Wirtschaft EZB - Chancen auf baldige Zinssenkung steigen

Leitzins bleibt bei 4,5 Prozent - Einlagensatz für Banken bei 4,0 Prozent

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EZB - Chancen auf baldige Zinssenkung steigen

Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert um und nimmt Kurs auf eine bevorstehende erste Zinssenkung. Die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag auf ihrer Geldpolitik-Sitzung in Frankfurt jedoch, den Leitzins vorerst weiter bei 4,50 Prozent und den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz bei 4,00 Prozent zu belassen.

Denn die Konjunktur im Euroraum hat laut EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Winter noch keine Fahrt aufgenommen. "Die Wirtschaft ist im ersten Quartal schwach geblieben", sagte sie am Donnerstag in der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. Doch Umfragen sprächen für eine schrittweise Erholung im Laufe des Jahres, wobei der Servicesektor vorangehen dürfte. Damit würde auch die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung steigen. "Die EZB sollte darauf bestehen, dass bis dahin alle staatlichen Inflationshilfen auslaufen", sagt Hanno Lorenz, Ökonom von Agenda Austria. "Auch heimische Wahlkampfzuckerl könnten die Inflation wieder unnötig anheizen", warnte Lorenz in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Und inzwischen ist die Inflation in der Eurozone im März auf 2,4 Prozent gefallen, nach 2,6 Prozent im Februar und 2,8 Prozent im Jänner. Die Zielmarke der EZB von 2,00 Prozent, die sie mittelfristig als optimales Niveau für den Währungsraum anstrebt, rückt damit in greifbare Nähe. Die Zeiten der Hochinflation, die im Herbst 2022 zeitweise auf über 10 Prozent anstieg, sind längst vorbei.

Denn erst, wenn die Preise nicht mehr verzerrt werden, kann die EZB realistisch einschätzen, wie es um die Preisstabilität gestellt ist.

Einige Mitglieder des geldpolitischen Rats seien bereits zuversichtlich gewesen, dass die Bedingungen für eine Zinssenkung erfüllt seien, sagte Lagarde. Diese seien allerdings bereit gewesen, sich der großen Mehrheit im Rat anzuschließen, die lieber zusätzliche Informationen im Juni abwarten wolle.

Offen ist daher, ob die Zinswende im Euroraum womöglich früher als in den USA eingeleitet wird. Die Zinsentscheidungen würden von Sitzung zu Sitzung und abhängig von den Daten getroffen, sagte Lagarde. Sie könne sich daher auf keinen Zinspfad festlegen, solange die Zahlen nicht vorlägen. Mit Blick auf die US-Notenbank Fed sagte sie: "Ich werde nicht über die geldpolitische Haltung und die Entscheidungen einer anderen Zentralbank spekulieren."

Sollte die EZB auf ihrer nächsten Zinssitzung am 6. Juni die Zinsen erstmals wieder senken, würde sie sehr wahrscheinlich noch vor der Fed die Zinswende einleiten. Die nächsten Zinsbeschlüsse der US-Notenbank stehen am 1. Mai und dann am 12. Juni an. Eine Zinssenkung der US-Notenbank bereits Anfang Mai gilt als praktisch ausgeschlossen. Auch ein erster Schritt nach unten im Juni wird an den Finanzmärkten als eher unwahrscheinlich angesehen. Denn die Inflation in den USA war zuletzt im März sogar auf 3,5 Prozent gestiegen, nach 3,2 Prozent im Februar, womit sie sich weiter vom angestrebten Zielwert der Fed von 2 Prozent entfernt hat. Zudem zeigt sich die US-Wirtschaft robust und der Arbeitsmarkt boomt.

Die Fed hat die Leitzinsen seit Anfang 2022 von nahe 0 auf eine Spanne von aktuell 5,25 bis 5,50 Prozent nach oben gesetzt. Zuletzt hatte sie aber mehrfach pausiert. Eine Abkühlung des Arbeitsmarktes ist aus Sicht der Fed eine wichtige Voraussetzung, um die Inflation nachhaltig auf die angestrebte Marke von zwei Prozent zu senken.

Die Fachleute der Europäischen Zentralbank (EZB) erwarten heuer ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent im Euroraum. Zuletzt gab es bereits zarte Erholungssignale: Das von dem Finanzhaus S&P Global berechnete Barometer legte im März binnen Monatsfrist um 1,1 Punkte auf 50,3 Zähler zu. Es lag damit erstmals seit Mai 2023 wieder über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone stagnierte von Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorquartal. Im Sommerquartal war die Wirtschaft noch leicht um 0,1 Prozent geschrumpft. (apa)

 

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von Patrick Baldia 2 Minuten Lesezeit