Positionen & Meinungen ESG und das Dilemma mit dem internationalen Altbestand

Ein Kommentar von Caroline Mocker

DGNB und ÖGNI sind grundsätzlich in der Lage, die Möglichkeiten eines Altbestandes abzubilden, eine weniger passende Definition der Kriterien dazu bieten hingegen BREEAM oder LEED. Letztere sind aber wiederum weltweit vorherrschend und vom Markt anerkannt.

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ESG und das Dilemma mit dem internationalen Altbestand

Die Planung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei Projektentwicklungen ist in der Bauwirtschaft angekommen, der erhöhte Bedarf an Dokumentationen, Qualitätsnachweisen und begleitenden nationalen und internationalen Zertifizierungen kann entsprechend vorgesehen werden. Kaum ein Projekt in Fertigstellung wird derzeit nicht mit einer Silber-, Gold- oder sogar Platinzertifizierung am Markt angeboten. Dies ist notwendig und gut, denn Investoren und Finanzierer legen nun (endlich) großen Wert auf Nachhaltigkeit. Kurz, sich bei Ankäufen von Neubauten als ESG-konform zu rühmen, ist fast schon ein Selbstläufer.

Und das Bestandsportfolio?

Wie aber geht man mit einem großen, „gewachsenen“ Bestandsportfolio um? Denn schließlich ist der Immobilienaltbestand aufgrund des wesentlich größeren Volumens im Gegensatz zu Neubauten und den teilweise sehr schlechten Erhaltungszuständen der absolute „Umweltsünder“. Gebäude aus verschiedenen Jahrzehnten sollten somit sicherlich auch unter die Lupe genommen werden. Die Themenbereiche hingegen sind wesentlich komplexer: Welche energetischen und sozialen Maßnahmen sind überhaupt bei der vorhandenen Baustruktur möglich, was ist aufgrund der derzeitigen Vermietungslage sinnvoll umsetzbar und was kann behördlich zeitnah genehmigt werden? Da spielen Themen aller Bereiche des Immobilienmanagements zusammen: Hausverwaltung, Facility Management, Asset Management und Fondsmanagement müssen jedes Gebäude aus ihren jeweiligen Aspekten analysieren, ein gemeinsames Ziel erarbeiten und dieses bestmöglich umsetzen. Dies ist natürlich sinnvoll und wichtig. Es benötigt halt Zeit, Geld und eine enorme Portion Management. 

Doch so enthusiastisch und innovativ man in die Optimierungsüberlegungen geht, so frustrierend ist die Möglichkeit, dies dann auch mittels international anerkannter Zertifizierungen zu belegen. DGNB und ÖGNI sind grundsätzlich in der Lage, die Möglichkeiten eines Altbestandes abzubilden, eine weniger passende Definition der Kriterien dazu bieten hingegen BREEAM oder LEED. Letztere sind aber wiederum weltweit vorherrschend und vom Markt anerkannt. Was also soll ein Bestandshalter mit großem internationalem Altbestand tun? Und welche Veranlassung (außer Optimismus) hat er, diesen Aufwand zu betreiben?

Meine Meinung

Ich persönlich stehe voll hinter der Vorgabe, auch bei älteren Gebäuden Investitionen in geeignete, energetisch sinnvolle Maßnahmen vorzunehmen, analysiere Optimierungsmöglichkeiten und erhöhe den Servicelevel für die Mieter – Schritt für Schritt und angepasst an die baulichen, sozialen, vermietungstechnischen und ökonomischen Ziele. Umso schöner wäre es, wenn ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Altbestand ebenso „nachweisbar“ zu beurteilen wäre, wie bei einem Neubau – dann wäre wahrscheinlich ein größerer Effekt zu erzielen. 

Caroline Mocker ist Vorstandsvorsitzende der VIG Asset Management a.s. und Mitglied bei Salon Real.

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