Positionen & Meinungen Aufbruchstimmung in der Immobilienbranche

Anna-Vera Deinhammer (Circular City Director, Circular Economy Forum), Michael Csiszar (Head of ESG & Teamlead Technical Property Management CBRE), Marc Guido Höhne (Geschäftsführer Delta Projectconsult) und Reinhard Labugger (Geschäftsführer RM-Engineering) diskutieren auf Einladung des ImmoFokus über die Herausforderungen Klimawandel und Stadtentwicklung.

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Aufbruchstimmung in der Immobilienbranche

Klimaprognosen verheißen nichts Gutes. Laut ETH Zürich wird in Wien bis 2050 ein Klima wie in Skopje herrschen. In vielen anderen Städten auf der Welt soll es dann ebenfalls klimatische Bedingungen geben, die es nie zuvor gegeben hat. Haben Sie den Eindruck, dass Politik und Bau- beziehungsweise Immobilienwirtschaft bewusst ist, dass Handlungsbedarf besteht?

Marc Guido Höhne: Also ich glaube nicht unbedingt, dass das auf breiter Basis in der Immobilienwirtschaft angekommen ist, zu sehr steht bei vielen noch der Renditegedanke im Vordergrund. Aber zumindest die bei der Stadt Wien dafür Zuständigen haben die Brisanz verstanden. War es nicht Herr Madreiter (Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien, Anm.), der vor rund einem Jahr meinte, dass Wien über dem 1,5-Grad-Ziel liegt und wir mit mehr als vier Grad Klimaerwärmung rechnen müssen?

Anna-Vera Deinhammer: Bis 2050 müssen wir in Wien am heißesten Tag des Jahres sogar mit sechs bis sieben Grad mehr rechnen. Anschließend auf Ihre Frage, kann ich jedenfalls bestätigen, dass das Thema in Wien bei der Politik angekommen ist. Bei einigen Bauherren ebenso, auch wenn es da sicherlich noch Luft nach oben gibt.

„Klar ist, dass wir die Klimaziele nur über den Bestand erreichen werden können.“  Reinhard Labrugger, RM-Engineering

Reinhard Labugger: Ich durfte ja von Anfang an Unternehmen bei Zertifizierungen begleiten und mein Eindruck ist, dass der Klimawandel mittlerweile in der Immobilienwirtschaft angekommen ist. Vor allem bei großen Unternehmen. Manche nehmen das sogar sehr ernst und definieren ohne Druck eigene Policies. Lassen Sie es mich vorsichtig ausdrücken: Das ist auch der erste Schritt zur Besserung, wenn man überhaupt eine Chance haben will, den drastischen Folgen des Klimawandels entgegenzutreten.

Michael Csiszar: Ich kann mich den Vorrednern nur anschließen: Gerade große Unternehmen nehmen das Thema sehr ernst, vor allem Fonds. Auf einmal denkt jeder über Zertifizierungen nach, was vor fünf Jahren keineswegs der Fall war. Das hat heute einen richtigen Stellenwert bekommen und Investoren schauen sich unter anderem an, was eine Immobilie kann und, ob sie zukunftsfit ist beziehungsweise gemacht werden kann, wer die Mieter sind und vor allem: ob mit fossilen Energien geheizt wird. Aber insgesamt stehen wir erst ganz am Anfang und müssen viel schneller Maßnahmen gegen den Klimawandel setzen.

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Foto: REMG/Rizar.Photo

Was gehört getan?

Csiszar: Wir brauchen strategische Konzepte auf vielen Ebenen. Man hat nämlich stellenweise den Eindruck, dass vieles ziellos erfolgt beziehungsweise sich in der Schwebe befindet. Von der Gesetzgebung her ist meiner Meinung nach viel getan worden, vor allem für Bestandsimmobilien. Ein riesiger Treiber ist da die Taxonomie. Aber es wird sicher noch weiterer Maßnahmen des Gesetzgebers bedürfen.

Höhne: Es müssen viel mehr Anreize geschaffen werden und auch von unserer Seite her muss mehr Sensibilisierung stattfinden, was das Thema betrifft. Um die großen institutionellen Anleger und Bestandshalter muss man sich keine Sorgen machen, wie die Expo Real gezeigt hat, auf der das Thema ESG omnipräsent war. Die große Herausforderung ist es sicher, jene zu erreichen, die derzeit noch nicht den Druck der Taxonomie spüren und für die vielleicht erst die CO2-Steuer ein Grund ist, sich mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen.

Deinhammer: Mein Eindruck ist, dass immer mehr Zinshausbesitzer hellhörig werden. Das merke ich auch in meinem Umfeld. Aus einigen aufwendig ausgebauten Dachgeschosswohnungen ziehen die ersten Mieter bereits aus oder die Eigentümer versuchen zu verkaufen, weil es dort im Sommer einfach zu heiß ist. Was man auch nicht vergessen darf: Einige Dachgeschosswohnungen sind sommertauglich, weil sie eine Klimaanlage haben. Angesichts der hohen Energiekosten fällt aber der Wert dieser Objekte.  

Lesen Sie mehr zum Round Table Klimawandel und Stadtentwicklung in der Ausgabe 05/2022 des ImmoFokus - jetzt auch digitial.   

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