer Fertigstellung. Hier ist der oberste Bauherr Georg Stumpf, der vor 15 Jahren den Millennium Tower realisierte. Bereits im Juli dieses Jahres werden im Norden der Stadt, bei der U1-Station Aderklaaer Straße, die ersten Bewohner in die neuen Wohntürme einziehen können. Der 100 Meter hohe Citygate Tower war ursprünglich als Büroturm geplant, nun entstehen dort aber insgesamt 282 Wohnungen; bis zum 26. Stock sind es geförderte Mietwohnungen, vom 27. bis zum 35. Stock entsteht 74-mal frei finanziertes Eigentum. An der Bauherrengemeinschaft Citygate Living GmbH sind elf gemeinnützige und gewerbliche Bauträger beteiligt, vermarktet werden die Wohnungen vomgemeinnützigen Bauträger Bauhilfe. Die geförderten Wohnungen sollen bereits fast alle vergeben sein.

Den angrenzenden 85 Meter hohen Leopoldtower realisiert der Investment-Club 6B47 gemeinsam mit dem Siedlungswerk (ÖSW). Insgesamt 302 frei finanzierte Wohneinheiten werden in dem ersten Hochhaus der ÖSW-Gruppe errichtet. Es bietet alles: vom room4rent-Apartment für Kurzzeitmiete über Mietwohnungen mit praktischen Grundrissenbis hin zum Penthouse mit 155 Quadratmetern Wohnfläche. Das vom Architekturbüro querkraft entworfene Hochhaus weist mit unterschiedlich auskragenden Loggien und Balkonen entlang jedes Stockwerkes eine außergewöhnliche Gestaltung auf. Die optimale Infrastruktur, das Gartendeck, ein Concierge, eine Sauna und ein Fitnessraum im Haus und nicht zuletzt die rund 50 Shops im Einkaufszentrum „Citygate“, das bereits seine Pforten geöffnet hat, runden das Angebot ab. Auch an Parkplätzen soll es nicht mangeln: Eine Tiefgarage bietet ca. 780 Parkplätze – direkt neben dem Projekt befindet sich zudem eine Park- & Ride-Anlage, die mit weiteren rund 1.470 Stellplätzen zur Entlastung des Stadtverkehrs beitragen soll.

Hauptbahnhof Areal

Das Areal rund um den neuen Hauptbahnhof ist ein weiteres wichtiges Stadtentwicklungsgebiet Wiens. Im Norden des Hauptbahnhofes liegt das Quartier Belvedere, vorwiegend ein Büro- und Businessviertel mit erstklassiger Verkehrsanbindung und unmittelbarer Nähe zur Wiener Innenstadt.

[caption id="attachment_666" align="alignleft" width="300"]The Icon Vienna (c) signa The Icon Vienna (c) signa[/caption]

Mit dem Quartier Belvedere Central (QBC) entsteht ein neuer Office- und Wohnstandort mit 80.000 Quadratmetern Büro- , 26.000 Quadratmetern Hotel- und 24.000 Quadratmetern Wohnfläche und Gebäudehöhen bis zu 60 Metern, errichtet durch Strauss & Partner. Nach der geplanten Fertigstellung 2017/18 wird das QBC allerdings schon vom zukünftigen Nachbarn überragt: Unter der Bezeichnung „The Icon Vienna“ errichtet die Development Immobilien EntwicklungsGmbH unter der Holding von René Benko auf einer Fläche von 8.236 Quadratmetern ein modernes Multi-Use-Objekt mit 96.000 Quadratmetern und drei eigenständigen Gebäuden in unterschiedlichen Höhen – wobei der höchste Tower mit 88 Metern Höhe gleichzeitig auch das höchste Gebäude im Quartier Belvedere und zu einer neuen Landmark am Wiedner Gürtel werden soll.

In den unteren Ebenen soll eine Begegnungszone mit Einzelhandel, gastronomischen Angeboten und einem Konferenzzentrum entstehen. Sie bietet einen direkten Zugang zur neu errichteten Bahnhofshalle. Der Beginn der Bauarbeiten ist noch für 2015 geplant. Nach ca. zweijähriger Bauzeit soll das Projekt Ende 2017 fertiggestellt werden. Der geplante dreitürmige Bürokomplex, ein Projekt der Signa Holding von René Benko, soll 96.000 Quadratmeter umfassen.

Erdberger Mais

Im künftigen Stadtteil „Erdberger Mais“, nahe den Gasometern, sind drei weitere bis zu 110 Meter hohe Hochhäuser in Planung. Mehr als 1.000 Wohnungen sollen errichtet werden, 20 Prozent davon frei finanziert, 80 Prozent im Rahmen der Wohnbauinitiative. Das bedeutet, auch sie werden frei finanziert, aber mit Auflagen. Die Bauträger erhalten günstige Darlehen der Stadt Wien, die Mieter zahlen dafür weniger Eigenmittel und auf zehn Jahre niedrige Mieten, danach marktübliche Preise für Neuvermietungen. In bestehende Mietverträge wird jedoch nicht eingegriffen. Geplanter Baubeginn ist 2016, eröffnen will man 2017.

