Positionen & Meinungen Energiewende braucht „schlaue“ Netze

Eine termingerechte Dekarbonisierung der Weltwirtschaft erfordert zum einen Strom aus erneuerbaren Quellen, so Swisscanto-Nachhaltigkeitsexperte Gerhard Wagner.

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Energiewende braucht „schlaue“ Netze

Die Weltwirtschaft soll bis 2050 klimaneutral sein. Das ist das ambitionierte Ziel des Pariser Klimaabkommens. Dieses ist nur über eine rasche Elektrifizierung der globalen Wirtschaft mit entsprechendem Ausbau des Stromangebots zu erreichen. Laut Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) klettert der weltweite Stromkonsum bis 2030 um 25 Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Primäre Treiber sind das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum namentlich in Schwellenländern, die Zunahme der Elektromobilität oder der Ersatz fossiler Heizungen durch effiziente Stromheizungen wie Wärmepumpen.

„Es liegt auf der Hand, dass dieser Mehrbedarf künftig überwiegend aus erneuerbaren Energien gedeckt wird, wenn die CO2-Emissionen sinken sollen. Ohne Bereitstellung von genügend grünem Strom ist die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft nicht realisierbar. Genauso wichtig ist der globale Ausbau der Netze und Stromspeicher, da ansonsten nachhaltig produzierter Strom weder zum richtigen Zeitpunkt noch in der richtigen Menge zum Verbraucher gelangt. Hier liegt noch sehr viel Investitionspotenzial brach“, so Swisscanto-Nachhaltigkeitsexperte Gerhard Wagner.

Smart Grids reduzieren Kosten und Treibhausgase

Weiter meint Wagner: „Der Ausbau erfordert vor allem Netze mit ‚Grips‘ und Widerstandskraft – so genannte Smart Grids. Sie erhöhen die Energiesicherheit, reduzieren den CO2-Ausstoß und wirtschaftliche Verluste. Smart Grids sind soft- und hardwaregestützte Stromnetze, die in der Lage sind, den Stromtransport aus verschiedenen Quellen effizient zu steuern, den wechselnden Bedarf optimal zu decken und Netze so zuverlässiger zu machen.“

Konkrete Anwendungsbeispiele sind:

• Stromnachfrage flexibilisieren: Konkret heißt das, die Stromnachfrage in Abhängigkeit vom Stromangebot zu steuern. So kann etwa das Laden von Autobatterien in vielen Fällen auf das Stromangebot abgestimmt werden. Dasselbe trifft beispielsweise auch auf die Temperaturregelung von Kühlhäusern innerhalb einer Bandbreite oder den Betrieb von Wärmepumpen zu.

• Nachfrage und Angebot prognostizieren: Erzeuger von Strom aus regenerativen Quellen wollen wissen: Wann weht der Wind oder wann scheint die Sonne? Intelligente Stromnetze nutzen Wetterprognosen, um den Strombedarf und das Stromanagebot aus erneuerbaren Energien vorherzusagen. So kann Strom bei einem Überangebot gespeichert und bei Bedarf wieder abgerufen werden. Wetterdaten in Kombination mit durchschnittlichen Stromverbrauchsdaten liefern auch Indikationen zur Regelung der Produktionskapazität beispielsweise von Gaskraftwerken.

• Ausfälle reduzieren: Ältere und überirdisch erstellte Stromnetzte sind wartungsintensiv und störungsanfällig. Auch die Häufung extremer Wetterereignisse kann Stromausfälle verursachen. Das führt insbesondere in den Schwellenländern zu temporären Beeinträchtigungen etwa im öffentlichen Verkehr oder im Betrieb kritischer Infrastruktur wie Krankenhäuser. In der Folge müssen etwa CO2-intensive Dieselgeneratoren den Strom produzieren. Laut Prognosen der IEA verursachen diese Überbrückungslösungen rund 2,7 Prozent der globalen energiebedingten Emissionen. Das entspricht etwa der Größenordnung der gesamten CO2-Emissionen Deutschlands in einem Jahr. Internetfähige Sensoren (IoT) an der Strom-Infrastruktur, die Daten in Echtzeit aufzeichnen, helfen, einen bestehenden oder drohenden Ausfall rasch zu lokalisieren und zu beheben.

Planung verbessern

Ein weiteres Problem liegt in der unzureichenden Koordinierung zwischen dem Bau nachhaltiger Stromproduktionsanlagen und der Erstellung von Stromnetzen. Windparks oder Solaranlagen sind rascher realisiert als Hochspannungsnetze, deren Errichtung je nach Land oft ein Jahrzehnt oder länger dauert. Eine unkoordinierte Vorausplanung führt zu Engpässen bei der Übertragung. Fakt ist: Der Strom von Windparks kann teilweise nicht ins Netz eingespeist werden, da die Stromnetze ungenügend ausgebaut worden sind, folglich stehen Windparks still.

„Insgesamt sind intelligente Stromnetze das Rückgrat sauberer Energiesysteme. Ihre Entwicklung erfordert einen politischen Rahmen, wirksame Regulierung, höhere Investitionen und eine strategische Planung. Wir beobachten und analysieren diese Entwicklungen laufend, um frühzeitig attraktive Investitionsmöglichkeiten zu identifizieren. Von Interesse sind für uns einerseits Unternehmen, die Stromnetze betreiben und diese in Zukunft ausbauen - zum Beispiel Terna, Red Electrica und E.ON. Andererseits auch Unternehmen, die Stromnetzkomponenten produzieren - beispielsweise Prysmian, Siemens, Eaton“, so Wagner abschließend.

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