Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben

Gebäudesicherheit. Die Kriminellen rüsten auf. Viele Betreiber von Büroimmobilien sind sich der damit verbundenen Gefahren noch nicht bewusst.

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Gebäudesicherheit. Die Kriminellen rüsten auf. Viele Betreiber von Büroimmobilien sind sich der damit verbundenen Gefahren noch nicht bewusst.

Was auch immer die Ursache war, ein erhöhter Einbruchschutz war im Jahr 2015 vielen Österreichern ein wichtiges Anliegen. Die Nachfrage nach Sicherheitstüren der höchsten Sicherheitsklasse stieg sogar um 300 Prozent, wie aktuelle Daten im Branchenradar „Haustüren, Wohnungs- & Sicherheitstüren in Österreich 2016“ von Kreutzer Fischer & Partner Consulting zeigen.

Das Jahr 2015 war für die Anbieter von Sicherheitstechnik erfreulich wie schon lange nicht. In praktisch allen Warengruppen stiegen Nachfrage und Umsatz substanziell. Im Vergleich zu 2014 wuchs etwa die Anzahl der verkauften Alarmanlagen um 14 Prozent oder der an und für sich stabile Markt für Sicherheitszylinder (vulgo Sicherheitsschlösser) um fünf Prozent. Und das trotz der Tatsache, dass im Jahr 2015 die Anzahl der angezeigten Einbrüche in Wohnungen und Eigenheime um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr sank. Denn wenn es um Sicherheit geht, zählen Fakten bekanntlich wenig, derweil Gefühl ganz viel. Und das subjektive Sicherheitsgefühl der Österreicher sinkt zweifelsohne.

Hat das Sicherheitsbedürfnis tatsächlich stark zugenommen? Der ImmoFokus hat eine Expertenrunde in den MillenniumTower in Wien Brigittenau gebeten, um der Frage nach der Gebäudesicherheit nachzugehen – und schon sind wir mitten im Thema. Alle sechs Teilnehmer wurden nicht ohne weiteres vorgelassen. Alle mussten sich beim Portier anmelden, wurden namentlich registriert (wenn auch ohne Ausweiskontrolle) und konnten erst mit einer eigenen Besucherkarte bewaffnet die Zugangskontrolle überwinden. Von frei bewegen im Turm keine Spur, die Karte berechtigt nur zum Aussteigen im Zielstockwerk.

Keiner der Experten fand daran Anstoß. „Das ist in einem Bürogebäude von der Größe des MillenniumTower ein normales Prozedere“, hält Alfred Czech, geschäftsführender Gesellschafter der Corporate Trust Business Risk & Crisis Management, fest. Czech gilt als ausgesprochener Sicherheitsexperte. Seine Karriere umfasste unter anderem die Leitung von Sondereinsätzen, die Abwehr von Angriffen der Organisierten Kriminalität (OK) und die sicherheitsstrategische Planung in diversen Organisationen. Im Zuge des Studiums für integriertes Sicherheitsmanagement an der FH Campus Wien erwarb er Zertifizierungen als Risikomanager, Krisenmanager und Qualitätsmanager. „Das Thema Sicherheit wird von vielen Unternehmen nach wie vor auf die leichte Schulter genommen“, so Czech.

(Zu) viele Vorschrfiten

Schnell ist sich die Gruppe einig: In den gewerblich genutzten Gebäuden ist das Thema Gebäudesicherheit längst angekommen. Wobei für Herwig Kroat, Leitung Baumanagement EHL Immobilien Management, bei der ganzen Diskussion um Zutrittskontrollen der Bereich Brandschutz, Erdbebensicherheit usw. nicht außer Acht gelassen werden darf. Czech: „Dieses Thema haben wir, so glaube ich, im Griff. Da gibt es genügend Vorschriften und gesetzliche Auflagen, die auch regelmäßige Überprüfungen vorschreiben. Dass man da was tun muss und sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, ist in den Köpfen, so glaube ich, längst angekommen.“ So rasch will Kroat aber das Thema nicht abgehandelt wissen.  „Fassade, Dach, Allgemeinflächen wie Gänge oder Keller, Fenster, Türen, Außenanlagen, Aufzüge und andere technische Anlagen - Eigentümer eines Gebäudes sind verpflichtet, dessen Bauzustand zu überwachen, und sind damit im Rahmen der Gebäudesicherheit mit beachtlichen Prüf- und Kontrollpflichten konfrontiert.“

Roundtable Gebäudesicherheit _ 067 @ cityfoto

Enormer Kostentreiber

„Das sind aber enorme Kostentreiber. Denken Sie zum Beispiel an den verpflichteten Einbau von Brandmeldern in Kärnten. Oder an die Erdbebensicherheit. Hier werden bei manchen Gefährdungsklassen, obwohl die Eintrittswahrscheinlichkeit gegen 0 geht, Maßnahmen vorgeschrieben, die wirklich ins Geld gehen.“ „Verschärft wird dies durch die Tatsache, dass viele dieser Bestimmungen Landessache sind“, ergänzt Florian Hörmann, Prokurist  IMV Immobilien Management.

