International Infrastruktur Effekt der Russland-Sanktionen auf heimische Unternehmen unklar

Im aktuellen Konflikt stark exponiert ist die Raiffeisen Bank International (RBI). Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine waren die RBI-Aktien an der Wiener Börse am Donnerstag um 23 Prozent eingebrochen.

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Effekt der Russland-Sanktionen auf heimische Unternehmen unklar

Im Hinblick auf mögliche Sanktionen hatte die RBI bereits vor dem Einmarsch 115 Mio. Euro an Vorsorgen zurückgelegt. Das Kreditvolumen der Bank lag im Vorjahr in Russland bei 11,6 Mrd. Euro, in der Ukraine bei 2,2 Mrd. Euro. Den Marktanteil in Russland hatte RBI-Chef Johann Strobl Anfang Februar mit unter 2 Prozent beziffert.

Das Management des größten österreichischen Baukonzerns Strabag will die potenziellen Auswirkungen von Sanktionen dann erst kommentieren, "sobald diese umfänglich feststehen und bewertet wurden", hieß es aus dem Unternehmen. Das Russland-Geschäft mache den Angaben zufolge "weniger als 1 Prozent der Konzernleistung", also weniger als rund 160 Mio. Euro, aus. Für 2021 wies die Strabag eine Bauleistung von 16,1 Mrd. Euro aus.

Ein Gutteil der Strabag befindet sich in russischer Hand: Einer der drei Kernaktionäre ist mit einem Anteil von 27,8 Prozent die MKAO "Rasperia Trading Limited", die dem Oligarchen Oleg Deripaska zuzuordnen ist. 29,5 Prozent der Strabag gehören der Versicherung UNIQA und dem Finanzkonzern Raiffeisen, weitere 28,3 Prozent gehören der Familie des früheren Konzernchefs Hans Peter Haselsteiner und 14,4 Prozent befinden sich im Streubesitz, wie aus den Angaben auf der Firmenhomepage mit dem Vermerk Stand 23. Juli 2021 hervorgeht.

Mögliche Auswirkungen der Sanktionen auf die deutsche Wirtschaft 

Die Bedeutung Russlands für die deutsche Wirtschaft ist den vergangenen Jahren in der Summe gesunken. Der Anteil des Landes am gesamten deutschen Außenhandel lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2021 bei 2,3 Prozent. Dennoch ist der Ukraine-Krieg eine Belastung für die deutsche Wirtschaft. Dämpfer für das Wirtschaftswachstum könnten nicht ausgeschlossen werden, analysiert die DZ Bank. Ein Überblick:

Autoindustrie: Für Deutschlands Autohersteller hat der Konflikt nach erster Einschätzung des Branchenverbandes VDA nur begrenzte Auswirkungen. Etwa 39.700 Fahrzeuge aus deutscher Produktion seien im vergangenen Jahr nach Russland und in die Ukraine geliefert worden. Dies entspreche einem Exportanteil von 1,7 Prozent. "Allerdings unterhalten die deutschen Unternehmen der Automobilindustrie 49 Fertigungsstandorte von Zulieferern und Herstellern in Russland und der Ukraine", teilt der Branchenverband VDA mit. "Ein Abbruch der Lieferketten hätte ebenfalls negative Auswirkungen." In den Volkswagen-Werken in Zwickau und Dresden wird nach Angaben des Autobauers vom Freitag wegen ausbleibender Materiallieferungen für einige Tage die Fahrzeugfertigung ruhen. Nach Angaben eines VW-Sprechers fehlen unter anderem Elektrokabelsätze, die in der Ukraine hergestellt werden.

Banken: Überwiegend haben Deutschlands Banken ihr Engagement in Russland schon in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefahren. Deutsche Bank und Commerzbank bezeichnen ihr dortiges Geschäft als überschaubar.

Der Gewerbeimmobilien-Finanzierer Aareal Bank bezifferte sein Restrisiko in Russland auf netto rund 200 Mio. Euro. Dabei handle es sich um einen Bürokomplex in Moskau mit internationalen Mietern.

