International Chinas Emissionshandelssystem kämpft mit Kinderkrankheiten

Unter anderem kritisieren Experten Schwachstellen im Design des Marktes, etwa was die Zuteilung von CO2-Zertifikaten anbelangt. Ein weiters Problem seien gefälschte Treibhausgas-Berichte.

von 3 Minuten Lesezeit

Chinas Emissionshandelssystem kämpft mit Kinderkrankheiten

Beides hat zur Folge, dass der größte Emissionshandel bisher keine umfassenden CO2-Einsparungen eingefahren hat, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

China hat sein nationales Emissionshandelssystem (Emissions Trading Scheme, ETS) im Juli 2021 eingeführt. Es erfasst mehr als 2.000 Kraftwerke zur Stromproduktion und regelt einen jährlichen Ausstoß von rund 4,5 Milliarden Tonnen CO2. Das System ist damit das größte seiner Art, gefolgt vom Europäischen ETS. Im ersten Jahr des Bestehens des chinesischen CO2-Marktes wurden Verschmutzungsrechte im Ausmaß von knapp 200 Millionen Tonnen gehandelt, das entspricht einem Wert von 8,5 Mrd. Yuan (1,23 Mrd. Euro).

Das Handelsvolumen fiel dabei relativ gering aus. Grund dafür waren ein Überschuss an Emissionszertifikaten am Markt und Bedenken im Bezug auf Datengenauigkeit. "Die Auswirkungen auf die Umwelt sind eindeutig begrenzt", sagte Matt Gray vom Klima-Think-Tank TransitionZero gegenüber Reuters.

Ein Teil der Kritik am chinesischen ETS bezieht sich auf das Design des Systems. CO2-Zertifikate werden bisher kostenlos ausgegeben. Die Zuteilung richtet sich dabei nicht nach absoluten Emissionsobergrenzen, sondern basiert auf einer nationalen Benchmarking-Methode, bei der die durchschnittliche Kohlenstoffintensität der wichtigsten Sektoren und Produkte berechnet und mit der der einzelnen Emittenten verglichen wird. Jedem Emittenten werden Verschmutzungsrechte in Höhe seiner verifizierten Emissionen zugeteilt. Damit ergeben sich relativ niedrige Maßstäbe zur Einsparung von Treibhausgasen.

China nimmt die begrenzten positiven Auswirkungen auf die Umwelt in Kauf, um Erfahrungen zu sammeln und Probleme auszubügeln, ohne seine Unternehmen zu überfordern. Auch andere Emissionshandelssysteme, etwa das zweitgrößte der Welt in Europa, brauchten eine gewisse Zeit, um sich zu etablieren. Im EU-ETS ist das Handelsvolumen seit der Einführung des Systems 2005 stetig gestiegen.

Liu Youbin, ein Sprecher des chinesischen Ministeriums für Ökologie und Umwelt (MEE), sagte, der Aufbau des ETS sei "kompliziert" und befinde sich "noch in einem frühen Stadium". Die Behörden würden weiter an Verbesserungen arbeiten.

Ein großes Problem des chinesischen ETS bleibt allerdings die Datengenauigkeit. Das MEE hat im März Marktteilnehmer wegen Manipulationen, Fälschung von Prüfberichten und anderer Vergehen angezeigt. Das Durchgreifen habe als wirksame Abschreckung gedient, so Ministeriums-Sprecher Liu.

China will das Emissionshandelssystem bereits in diesem Jahr auf andere Industriesektoren ausdehnen, etwa Baumaterialien, Stahl und Nichteisenmetalle. Probleme bei der Datengenauigkeit könnten sich dann verschärften: "Wenn die Daten für den Energiesektor nicht stimmen, ist es unmöglich, die Daten für die Schwerindustrie richtig zu erfassen, denn die Teilsektoren dort sind noch viel undurchsichtiger", sagte Gray.

Viele der Probleme des chinesischen Emissionshandels seien relativ schnell zu lösen, doch die chinesische Regierung sei damit beschäftigt, die Energieversorgung im Land zu sichern und die von den Corona-Lockdowns betroffene Wirtschaft wieder anzukurbeln. "Als Folge davon könnte der Emissionshandel in Bezug auf seine Wirksamkeit als politische Maßnahme in den Hintergrund treten", so Gray. (apa)

Verwandte Artikel

von Patrick Baldia 2 Minuten Lesezeit