Positionen & Meinungen Fastenzeit

Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträgersprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien

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Fastenzeit

Wenn der 1. April verstrichen ist, dann ist es auch mit dem politischen Willen zu einer ernsthaften MRG-Reform wieder ganz schnell vorbei und bis zum Jahresende, je nach Wirtschaftslage oder anstehenden Wahljahren – so scheint es mir zumindest –, bleibt vorerst alles wie es ist.

Erst rund um Neujahr heißt es dann für Vermieter und Mieter, angesichts der rechtsunsicheren Zukunft, aufs Neue zu zittern.

Jahr für Jahr das selbe

Es ist Jahr für Jahr das selbe und für alle Seiten nervenaufreibende Spiel.

Trotzdem regen mich die Diskussionen in der ersten Jahreshälfte immer wieder noch mehr auf, mehr sogar noch als die daraus resultierenden politischen Maßnahmen.

Gerade die Mietrechtsmaterie und die Meinungen, die zu Jahresbeginn dazu immer wieder auftauchen, zeigen mir – als Kenner der Materie – wie oberflächlich, wie ideologisch und wie weit entfernt von der tatsächlichen Faktenlage in Österreich Themen politisch und öffentlich diskutiert werden.

Und ich frage mich schon, wieso ein derart stark emotional besetztes Thema wie „Bauen und Wohnen“ nicht ein einziges Mal, zumindest wenigstens vom öffentlichen Rundfunk, sachlich beleuchtet werden kann, gerne auch von allen Seiten.

Verschiedene Wohnungsmodelle

Wir haben in Österreich verschiedene Wohnungsmodelle im Mietbereich: zur Gänze „öffentlich“ errichtete Wohnungen (Gemeindebauten), gemeinnützigen Wohnbau und einen privaten Wohnungsmarkt.

Letzterer befindet sich im Übrigen nicht in der Hand von Riesenimmobilienfonds, sondern auch hier ist der Eigentümerkreis stark unterschiedlich. Von den Big Playern bis hin zu Kleinstanlegern, die ein kleine Garçonnière vermieten, ist alles mit dabei.

Sowohl die sozialen Wohnungen als auch die privat vermieteten Wohnräume unterliegen alle demselben Mietrecht, und das, obwohl die einen mit Steuergeldern, die anderen privat finanziert werden.

Eine weitere Gemeinsamkeit aller Mietverträge ist, dass sie in Österreich auf zumindest drei Jahre bis unbefristet – also auf lange Zeit – ausgerichtet sind und damit wie alle anderen Verträge auf längere Dauer auch einer Wertsicherung/Indexierung unterliegen müssen. Das ist auch gar nichts Besonderes, sondern vielmehr ja die günstigste und sicherste Lösung für beide Vertragsparteien – wenn es nicht zu extremen Ausnahmesituationen wie einer Pandemie oder einer überdurchschnittlich hohen und nicht erwartbaren Inflation kommt.

Darf Preis am privaten Markt nicht steigen?

Wenn also alles rund um uns herum aufgrund der wirtschaftlichen Lage preislich steigt, wieso sollte dann ausgerechnet in einem Segment, nämlich dem privaten Immobilienmarkt, der Preis nicht steigen dürfen?

Und wieso wird ständig unserem privaten Sektor in ausnahmslos jeder Diskussion vorgeworfen, dass Menschen sich Mieten nicht mehr leisten können, wenn allein in Wien der größte Vermieter, quasi der dickste Immofisch im Mietpreis-Becken, die Stadt Wien selbst ist?

Wieso wird in einer derartigen Krisensituation wie heute sozialer, billiger Wohnraum zum Teil immer noch ohne Einkommensüberprüfung vergeben, private Vermieter aber werden für ihre redliche Geschäftsführung und damit normale und notwendige Mieterhöhung jedes Mal an den Pranger gestellt?

Wieso werden wir ständig für unsere Leistung und das entsprechende Honorar von allen Seiten auf das Schlimmste kritisiert und müssen uns für unsere Arbeit fast schon rechtfertigen?

Weil sich jene, die von Wählerstimmen abhängig sind, nur ungerne eingestehen, dass sie allesamt in der Sozialpolitik kläglich versagen.

Mindestpension unter Armutsgrenze

Beispiele sind: österreichische Mindestpensionisten, die ihr Leben lang entweder in Niedriglohnjobs gearbeitet haben oder Familien und Kinder betreuten oder kranke Verwandte zusätzlich pflegten, oder Menschen, die keine Ausbildung machen konnten oder schwer krank wurden. Diese Menschen haben 2023 rund 1160 Euro an Mindestpension zur Verfügung. Die Armutsgrenze liegt bei 1500 Euro.

Auch wenn ihnen zusätzlich kleine Sozialleistungen zugutekommen, etwa eine Befreiung von der Medikamentengebühr oder der Rundfunkgebühr: Davon wird das Geldbörsel nicht dicker.

Dass sich diese Menschen keine private Wohnung leisten können oder nur unter den menschenunwürdigsten Einschränkungen, dafür braucht es keine große Mathematikleistung.

Und ja, vielen von Ihnen und auch mir ist nicht durchgehend bewusst, dass Menschen, die den ihnen möglichen Teil zur Leistung redlich beigetragen haben, in Österreich mit derart wenig Einkommen ein Auskommen finden müssen.

Solange Österreicher, Pensionisten, überwiegend Frauen, in unserem Land Tag für Tag die Fastenzeit durchleben müssen, um noch irgendwie durchzukommen, solange werden die Verantwortlichen bevorzugt uns als Drittschuldner vorführen, um selbst nicht unterzugehen.

Was können wir tun? Unsere Leistungen aufzeigen, Fakten auf den Tisch bringen und vor allem eines deutlich machen: Die Versäumnisse der österreichischen Politik im Sozialbereich können nicht von der Immobilienbranche und auch nicht über das Mietrecht gelöst werden!

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