Positionen & Meinungen ESG Taxonomiekonforme Immobilien

Markus Huber, Managing Partner bei der CC Real Project Management und Auditor für EU-Taxonomie, erklärt im Interview, wie die Prüfungen für einzelne Immobilien als auch Portfolios in der Praxis durchgeführt werden.

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Taxonomiekonforme Immobilien

Obwohl die EU-Taxonomie bereits in Kraft getreten ist, herrscht aktuell noch immer Verwirrung vor allem im Bereich der Immobilien – wie fix ist das Klassifizierungssystem?  

Markus Huber: Der offizielle Release des delegierten Rechtsakts zur EU-Taxonomie hätte bereits mit 15.01.2021 erfolgen sollen. Auf Grund der vielen Rückmeldungen in der Konsolidierungsphase wird sich dieser weiterhin verzögern. Trotzdem soll die EU-Taxonomie rückwirkend ab 01.01.2021 gültig sein.  Nicht nur, dass sich der offizielle Release verzögert, auch sind erst zwei von sechs Umweltzielen ab 2021 gültig, der Rest kommt mit Ende 2022.  Ob und in welcher Form noch Anmerkungen in die finale Version des delegierten Rechtsakts einfließen und gegebenenfalls die Kriterien nochmals geringfügig abgeändert werden, ist offen.  Doch Zeit zum Abwarten bleibt nicht, vor allem bei Neubau- aber auch bei Bestandsimmobilien sollte unmittelbar mit der Evaluierung und dem Erstellen eines Maßnahmenkatalogs begonnen werden, um diese taxonomiekonform zu bekommen.

Wie wird sich die seit März 2021 verpflichtende EU-Taxonomie auf Immobilienunternehmen auswirken? 

Die EU-Taxonomie ist eine Verordnung und wirkt sich direkt auf Unternehmen und Investoren im Bereich der Berichterstattung, Offenlegung von Umsatz und Kapital- oder Betriebsausgaben sowie neuer Umweltzeichen und -standards (z.B. Green Bonds) aus.  Dies soll Kapitalanlegern zukünftig helfen, „grüne“ Investments zu erkennen und Kapitalströme dahingehend zu lenken.  Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, unter anderem auch für nachhaltige Immobilien. Ziel ist es, taxonomiekonforme Immobilien am Markt bereitzustellen, welche zukünftig als „Sustainable Financing Instrument“ gelten. Dies soll sich schlussendlich werterhaltend oder sogar wertsteigernd auf Immobilien auswirken.  Die Nachhaltigkeit wird dadurch messbar. 

 „Vor allem bei Neubau- aber auch bei Bestandsimmobilien sollte unmittelbar mit der Evaluierung und dem Erstellen eines Maßnahmenkatalogs begonnen werden, um diese taxonomiekonform zu bekommen.“

Welche Finanzmarktteilnehmer bzw. Unternehmen wird es betreffen? 

Direkt betrifft es folgende Akteure: Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte in der EU anbieten, einschließlich Investmentfonds, Portfoliomanager und den Bereich der betrieblichen Altersvorsorge, weiters Finanz- und Nichtfinanzunternehmen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie über die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen fallen, sowie EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Union. Indirekt betrifft es aber auch deren Geschäftspartner sowie die Liefer- und Wertschöpfungskette. Sowie jene Unternehmen und Investoren, welche zukünftig Produkte – unter anderem auch Immobilien – an die betroffenen Akteure verkaufen möchten. Es wird erwartet, dass die Finanzmarktteilnehmer ihre ersten Angaben zur EU-Taxonomie bis zum 31. Dezember 2021 machen. 

Was passiert, wenn sie das nicht schaffen? 

Es wird erwartet, dass Unternehmen und Investoren bis 31.12.2021 angeben, ob deren Immobilien taxonomiekonform sind oder nicht. Aus heutiger Sicht werden nur wenige Immobilien diese Kriterien erfüllen können.  Aktuell droht noch kein unmittelbares Bußgeld, aber wer seine Immobilien zukünftig als „grüne“ Investments verkaufen will, muss über die Nachhaltigkeit und damit Taxonomiekonformität informieren. Oder gegebenenfalls „Brown Discounts“ und eine mögliche Ausdünnung des Käufermarktes in Kauf nehmen. 

Sie sind EU-Taxonomy Advisor. Wie sieht Ihr Aufgabenfeld aus? 

Einerseits sind wir als „EU-Taxonomie Advisor approved by ÖGNI“ befähigt, Prüfungen für einzelne Immobilien als auch Portfolios gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung durchzuführen. Diese Ergebnisse werden anschließend in einer Konformitätsprüfung der ÖGNI überprüft und damit ist eine unabhängige Prüfung garantiert.  Andererseits beraten und begleiten wir den Prozess, um die Konformität mit der EU-Taxonomie herzustellen. Dafür wird ein Maßnahmenkatalog erstellt und abgearbeitet und/oder auf Grund der Synergien eine Kombination mit einer DGNB-Zertifizierung angestrebt. 

„Als EU-Taxonomie Advisor sind wir befähigt, Prüfungen für einzelne Immobilien als auch Portfolios gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung durchzuführen.“

Wie läuft die Taxonomie-Bewertung bzw. -Prüfung durch den Advisor im Detail ab? 

