Positionen & Meinungen Knapp daneben ist nicht vorbei

Ein Kommentar von Hans Jörg Ulreich, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Ulreich Bauträger GmbH, Bauträgersprecher Österreich, Lektor an der TU Wien und FH Wien

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Knapp daneben ist nicht vorbei

Ich weiß nicht, ob es allen Wiener Kollegen bewusst war: Die anstehende Bauordnungsnovelle hätte in ihrer ursprünglichen Fassung das Wiener Stadtbild über alle Widmungen gestellt. Im Grunde genommen war dies eine andere Formulierung dafür, dass die MA19 zukünftig Dachgeschossausbauten nur noch mit einem (!) Geschoß bewilligt hätte. Zusätzlich zum Altbaupickerl und allen anderen Irrwitzigkeiten also das Tüpfelchen auf dem i für innerstädtische Projektentwickler und damit das offizielle Ende als Folge für ökologisch nachhaltige Altbausanierungen.

Was ich, als Branchenvertreter und betroffener Unternehmer, in den letzten Tagen und Wochen an Informationskampagnen in Bewegung setzte, um darauf aufmerksam zu machen und um mit Verbündeten vernünftige Entscheidungsträger von der Irrsinnigkeit dieser Regelung zu überzeugen, findet gar keinen Platz in dem gesamten Journal.

Kritik bei jeder Gelegenheit

Round-Table-Gespräche, Kritik bei jeder Gelegenheit, bewusste Journalistenaufklärung und vieles mehr, all das habe nicht nur ich, sondern haben viele besorgte Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen unserer Branche ebenso wie die Industrie und die Gewerkschaft versucht.

Das Ergebnis ist offensichtlich zumindest ein bisschen Einsicht bei den politisch Verantwortlichen. Statt einer eindeutigen Regelung pro innerstädtischer Nachverdichtung und Sanierung oder dagegen gibt es nunmehr wenigstens eine vage Hoffnung.

Keine einzige Branche wird derzeit von der Wirtschaftskrise so durchgerüttelt wie die unsere. Es gibt keine Ecke, an der gerade nicht „der Hut brennt“. Die Baukosten steigen und steigen, Entwicklungen ziehen sich über Jahre und der Kundenmarkt bricht dramatisch ein. Klare Entwicklungen, allen positiven Prophezeiungen zum Trotz, kann man angesichts der weltpolitischen Lage beim besten Willen nicht treffen. Wir befinden uns ganz allgemein in einem Ausnahmezustand.

Projekte auf Warteschiene

Die Gewerkschaften warnen, dass die jetzt in die Arbeitslosigkeit gedrängten Fachkräfte – wie schon in der Gastronomie nach der Pandemie – nicht wieder zurückkehren werden. Bauträger legen noch nicht entwickelte Projekte auf die Warteschiene, was wiederum einen massiven Einbruch in allen daran hängenden Branchen bedeutet. Viele kleinere und mittlere Unternehmen kämpfen um ihre Existenz.

Obwohl ich selbst Teil unserer Interessensvertretung bin, habe ich das Gefühl, dass selbst diese, und zwar nicht nur die unsere, eben auch die Gewerkschaften, langsam von einem Gefühl der Ohnmacht überkommen werden.

Seit dem Beginn meiner Arbeit in der WKO habe ich es noch nie erlebt, dass so viele unterschiedliche Lager und Vertreter alle im Grunde genommen dasselbe wollen: Nämlich genau jetzt die richtigen Rahmenbedingungen zur Ankurbelung von Sanierungen und indirekt damit auch die Ankurbelung von innerstädtischer und innerdörflicher Nachverdichtung, bei zweiterem, der innerdörflichen Belebung, zu schaffen.

Parallelgesellschaft Politik

Die politischen Vertreter auf Bund- und Landesebenen stellen sich diesbezüglich taub und bilden aus meiner Sicht mittlerweile schon als Pendant zu uns eine geschlossene Parallelgesellschaft. Anders kann ich meinen Eindruck nicht beschreiben.

Gut, manchmal dringt oder besser drängt Kritik durch und mündet in eine rechtliche Formulierung, die viel Ermessenspielraum zulässt, allerdings in jede Richtung.

Aber wir können so nicht mehr weitermachen und immer darauf bauen, dass in letzter Sekunde doch noch etwas – von „den anderen“ – bewegt wird.

Es sieht wirklich nicht gut aus. Und die Kopf-in-den-Sand-Taktik, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat uns alles andere als voran gebracht.

Endlich aufwachen

Wenn wir nicht endlich aufwachen, warum sollte sich politisch etwas bewegen?

Nur weil unser Boot besser gepolstert ist als andere, heißt es nicht, dass wir vor dem Sinken geschützt sind.

Wenn wir Sanierungsanreize und vieles mehr wollen, dann müssen wir heute damit anfangen, dies einzufordern und zu propagieren, statt bis zur nächsten Gesetzesvorlage zu warten.

Anders wird es sich nicht mehr lange ausgehen. Dann fährt nämlich – und das vergessen auch viele – neben Unternehmen auch die Umwelt, unser Lebensraum, an die Wand.

Ich will das alles nicht und bitte Gleichgesinnte um direkte Kontaktaufnahme.

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