International Stornierungswelle im deutschen Wohnungsbau

Ifo-Forscher: "Planungssicherheit dahin" - Sparkassenpräsident: Nachfrage nach Immo-Krediten "von einem Tag auf den anderen" eingebrochen

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Stornierungswelle im deutschen Wohnungsbau

Die Stornierungswelle im deutschen Wohnungsbau wird größer. Im September waren 16,7 Prozent der befragten Unternehmen davon betroffen, nach 11,6 Prozent im Vormonat, wie aus der am Dienstag veröffentlichten Umfrage des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht. Die deutschen Sparkassen berichten von einem Einbruch der Nachfrage nach Immobilienkrediten.

"Aufgrund der explodierenden Material- und Energiepreise sowie der steigenden Finanzierungszinsen ist die Planungssicherheit dahin", sagte Ifo-Forscher Felix Leiss. "Die Baukosten steigen immer weiter. Für einige Bauherren ist das alles nicht mehr darstellbar, sie stellen Projekte zurück oder ziehen ganz die Reißleine."

Immer weniger Kunden fragen nach Angaben der deutschen Sparkassen Immobilienfinanzierungen nach. "Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen. Viele Projekte im Planungsstadium werden storniert", sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis dem "Handelsblatt" (Dienstag). Auch er führt das auf die Verunsicherung durch verschiedene Krisen und auf steigende Materialkosten zurück.

Schleweis sprach sich dafür aus, die Grunderwerbssteuer in Deutschland zu senken und weitere Förderprogramme der Staatsbank KfW aufzulegen. "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass für eine junge Familie mit zwei Durchschnittsgehältern Wohneigentum nur schwer erschwinglich ist."

Die Geschäftserwartungen der deutschen Baubranche trübten sich zuletzt nochmals ein: Das entsprechende Barometer fiel auf minus 53,2 Punkte. "Die Unternehmen verfügen im Schnitt immer noch über große Auftragsreserven, aber die Zukunftssorgen waren selten so groß", sagte Leiss. "Die Erwartungen notieren auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991."

Viele Unternehmen klagen zudem über Probleme beim Baumaterial: 32,7 Prozent meldeten hier Engpässe, im Vormonat August lag der Anteil allerdings mit 36,4 Prozent noch höher. "Die Materialengpässe entspannen sich nur langsam und die hohen Energiepreise verteuern das knappe Material zusätzlich", sagte Ifo-Experte Leiss. "Die Bauunternehmen müssen die höheren Beschaffungskosten an die Kunden weitergeben." Für die kommenden Monate seien daher "auf breiter Front weitere Preiserhöhungen geplant".

Die enorme Kostensteigerung führt auch dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) dazu, dass viele Häuslbauer Abstand von geplanten Projekten nehmen. "Entweder die Projekte rechnen sich nicht mehr oder die gestiegenen Baupreise und Zinsen sprengen das Haushaltsbudget, das ohnehin schon durch die explodierenden Energiekosten enorm belastet ist", sagte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim Oliver Müller. "Die immer stärker werdende Zurückhaltung zeigt sich bereits in den rückläufigen Ordereingängen und im Anstieg der Stornierungen." Damit dürfte es für die Bundesregierung schwieriger werden, das ausgegebene Ziel von 400.000 Wohnungen im Jahr zu erreichen. Der HDB fordert eine massive Förderung beim Neubau und bei der Sanierung sowie steuerliche Investitionsanreize. (apa/reuters/dpa)

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