Der Bundesverband deutscher Banken weist darauf hin, dass sich die meisten Geldhäuser wegen der seit 2014 bestehenden Sanktionen in Russland zurückgehalten hätten. Der Bundesbank zufolge belaufen sich die Forderungen deutscher Banken gegenüber Russland auf 6,03 Mrd. Euro.

Chemieindustrie: Wirtschaftlich könnte die Lage für energieintensive Branchen sehr problematisch werden, sollte Gas in Europa infolge des Ukraine-Konflikts knapp werden, warnt der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Die Energiepreise sind ohnehin eine Belastung für die Chemie- und Pharmaindustrie. Die Branche setzt nach VCI-Angaben derzeit rund 3,2 Millionen Tonnen Erdgas als Rohstoff ein (39 Prozent des Gesamtverbrauchs) und 84 Terawattstunden (61 Prozent des Verbrauchs) zur Energieerzeugung. Als Exportmarkt sind Russland und die Ukraine weniger bedeutend für die Branche: 2021 gingen rund 2,4 Prozent der Ausfuhren oder Güter im Wert von 5,6 Mrd. Euro nach Russland - Platz 10 in der Rangliste für Europa inklusive Schweiz und Großbritannien. Der Ausfuhranteil in die Ukraine betrug 0,5 Prozent.

Luftverkehr: Im Luftverkehr hatten sich die europäischen Gesellschaften gerade auf einen fulminanten Neustart nach der Corona-Flaute vorbereitet. Jetzt sind die AUA-Konzernmutter Lufthansa und andere Gesellschaften gezwungen, ihre Flugpläne nach Fernost umzustricken, weil sie Russland nicht mehr an- oder überfliegen. Mehrere Passagier- und Frachtflüge mussten umkehren oder wurden gleich gestrichen.

Flugzeiten und Kerosinverbrauch erhöhen sich auf den südlichen Alternativrouten nach Japan, Korea und China erheblich. Wettbewerbsvorteile für chinesische und arabische Gesellschaften sowie weitere Störungen in den Lieferketten dürften die Folgen sein. Der russische Einmarsch in die Ukraine hatte zunächst nur begrenzte Auswirkungen auf den Luftverkehr, weil die Region als Zielgebiet nur eine kleine Rolle spielt. Medienberichten zufolge war der ungarische Billigflieger Wizz Air die einzige ausländische Gesellschaft, die vier ihrer Jets und die Crews nicht rechtzeitig aus der Ukraine ausgeflogen hat.

Maschinenbau: Russland ist ein nicht unwichtiger Markt für die exportorientierten deutschen Maschinenbauer. Das Land rangierte im vergangenen Jahr auf Platz 9 der wichtigsten Abnehmerländer. Maschinen und Anlagen im Wert von knapp 5,5 Milliarden Euro gingen in die Russische Föderation. Wichtigste Absatzregion für die mittelständisch geprägte Branche sind allerdings mit weitem Abstand die EU-Länder mit einem Exportvolumen von gut 78,5 Mrd. Euro.

Tourismus: Die Branche hofft nach zwei harten Corona-Jahren auf wiederanziehende Geschäfte. Reiseveranstalter berichteten zuletzt von gestiegenen Buchungszahlen insbesondere für die klassischen Ziele rund ums Mittelmeer wie Spanien, Griechenland oder die Türkei. Beliebt ist auch Urlaub im eigenen Land. Die direkten Folgen des Ukraine-Krieges dürften sich für die Branche daher in Grenzen halten. Ob der Konflikt die wiederentdeckte Reiselust der Menschen dämpft, ist noch nicht abzusehen. "Militärische Konflikte tragen jedenfalls nicht zur Planungssicherheit für Reisen bei", heißt es beim Reiseverband DRV. Direkt betroffen sind Reiseunternehmen, die Trips nach Russland und in die Ukraine anbieten. Erste Veranstalter haben bereits reagiert, so stellte der Trekking-Spezialist Hauser Exkursionen seine Reiseangebote nach Russland ein. (apa/dpa-AFX/red)

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