Zukunftsvisionen entwickeln

Veränderung. Der Begriff „Kulturelles Erbe“ umfasst mittlerweile wesentlich mehr als die verschiedenen Einzeldenkmäler, ist der Regensburger Welterbekoordinator Matthias Ripp überzeugt. Und weil er so umfassend ist, braucht man dafür auch ganzheitliche Managementansätze.

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Veränderung. Der Begriff „Kulturelles Erbe“ umfasst mittlerweile wesentlich mehr als die verschiedenen Einzeldenkmäler, ist der Regensburger Welterbekoordinator Matthias Ripp überzeugt. Und weil er so umfassend ist, braucht man dafür auch ganzheitliche Managementansätze.

ripp-matthiasWir sind mittlerweile bei der dritten Generation des Begriffs „Kulturerbe““, sagt Matthias Ripp. Seien darunter anfangs tatsächlich nur Einzeldenkmäler verstanden worden, habe man später schon ganze Ensembles darunter subsumiert. „Heute allerdings muss man den Begriff als Gesamtheit, also vom Gebäude über dessen Nutzung bis hin zu den im Gebäude aufbewahrten Dokumenten, verstehen“, erklärt Ripp. Schließlich würden auch die Bürger ihre Städte so wahrnehmen, sei doch die Stadt für sie „ein Erleben“.

Dazu kommen noch die vielfältigen Herausforderungen, denen sich Städte heute zu stellen haben – vom Klima- und demographischen Wandel über die Digitalisierung bis zum Verkehr und der Lebensqualität. All diese Themen müssten unbedingt mit dem Erhalt von Kulturerbe verknüpft werden, um die Balance zwischen Bewahren und nachhaltiger Entwicklung finden zu können. „Der Blick auf ein Gebäude allein ist zu wenig. Um mit Kulturerbe 3.0 umgehen zu können, sind ganzheitliche Managementansätze gefragt“, ist Ripp überzeugt. Nur so könnten  attraktive, wettbewerbsfähige und multifunktionale historische Stadtlandschaften entstehen. Das wiederum würde das Verständnis und die Wertschätzung des Kulturerbes in den historischen Städten fördern.

Wie das funktionieren kann, hat  das URBACT II Projekt HerO, das von 2008 bis 2011 gelaufen ist, gezeigt. In diesem Kontext hatte sich das Netzwerk „HerO – Heritage as Opportunity“, eine Städtepartnerschaft zwischen Regensburg (Lead Partner, Deutschland), Graz (Österreich), Neapel (Italien), Wilna (Litauen), Schäßburg (Rumänien), Liverpool (Großbritannien), Lublin (Polen), Poitiers (Frankreich) und Valletta (Malta), die Entwicklung integrierter und innovativer Managementstrategien für historische Stadtlandschaften zum Ziel gesetzt. Um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit historischer Stadtquartiere zu stärken, galt es, die richtige Balance zwischen dem Erhalt des baukulturellen Erbes und der nachhaltigen, zukunftstauglichen sozioökonomischen Entwicklung der Städte zu fördern. Schwerpunkte wurden dabei auf die Lösung von Interessenskonflikten sowie auf die Aktivierung des Potentials von historischem Erbe für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitäten gelegt („Heritage as Opportunity“ = Kulturerbe als Chance). Um die Umsetzung der Netzwerkerkenntnisse auf lokaler Ebene zu gewährleisten, hat jede Partnerstadt eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe (Local Support Group) ins Leben gerufen. Unter Einbeziehung aller relevanten Akteure wurden zukunftsorientierte Stadtentwicklungspläne, sogenannte „Managementpläne“, für die Altstadtgebiete erarbeitet. Zu den offensichtlichsten Herausforderungen zählten der Erhalt einer oft großen Anzahl an historischen Gebäuden, die Notwendigkeit zur Integration neuer Infrastruktur und die Anpassung der historischen Bausubstanz an die Bedürfnisse der Einwohner und Besucher von heute.

