Wirtschaft Chefvolkswirt: EZB bereit für Zinssenkung kommende Woche

Lane: oberstes Niveau der Restriktion wegnehmen - Frankreichs Notenbankchef will weitere Zinssenkung im Juli nicht ausschließen

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Chefvolkswirt: EZB bereit für Zinssenkung kommende Woche

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht laut ihrem Chefvolkswirt Philip Lane in den Startlöchern für eine Zinssenkung in der kommenden Woche. "Wenn es keine größeren Überraschungen gibt, reicht das, was wir derzeit sehen aus, um das oberste Niveau der Restriktion wegzunehmen", sagte Lane in einem am Montag veröffentlichten Interview der "Financial Times". Unter einem restriktiven Zinsniveau verstehen Währungshüter eine Zinshöhe, bei der eine Volkswirtschaft gebremst wird.

Die Daten würden in den kommenden Monaten helfen zu entscheiden, mit welcher Geschwindigkeit die EZB ihre Geldpolitik noch weiter lockere. Der nächste Zinsentscheid steht am 6. Juni an. Dann steht eine Zinssitzung am 18. Juli an.

Die EZB hält den Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, seit September 2023 auf dem Rekordniveau von 4,0 Prozent. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, beträgt 4,5 Prozent. Das Inflationsziel der Eurowächter einer Teuerung von 2,0 Prozent ist mit einer Rate von 2,4 Prozent im April inzwischen in greifbare Nähe gerückt.

Aus Lanes Sicht muss die EZB darauf achten, dass die Schlüsselzinssätze heuer in der restriktiven Zone bleiben. "Aber innerhalb dieser restriktiven Zone können wir uns etwas nach unten bewegen." Die Notenbank könne so sicherstellen, dass die Inflation nicht oberhalb des Zielwerts steckenbleibe, sagte der Ökonom.

Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau wiederum will einen raschen zweiten Zinssenkungsschritt offen halten. Aktuell steuert die EZB auf einen ersten Zinsschritt Anfang Juni zu. Villeroy de Galhau sitzt im geldpolitischen Rat der EZB.

"Ich lese manchmal, dass wir die Zinsen nur einmal im Quartal senken sollten, wenn neue EZB-Prognosen vorliegen, und daher den Juli ausschließen sollten", sagte Villeroy de Galhau in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der "Börsen-Zeitung". Von diesem Vorgehen halte er wenig. "Ich sage nicht, dass wir uns auf den Juli festlegen sollten, aber wir sollten hinsichtlich des Zeitpunkts und des Tempos unsere Freiheit behalten."

An der Börse haben Anleger ihre Zinssenkungserwartungen für heuer etwas abgeschwächt, nachdem neue Daten eine Zunahme des Lohnwachstums im Euroraum zu Jahresbeginn gezeigt hatten. Die Tariflöhne stiegen im ersten Quartal um 4,7 Prozent - nach einem Anstieg von 4,5 Prozent im Schlussquartal 2023. Lane zufolge stimmt die Richtung jedoch weiter: "Die allgemeine Richtung der Löhne zeigt immer noch auf Abschwächung hin, was wesentlich ist." Das Lohnwachstum gilt als einer der Haupttreiber der Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft. (apa)

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