Als ersten Schritt gibt es eine Plausibilitätsprüfung und Nachweisdokumentation einzelner Immobilien oder Portfolios auf Konformität zur EU-Taxonomie. Das Ergebnis zeigt, dann ob eine Konformität gegeben ist oder nicht.  Im Falle der Nicht-Konformität werden folgende Schritte gesetzt: 1. Schritt: GAP-Identifizierung zur Erreichung der Anforderungen 2. Schritt: Erstellung eines Maßnahmenkatalogs 3. Schritt: Begleitung der Abarbeitung des Maßnahmenkatalogs 4. Schritt: Plausibilitätsprüfung und Nachweisdokumentation einzelner Immobilien oder Portfolios auf Konformität zur EU-Taxonomie – Ergebnis Konformität ja/nein 5. Schritt: Einreichung zur Konformitätsprüfung bei ÖGNI – Bestätigung Konformität ja/nein 6. Schritt: Berichterstattung

Welche allgemeinen Herausforderungen sehen Sie? 

Eine große Herausforderung sehe ich vor allem bei bestehenden Gebäuden in der Verfügbarkeit und der Qualität von Daten sowie in der notwendigen vorausschauenden Implementierung von Anforderungen bei aktuellen Immobilienentwicklungen.“

Wie sehen die Kriterien aus? Welche technischen Herausforderungen müssen gemeistert werden? 

Die sechs Umweltziele oder auch Kriterien unterscheiden sich jeweils in Bezug auf Neubauten, Modernisierungen und Bestand.  Zwei der Umweltziele, Klimaschutz und Anpassungen an den Klimawandel, treten ab 2021 in Kraft, die weiteren vier Ziele Ende 2022. Diese sind der Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, der Übergang zu Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme. Technische Herausforderungen sind aus meiner Sicht unter anderem die Umsetzung eines Rückbau- und Entsorgungskonzeptes, die Umsetzung von Luftdichtheitsmessung und Thermographie sowie die detaillierte Materialprüfung und die geforderte Wassereffizienz. Manche Anforderungen können nicht allein durch den Projektentwickler oder Investor entschieden werden, hier wird es eine enge Abstimmung mit den Betreibern sowie der Industrie geben müssen. Beispielsweise haben Hotelbetreiber eigene Standards auch hinsichtlich der Wassereffizienz. Der geforderte maximale Wasserdurchfluss von lediglich sechs Litern pro Minute für Duschen wird daher nur schwer zu akzeptieren sein.

„Manche Anforderungen können nicht allein durch den Projektentwickler oder Investor entschieden werden, hier wird es eine enge Abstimmung mit den Betreibern sowie der Industrie geben müssen.“

Was sind die Anforderungen der EU-Taxonomie? 

Laut Verordnung gilt eine Wirtschaftsaktivität dann als taxonomiekonform, wenn folgende Voraussetzungen eingehalten werden: einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem Umweltziel leisten, keinem der anderen der fünf Ziele erheblichen Schaden zufügen (DNSH – do not significant harm) und die Mindestanforderungen hinsichtlich Menschenrechte und Arbeitsstandards sowie die technischen Evaluierungskriterien umgesetzt werden. 

Wie müssen in Planung bzw. in Bau befindliche Objekte vorbereitet werden? 

Für die in Planung befindlichen Immobilien ist ab sofort eine vorrauschauende Implementierung der Maßnahmen notwendig, um bei der Fertigstellung die Konformität mit der EU-Taxonomie bestätigen zu können.  In Bau befindliche Immobilien müssten schnellstmöglich auf Konformität evaluiert und gegebenenfalls Prozesse und Qualitäten angepasst werden. Eine vollständige Konformität in dieser Phase ohne eine bereits gestartete begleitende DGNB-Zertifizierung ist sehr unwahrscheinlich. Ansonsten wiederum über GAP-Identifizierung und anschließenden Maßnahmenkatalog.   

Warum ist eine DGNB-Zertifizierung hilfreich für die Konformität der EU-Taxonomie? 

Viele Kriterien der DGNB-Zertifizierung entsprechen bereits heute den Kriterien der EU-Taxonomie. Die DGNB arbeitet gerade an einer Systemumstellung, zukünftig soll die EU-Taxonomie vollständig in die Zertifizierung implementiert werden. Mit einem DGNB-Zertifikat soll damit auch die Konformität der EU-Taxonomie bestätigt werden. 

„Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten.“

Mit welchen Kosten ist für eine Bewertung zu rechnen? 

Die Kosten für die Prüfung durch den Advisor sind abhängig vom Umfang der Prüfung und werden individuell berechnet. Ist es eine reine Plausibilitätsprüfung oder eine Begleitung oder sind zusätzliche Leistungen in Form von Nachweisen zu erbringen und handelt es sich um ein Einzelobjekt oder Portfolio? Die abschließende Konformitätsprüfung wird seitens der ÖGNI in einer Gebührenordnung abgebildet, diese unterscheidet zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern sowie Einzel- und Portfoliobewertung.  

Wird damit der Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit endgültig stattfinden? 

Auch ohne verpflichtende EU-Taxonomie hat aus meiner Sicht der Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit bereits begonnen.  Erst kürzlich durfte ich als Auditor die DGNB-Zertifizierung der Vorarlberg Milch begleiten, die als erste Molkerei weltweit mit einem DGNB-Zertifikat in Gold ausgezeichnet wurde. Nicht nur nachhaltige Produkte und deren Verarbeitung, sondern auch ein nachhaltiges Gebäude war dem Kunden, einer Genossenschaft im Eigentum von über 450 Vorarlberger Landwirten, wichtig. Diese Verordnung wird das Interesse der Investoren an nachhaltigen Unternehmen und Anlagen sowie vor allem an nachhaltigen, „grünen“ Immobilien noch sehr viel mehr steigern.

Markus Huber hat einen Master in Architektur und Real Estate Management abgeschlossen und blickt auf 15 Jahre Erfahrung in der Architektur, dem Projektmanagement und der Projektentwicklung sowie dem Green-Building-Consulting zurück. Er ist Managing Partner bei der CC Real Projektmanagement und seit kurzem EU-Taxonomie Advisor.

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