Gemeinsam statt einsam

Dazu gehöre auch die Einbindung unterschiedlichster Player – von der Stadtverwaltung über Eigentümer und NGOs bis zu den Bürgern. Kommunikation und Beteiligung seien somit zentrale Elemente dieser integrierten Strategien. Governance of Urban Heritage sei für ihn daher das gelungene Zusammenspiel von öffentlicher Verwaltung und privaten Interessensvertretern, um nachhaltig mit kulturellem Erbe umzugehen und Lebensqualität zu schaffen. Dabei gehe es jedoch nicht darum, widersprechende Interessen unter einen Hut zu bringen, sondern vielmehr darum, Zukunftsvisionen zu entwickeln. „Stadt heißt gleichzeitig Veränderung, damit muss man klug umgehen“, sagt der Welterbekoordinator. Man müsse sich auf alle Fälle bewusst sein, dass historische Gebäude enorme Ressourcen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aktivitäten, bergen würden.

Überzeugt ist Ripp auch davon, dass man Kommunikation und Beteiligung nicht voneinander trennen könne: „Es gibt keine Beteiligung ohne vorhergehende Kommunikation.“

Auch die mit der Bewahrung des kulturellen Erbes befasste Branche habe eine ganz andere Rolle bekommen. „Wir sind nicht die, die alles besser wissen“, sagt Ripp. Man müsse den Bürgern also nicht nur sagen, warum das Kulturerbe wichtig sei, sondern diese auch nach ihren Wünschen und Vorstellungen fragen. Durch diesen Dialog könne wiederum viel Neues entstehen. Damit verbunden sei für die Verwaltung die Herausforderung, Menschen mit einem breiten Hintergrund- und nicht mehr nur mit Spezialwissen zu finden. Ripp: „Die Verantwortlichen für Kulturerbe sollen unter anderem auch etwas von Kommunikation, Beteiligungsverfahren und Moderation verstehen.“ Das Problem sei jedoch, dass diese Art von Generalisten europaweit derzeit kaum zu finden sei, gehe doch auch in der Ausbildung in der Regel der Trend hin zu immer mehr Spezialisierung. „Wir sind also gefordert, neue Konzepte, wie man diese Generalisten und Querdenker ausbilden kann, zu entwickeln“, sagt Rupp. Und zwar sowohl im Bereich der Aus- als auch der Weiterbildung.


“The meaning of cultural heritage is presently in the third generation.” Matthias Ripp explains that first only individual monuments were covered, later ensembles were added and now the usage of a building as well as the documents inside are included. This is how residents perceive their city – as an “experience.”

Other challenges that cities face include climate and demographic changes, digitalization, traffic and the quality of life. The balance between sustainable growth and preservation of cultural heritage ties in with these topics.  “Simply looking at a building is not enough, cultural heritage now requires a holistic management approach to create attractive, competitive and multifunctional historical cityscapes,” says Ripp. He believes this will increase the understanding and appreciation of cultural heritage in historic cities.

The URBACT II “Project HerO” (2008 to 2011) reinforced this idea by creating a network (“Her0 – Heritage as Opportunity”) between Regensburg (leading partner, Germany), Graz (Austria), Naples (Italy) and Vilnius (Lithuania). Further cities aiming at creating innovative management strategies for historical urban landscapes are Sighisoara (Romania), Liverpool (UK), Lubin (Poland), Poitiers (France) and Valletta (Malta). To manage local networks, local support groups were created. The goal was to increase the attractiveness and competitiveness of historical urban districts by finding the right balance between sustainable growth, future viability, socio-economic growth and the preservation of cultural heritage.  Solving conflicts of interests and activating the potential of historical heritage were necessary measures. Management plans for old city centers were developed. Challenges faced included the upkeep of historical buildings, the integration of new infrastructure and the adaption of historical building materials for the needs of the current residents and visitors.

Working together

Communication between the different parties – municipal administration, building owners and NGOs – is necessary and important. Matthias Ripp: Governance of urban heritage consists of public administration and private stakeholders working together to manage sustainable growth in connection with cultural heritage and increase the quality of life. “Cities mean change. This has to be dealt with intelligently.” Ripp believes that historical buildings have great economic, social and cultural value and that visions for the future are the priority. “Participation is not possible without prior communication,” says Ripp. The field surrounding the preservation of cultural heritage is changing. “We don’t have to tell the members of the public why cultural heritage is important. We have to ask them for their opinions and start the discussion to get new ideas. People with broad backgrounds are more important than those with just specialized knowledge. The people in charge of cultural heritage should have knowledge about communication, participation procedures and coordination. Such generalists are hard to find when education is increasingly trending towards specialization. “It is our job to find new approaches and create education systems that encourage unconventional thinkers and all-rounders.”