Turm mit Taille

In unmittelbarer Nähe zum Erdberger Mais soll neben den Gasometer-Türmen bzw. der U-Bahn-Station Erdberg ein weiterer neuer Turm gebaut werden, der vom niederländischen Architektenbüro MVRDV entworfen wurde. Damit die bereits bestehenden Gebäude rundherum nicht durch den Schatten des Turms unter Lichtmangel leiden, wurde eine Lösung gefunden, die zusätzlich auch noch dafür sorgt, dass das Gebäude ein echter Hingucker wird. Die obersten 20 Stockwerke sind leicht gedreht, der Turm bekommt so quasi eine „Taille“. Unterirdisch entstehen Parkplätze, im oberen Teil des Gebäudes ist Platz für Geschäfte, Restaurants, Büros und Wohnungen. Über die Kosten des Projekts der BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH sind noch keine Angaben gemacht worden.

Marina Tower

Mit einer Planungszeit von acht Jahren ist der Marina Tower an der U2-Station Donaumarina in Wien Österreichs privates Bauprojekt mit der längsten Vorgeschichte. Der Grund: die Flaute am Büromarkt. Bereits 2013 beschlossen die Entwickler IES (Markus Teufel), die OeNB-Tochter IG Immobilien und die Bank Austria, statt Büros Wohnungen zu errichten. Bald sollen laut Wirtschaftsblatt die Bagger ausrücken, das Umwidmungsverfahren von Büro- auf Wohnnutzung sei abgeschlossen. Nach zweijähriger Bauzeit wäre der Marina Tower dann bezugsbereit. „Auf 42.000 Quadratmetern Fläche sind rund 500 Wohnungen geplant“, wird Hermann Klein, Geschäftsführer von IG Immobilien, zitiert.

[caption id="attachment_667" align="alignright" width="256"]Marina Tower (c) ImmoFokus Marina Tower (c) ImmoFokus[/caption]

Der Turm soll aus zwei Gebäudeteilen bestehen, einem Flachbau neben einer Überplattung des Handelskais und direktem Zugang zur Donau und einem Hochhaus, das mit 130 Metern Höhe das zehnthöchste Gebäude der Stadt wird - mit unverbaubarem Wienblick. Das Projektvolumen wird in den Medien mit rund 130 Millionen Euro beziffert.

„Eisiges“ Hochhaus

Ein weiteres Projekt mit turbulenter Vorgeschichte ist das Hochhausprojekt beim Wiener Eislaufverein, das Bauherr Michael Tojner mit seiner „Wertinvest“ realisieren will. Vor allem die Höhe des Projekts mit 73 Metern sorgt für heftige Debatten. Sogar die Gefahr, dass Wien den Status als Weltkulturerbe der UNESCO verlieren könnte, wird von Gegnern des Projekts in den Raum gestellt. Auch fürchtet der traditionelle Wiener Eislaufverein um die Größe seiner Eisfläche. Tojner und die JP-Immobiliengruppe kauften 2012 zu einem marktüblichen Preis von 50 Millionen Euro das Areal - Intercont plus Eislaufverein, der dort bis 2058 einen Mietvertrag hat. Das Projekt, welches von Beginn an sehr transparent entwickelt wurde, sieht Folgendes vor: Das Hotel InterContinental bleibt bestehen und soll bei gleichbleibender Zimmeranzahl wieder Wiens bedeutendstes Kongresshotel werden.

Im einem Neubau am Heumarkt werden u.a.Büroflächen geschaffen. Er soll auch das benachbarte Konzerthaus entlasten und „Serviced Apartments“, Kleinwohnungen für Künstler oder Geschäftsleute, jeweils für einige Wochen, zur Miete anbieten. Diese privat finanzierten, jedoch großteils öffentlichen Angebote werden durch Eigentumswohnungen im „Turm“ (Gesamtfläche: 8.000 Quadratmeter) ermöglicht. Die Investitionssumme für das Projekt beläuft sich auf rund 220 Millionen Euro, wobei die erzielbaren Erträge aus den Eigentumswohnungen (25.000 Euro pro Quadratmeter) die privaten Aufwendungen für die öffentlichen Nutzungen abdecken würden. Dies soll jedenfalls in einer Vereinbarung mit der Stadt Wien festgeschrieben worden sein.

[caption id="attachment_668" align="alignleft" width="300"]Eislaufverein Tojner (c) Tojner Eislaufverein Tojner (c) Tojner[/caption]

Geplanter Baubeginn ist frühestens März 2017. Fertig sein könnte das Siegerprojekt des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld dann in den Jahren 2019/2020. Derzeit sind noch mehrere Prüf- und Widmungsverfahren im Gang.