Positionen & Meinungen Alles wie gehabt

Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich

Menschen werden immer mit einer eigenen oder wenigstens allgemeinen Freifläche und in der Nähe zur unmittelbaren, kritischen Infrastruktur wohnen wollen.

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Alles wie gehabt

COVID-19 beherrscht uns alle, egal ob wir es wollen oder nicht. Die Pandemie nimmt nicht nur direkt Einfluss auf unsere Gesundheit, unser Gefühlsleben und unser Verhalten, viele hinterfragen natürlich auch ihre Lebensgewohnheiten und -umstände. Arbeitswelten verändern sich.Wie schnell der Mensch wieder in alte Gewohnheiten zurückfällt, hat sich allerdings bereits nach dem ersten Lockdown über die Sommermonate hinweg gezeigt. Spätestens beim kroatischen Strandurlaub oder dem fröhlichen abendlichen Treffen mit Freunden am dicht bespielten Donaukanalufer in Wien haben die meisten ihr Desinfektionsmittel höchstwahrscheinlich daheim oder in der Tasche gelassen.

Gewohnheiten bleiben

Ich wette, würde die Bundesregierung morgen den Lockdown zur Gänze aufheben, dürften Gastronomie, Hotellerie und alle Dienstleister wieder voll aufsperren und könnten wir uneingeschränkt reisen, wir hätten mehr Trubel in den Straßen als zu irgendeiner anderen Adventszeit zuvor.Und genau deswegen bin ich auch sehr optimistisch, dass sich langfristig die Gewohnheiten der Österreicher, insbesondere bezüglich der Wahl des Wohnortes und des Wohnraumes, nicht verändern werden.Es mag schon sein, dass jetzt, wo Home-Offices erstmals richtig populär geworden sind, sich viele dafür entscheiden, am Land zu bleiben und das Häuschen im Grünen der Neubauwohnung im Peripheriegebiet vorgezogen wird.

Doch sobald das Pandemieproblem etwa durch eine Schutzimpfung nicht mehr an oberster Stelle steht, werden wir uns wieder mit Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und den notwendigen Gegenmaßnahmen beschäftigen müssen. Die Menschen werden sich wieder in Städten besser angebunden, besser im Notfall versorgt und damit jedenfalls subjektiv sicherer fühlen. Ich bin mir sicher, dass Home-Office, Pandemie und Co. nur kurzfristig den städtischen Zuzug zur Ruhe kommen lassen. Langfristig wird es dabei bleiben, dass bis 2050 die Menschen überwiegend in der Stadt leben. Was von der Pandemie und vom Social Distancing sehr wohl bleiben wird, sind neue Ansprüche an Wohnbau.

Weichen stellen, jetzt

Menschen werden immer mit einer eigenen oder wenigstens allgemeinen Freifläche und in der Nähe zur unmittelbaren, kritischen Infrastruktur wohnen wollen. Was heute noch als modern, ökologisch und grün, vielleicht als „Zusatzzuckerl“ angepriesen wird, gehört morgen mit Sicherheit bei Kunden zum Mindeststandard. Es bleibt bei dringendem Handlungsbedarf in der Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen für ein klares Ja zu sanfter ökologisch nachhaltiger Nachverdichtung und Erhöhung im innerstädtischen Bereich. Es braucht mehr denn je Anreize zu Sanierungen. Eine dringende und rasche Umsetzung aller Maßnahmen des längst erarbeiteten Masterplan Gründerzeit. 2050 ist nicht so fern, wie viele empfinden. Und die notwendigen Weichenstellungen braucht es jetzt. Sich zurückzulehnen und darauf zu hoffen, dass Menschen bleiben, wo sie gerade sind, wird sich nicht ausgehen. Der Klimawandel und all seine Folgen lassen sich mit keinem Lockdown bekämpfen.Die Zukunft wird mit oder ohne Corona, mit oder ohne Home-Office, mit oder ohne Abstand eines mit Sicherheit: heiß!

Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträger­sprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien.

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