Ernst Gassner – Project Development/Project Management  Strauss & Partner Development. „Technisch ist in der Gebäudesicherheit vieles möglich. Doch die Technik allein macht es nicht, wenn nicht auch die internen Prozesse darauf abgestimmt sind.“ Ein weiterer Schwachpunkt seien die freien, öffentlichen Flächen. „Diese sind nicht kontrollierbar. Hier haben Sie keine Handhabe, hier sind sie auf die Unterstützung der Behörden angewiesen.“ Natürlich könne man, wenn man früh genug eingebunden sei, in der Planung Gegenmaßnahmen setzen, um diese Gefahren abzufedern. „Man darf die Augen nicht verschließen und muss sich diesem Bedrohungsszenario widmen“, so Wimmer. Wichtig ist, dass man den Nutzern die subjektive Angst nimmt. Hörmann: „Man kann ja wirklich viel tun, aber irgendwann einmal ist es zu viel.“ Oft würden Kleinigkeiten helfen. „Sauberkeit ist so ein Signal: Hier schaut jemand nach. Hier kümmert sich jemand um die Immobilie.“ Bei gewerblich genutzten Liegenschaften könne eine erhöhte Frequenz des Sicherheitsdienstes allein schon Wirkung zeigen. Einkaufscenter, Bahnhöfe, U-Bahnstationen zählen zu den beliebten Treffpunkten von jugendlichen Kleinkriminellen.

Moderne Kriminelle kommen mit dem iPad

„Eines dürfen wir nicht vergessen“, mengt sich nun Czech wieder ein,  „auch die Kriminellen rüsten auf.“ Die Kleinkriminellen seien nicht unbedingt das Problem. „Der moderne Einbrecher kommt nicht mit der Brechstange, der kommt mit dem iPad.“ Da hat Czech natürlich Recht – siehe FACC. Da musste nun sogar der langjährige und durchaus erfolgreiche Chef Walter Stephan gehen. Er wurde wenige Stunden vor der bereits anberaumten Bilanzpressekonferenz „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund abberufen.“ Er habe rund um den millionenschweren Cyber-Betrugsfall  seine Pflichten „schwerwiegend verletzt“. Für den Betrug bei der oberösterreichische Firma FACC soll ein interner Mitarbeiter benutzt worden sein. „Die schwächste Stelle im System ist der Mensch. Viele Angriffe kommen von innen. Dessen müssen wir uns bewusst sein.“ Daher bedeute dies auch „Vorsicht bei der Auswahl der Mitarbeiter, die mit Sicherheitsmaßnahmen zu tun haben“.

„Am Flughafen Wien haben wir viele Immobilien mit durchaus unterschiedlichen Sicherheitsstandards“, berichtet Wolfgang Scheibenpflug, Flughafen Wien AG. „Viele – vor allem internationale – Unternehmen fordern höchste Sicherheitsstufen. Andere wiederum verzichten völlig darauf.“ Bei ganz besonders sensiblen Flächen reiche sogar der Fingerabdruck nicht mehr aus. „Wir haben Handscanner installiert. Sicherer geht’s fast nicht.“ Auch bei den Mitarbeitern gehe man bei der Überprüfung einen Schritt weiter, um das Gefährdungspotential so weit wie möglich zu minimieren. „Da reicht ein Leumundszeugnis nicht mehr aus.“ Die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen selbst weiter zu verschärfen, davon hält Scheibenpflug nichts. Diese würden den „Ort der Gefährdung nur verlegen“.

Roundtable Gebäudesicherheit _ 045 @ cityfoto

Nach den Terroranschlägen von Brüssel ist eine Debatte darüber entbrannt, ob Personen bereits vor Betreten des Flughafengeländes kontrolliert werden sollen. Die Attentäter hatten ihre Sprengsätze im öffentlichen Bereich des Brüsseler Flughafens gezündet. „Dann zünden sie ihre Sprengsätze halt woanders.“

Scheibenpflug warnt vor überzogenen Maßnahmen: „Der Preis für die absolute Sicherheit ist der gläserne Mensch. Die Frage ist nur, wie hoch kann ich den Preis hinauftreiben?“ Natürlich sei der Flughafen ein Sonderfall. Hier aber zeige sich, was alles bereits möglich sei. „Jeder Besucher wird vielfach durch Kameras erfasst. Bei der Einfahrt auf das Gelände, beim Lösen eines Parktickets …. Die Frage ist: Will ich das? Bin ich bereit, diesen Preis zu zahlen?“ Das ist das richtige Stichwort für Czech. „Wenn Sie wollen, können Sie schon die automatische Übermittlung ihres Standortes ausschalten.“ Wie das geht? „Ganz einfach. Ihr Mobiltelefon hält ständigen Kontakt mit den Zellen der Funkanlagen. Das können Sie unterbinden. Ihr Mobile meldet sich dann einfach automatisch nicht mehr bei der Zelle an.“

Stirb Langsam Trilogie

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Kriminelle ein Bürogebäude in Geiselhaft nimmt“, wirft Czech ein, der sich im gleichen Atemzug mit einem breiten Lächeln als Berufsparanoiker bezeichnet. „Der dreht dann die Heizung auf 30 Grad und lässt niemanden mehr raus – oder stoppt alle Aufzüge.“ Aber ist der Gedanke so absurd? Nein. Zumindest ist man in Hollywood von einem realistischen Szenario ausgegangen. Wer kennt ihn nicht, den ersten Teil der „Stirb Langsam Trilogie“ mit Bruce Willis als John McClane. „Da wird gezielt nach offenen Ports gesucht, um das System unter Kontrolle bringen zu können oder aber den Nutzer auszuspähen. Da gibt es Bedrohungen, von denen wir noch keine Ahnung haben.“

Quelle: cityfoto
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